Im Rahmen des Forschungsprojekts »Vom Werk zum Display« gingen das Kunstmuseum Stuttgart und die Kunsthalle Mannheim gemeinsam der Frage nach, wie die digitale (Re-)Präsentation eines Kunstwerks aus dessen eigener, spezifischer Form abgeleitet werden kann. Die Ergebnisse sind ab 20. Juni 2024 in den Sammlungspräsentationen beider Museen zu entdecken.
Wie können Museen den digitalen Wandel aktiv mitgestalten? Wie gelingt es, Kunstwerke im virtuellen Raum in ihrer einzigartigen Qualität zu vermitteln? Das Analoge und Digitale produktiv, konzeptuell und ästhetisch miteinander zu verbinden, war das zentrale Anliegen des mehrjährigen Forschungsprojekts »Vom Werk zum Display« des Kunstmuseums Stuttgart und der Kunsthalle Mannheim. Das Projekt wurde im Rahmen des Programms »Kultur Digital« der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Die Umsetzung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den Agenturen Fluxguide und Wegesrand, die beide spezialisiert sind auf digitale Museumsbesucherlebnisse, sowie den assoziierten Partnern Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS) und Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Für 22 Kunstwerke beider Sammlungen wurden Episoden entwickelt, die bewusst auf das etablierte Vermittlungsmodell von Abbildung und Kurzbeschreibung verzichten und experimentelle, auf die jeweiligen Kunstwerke ›maßgeschneiderte‹ Ansätze für den digitalen Raum verfolgen. In den Sammlungspräsentationen der beiden Museen stehen vor den jeweiligen ausgewählten Kunstwerken Stelen mit Displays, die einen direkten Vergleich zwischen Original-Kunstwerk und digitaler Übersetzung ermöglichen.
So können im Kunstmuseum Stuttgart etwa Besucher:innen an dem Gemälde »Der Bachsänger« (1916) von Johannes Itten das Zusammenspiel von Kontrastwirkungen und Raumtiefe über Farb- und Formbeziehungen interaktiv erforschen. Die mehrschichtigen Erzählungen in Otto Dix’ Triptychon »Großstadt« (1927/28) werden durch ein Avatar-basiertes Storytelling erfahrbar gemacht: Die Figuren, virtuell zum Leben erweckt, berichten von dem im Bild dargestellten Geschehen aus jeweils eigener Perspektive. Auf einem digitalen Artboard lassen sich einzelne Elemente aus den rätselhaften Gemälden von Mona Ardeleanu zu eigenen Collagen kombinieren, wodurch neue Kunstwerke entstehen, die jedoch zugleich unverkennbar den Stil der Künstlerin haben. Durch die Überführung ins Digitale ist die ›Langstreckensonate‹ von Dieter Roth erstmals so zu hören, wie vom Künstler beabsichtigt: Der in die Assemblage »Lorelei« (1978) integrierte Kassettenrekorder ist derart manipuliert, dass Kassetten und Radio gleichzeitig abgespielt werden.
In der Kunsthalle Mannheim wurde unter anderem Édouard Manets Werk »Die Erschießung Kaiser Maximilians« (1868–69) aus der eigenen Sammlung mit drei weiteren Versionen aus Museen in Boston, London und Kopenhagen virtuell überlagert. Durch die Übersetzung ins Digitale wird die Entwicklung der Bildkomposition unmittelbar ersichtlich und nachvollziehbar. Das kinetische Objekt »Kurbelwald« (1991) von Ernst Reinold, welches für gewöhnlich in einem Museum von Besucher:innen nicht berührt werden darf, lässt sich nun auf einem Bildschirm in Bewegung setzen. Auch die Installation »Resonanz Raum« (2020) von Nevin Aladağ erhält in der Kunsthalle eine digitale Transformation mittels derer Nutzer:innen Musik nicht nur hören können, sondern auch in der Lage sind diese selbst zu mischen. Hinterlegt mit einer Hörcollage aus futuristischen Manifesten kommen Betrachter:innen der Bronzeskulptur des Künstlers Umberto Boccioni in der digitalen Anwendung so nahe, wie es bei dem Original nie zulässig wäre: Rangezoomt bis unmittelbar auf die Oberfläche verwandelt sich die futuristische Figur in eine futuristische Landschaft.
»Für die Präsentation von Kunst in einem Museum werden stets die bestmöglichen Rahmenbedingungen geschaffen, um die besondere Qualität eines Kunstwerks zur Geltung zu bringen. Die Positionierung und Raumwirkung spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Beleuchtung. Warum nicht also dieselben Ansprüche auch an die digitale (Re-)Präsentation eines Kunstwerks stellen?«, sagt Dr. Ulricke Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart. »In dem Kooperationsprojekt mit der Kunsthalle Mannheim konnten Strategien entwickelt und erprobt werden, um Kunstwerke ebenso abwechslungsreich wie fantasievoll für den digitalen Raum zu inszenieren.«
»Unser gemeinsames Projekt mit dem Kunstmuseum Stuttgart ist einem Ansatz gefolgt, der die Formen der digitalen (Re-)Präsentation aus dem jeweiligen Werk heraus entwickelt hat. Basierend auf den Möglichkeiten, die das digitale Display für die Präsentation eines Kunstwerks eröffnet, haben wir Formate konzipiert, die das Potenzial des digitalen Kuratierens und Vermittelns breit ausschöpfen«, so . Johan Holten, Direktor der Kunsthalle Mannheim.
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