Tee ist inzwischen das nach Wasser beliebteste Getränk der Welt und kaum noch aus dem Alltag, gerade in der kalten Jahreszeit, wegzudenken. Das Lübecker St. Annen-Museum hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die Erfolgsgeschichte des Heißgetränks in Nordeuropa in einer Sonderausstellung vom 2. Oktober 2022 bis zum 29. Januar 2023 darzustellen. „Luxus, Lotterleben, Lifestyle. Tee verändert Nordeuropa“ zeichnet den Weg von China nach Nordeuropa, vom 17. Jahrhundert bis heute nach, wo bunte Bubble Tea-Läden die Innenstädte erobern, Chai- und Matcha-Tea-Latte dem Latte Macchiato den Rang ablaufen und Tee-Mischungen mit verheißungsvollen Namen wie „Seelenwärmer“ und „Spaßmacher“ vertrieben werden. Start-ups machen mit „Detox-Tee“ ein Vermögen und selbst Deutschrapper:innen vermarkten inzwischen ihren eigenen Eistee. Das St. Annen-Museum erzählt diese Geschichte mit rund 130 spannenden und kostbaren Objekten, darunter lange nicht mehr ausgestellte Schätze der eigenen Sammlung, ergänzt um besondere Leihgaben, vor allem aus dem TeeMuseum Norden und der Völkerkundesammlung Lübeck. Interaktive Stationen, etwa zum Riechen oder Abstimmen, E-Guides für Erwachsene und Kinder, ein informatives Begleitheft und ein abwechslungsreiches Veranstaltungsprogramm, unter anderem mit Tee-Verkostungen, runden die Schau ab und machen sie zu einem Erlebnis für Besucher:innen aller Altersschichten.

Ausgestellt sind Exponate, die die reiche Geschichte des Tees belegen. Dazu zählen Teekannen, -tassen, -dosen und –töpfe vom 18. Jahrhundert bis heute aus Deutschland, England oder China ebenso wie Teetische und Servierwagen, Krüge, eine chinesische Opiumpfeife, ein Samowar aus Lübeck vermutlich aus dem Jahre 1800 und das zum stilvollen Teegenuss gehörige Mobiliar. Auch moderne Gerätschaften zur Teezubereitung wie ein elektrischer Wasserkessel der Firma AEG aus dem Jahr 1913, entworfen von dem berühmten Industriedesigner Peter Behrens, dürfen nicht fehlen. In einem separaten Bereich sind die bunten Teeverpackungen, die man heute aus dem Supermarkt kennt, sowie die heute gebräuchlichen To Go-Becher, Teebeutel und Kapseln zur schnellen Zubereitung zu sehen. Außerdem vertreten ist ein so genanntes Teehaustier, wie man es in der chinesischen Tradition, eine Figur mit an die Teetafel zu setzen und gelegentlich mit Tee zu übergießen, bis es dessen Duft angenommen hat, auch heute noch im Handel erstehen kann.

Zu den Highlights gehören unter anderem die Titelwand, die mit 22 Teekannen die Designvielfalt im Wandel der Jahrhunderte darstellt. Zwei sehr frühe Meissen-Service mit Höroldt- und Imari-Dekor belegen die Kostbarkeit von Porzellan im Europa des 18. Jahrhunderts, das sich nur Fürsten leisten konnten, wie das ausgestellte Koppchen mit Untertasse aus einem Staatsgeschenk-Service für Christian VI. von Dänemark. Auch der Sammelleidenschaft für Teetassen im Biedermeier wird mit einer Sammeltassen-Etagere Rechnung getragen. Die drei großen „Tee-Nationen“ Europas England, Dänemark und Ostfriesland werden vorgestellt: Für England steht neben dem Wedgwood Geschirr stellvertretend die innovative „Teasmade“. Zum dänischen Hygge gehört klassisches dänisches Design von Georg Jensen wie die in der Ausstellung vertretene silberne Elfenbeinkanne. Ostfriesland wird durch die Kluntjeknieper und ein Service mit der ostfriesischen Teerose repräsentiert.

Als Lübecker Highlight zählt schließlich die Teekanne von Werner Oehlschläger mit einem raffinierten Öffnungsmechanismus, bei dem der Deckel mit zur Seite klappenden Henkeln geöffnet wird.

Prof. Dr. Hans Wißkirchen freut sich, dass es mit dieser auch ästhetisch ansprechenden Präsentation gelungen ist, eine zeitgemäße und aktuelle Ausstellung zu realisieren. „Auch, wenn es sich um Dinge aus der Vergangenheit handelt, ist es den LÜBECKER MUSEEN immer daran gelegen, sie mit den Blicken, Bedürfnissen und Fragen der Menschen aus der Gegenwart zu verknüpfen. Das ist auch in dieser Ausstellung wieder wunderbar gelungen“, so der Leitende Direktor der LÜBECKER MUSEEN.  Dr. Dagmar Täube, die Leiterin des St. Annen-Museums, stimmt dem zu: „Unser Haus verfügt über eine riesige Sammlung kulturhistorischer und kunsthandwerklicher Zeugnisse, mit denen vielfältige Einblicke in das lübeckische Leben möglich sind und es bis heute lebendig werden lassen. Diese Geschichten möchten wir erzählen. Eine davon ist die enorme Veränderung im alltäglichen Leben, die der Tee nach Nordeuropa und somit auch nach Lübeck gebracht hat.“ Sie hat die Schau gemeinsam mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Anna Lena Frank und Julia Hartenstein kuratiert.

Die Ausstellung verfolgt an verschiedenen Stationen die Geschichte des Tees in Nordeuropa. Es geht um einen weiten, Kulturen und Jahrhunderte überspannenden Weg: Die Blätter der aus China stammenden Teepflanze verbreiteten sich erst seit dem 17. Jahrhundert allmählich in Europa. Wie Seide und Porzellan musste auch Tee mit großem Aufwand und hohen Risiken von China um die halbe Welt transportiert werden. Dazu gehören auch sechs Koppchen aus dem so genannten „Nanking Cargo“, die in der Ausstellung zu finden sind. Als Handelsware für Europa gefertigt, waren sie Teil der Ladung des 1752 versunkenen niederländischen Handelsschiffs Geldermalsen. Dieses wurde erst 200 Jahre später geborgen, die Ladung 1986 in einer spektakulären Auktion versteigert und hat über den Kunstfreund C. J. Heinrich seinen Platz in der Sammlung des St. Annen-Museums gefunden.

In Europa trank man bis dato vor allem Bier und Wein, Heißgetränke waren nicht üblich. Hier wurde das exotische Getränk zunächst mit Gold aufgewogen und sorgte für eine große China-Mode. Gerade die zugehörigen Gerätschaften und kostbaren Porzellane beflügelten den Erfindergeist der Nordeuropäer. Die lange nur in China bekannte Zusammensetzung von Porzellan wurde immer eifriger erforscht und von Johann Friedrich Böttger 1709 in Meißen entdeckt. Dies geschah unter dem Druck von August dem Starken, der von sich selbst behauptete, er sei der „Maladie de porcelaine“, der Porzellankrankheit, erlegen. Immerhin trug er eine der bedeutendsten Sammlungen kostbarster Porzellane des 17. und 18. Jahrhunderts zusammen. Wie das Porzellan wurde auch der Tee im 18. Jahrhundert in größeren Mengen und zu günstigeren Preisen verfügbar. Tee beflügelte jetzt den geistigen Austausch und wurde als „Getränk der Vernunft“ bei den Aufklärern beliebt. Die Teesalons entstanden, die besonders Frauen eine neue Möglichkeit des gleichberechtigten gesellschaftlichen Austauschs boten. Kritiker sahen hier die Gefahr des aufkommenden „Lotterlebens“, da sie ihre Pflichten des Alltags vernachlässigen würden. Johann Friedrich Schütze bezeichnete im Holsteinischen Idioticon, einem Beitrag zur Volkssittengeschichte (1800-1806), den Teekonsum als „Schwachheit der Holsteinerinnen“: „Der Teekessel hieße auch „Bankrutskeetel“, weil „viel Thee gesöf zum Ruin und Banquerot führen könne“. Der Siegeszug des Tees in Nordeuropa war aber nicht mehr zu stoppen. Vor allem in England, Dänemark und Ostfriesland entstanden während der Biedermeierzeit sehr eigenständige und ausgeprägte Teekulturen als Ausdruck bürgerlicher Gemütlichkeit. Tee war nun bald für jeden erschwinglich, und auch neue technische Errungenschaften wie die Elektrifizierung oder die Thermoskannen trugen zur weiten Verbreitung bei. Seitdem währt die Beliebtheit des Tees und erlebt immer neue Moden und Trends, wenn sie auch durch den Kaffee einen bitteren Konkurrenten hat. 

Katalog
Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen, das für 8,50 € im Museumsshop erhältlich ist.


Öffnungszeiten:
01.04.-31.12.
Dienstag - Sonntag: 10:00 - 17:00 Uhr

01.01.-31.03.
Dienstag - Sonntag: 11:00 - 17:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: st-annen-museum.de