Der isländische Fotograf Ragnar Axelsson (geb. 1958), einer der gefragtesten Fotografen des Nordens, beobachtet den Klimawandel schon seit Langem mit größter Sorge. Seit mehr als 40 Jahren dokumentiert er die dramatischen Veränderungen von Landschaften und Lebensräumen am Rande der bewohnbaren Welt und reist in die abgelegensten und isoliertesten Regionen der Arktis, zu Inuit-Jäger"innen nach Nordkanada und Grönland, zu Bäuer*innen und Fischer*innen auf Island und den Färöer Inseln und zur indigenen Bevölkerung in Nordskandinavien und Sibirien.

Diese erste Retrospektive Axelssons macht in beeindruckenden Schwarz-Weiß-Bildern die außergewöhnlichen Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und Orten in der Arktis und ihrer extremen Umwelt sichtbar - Beziehungen, die aufgrund des beispiellosen Klimawandels kontinuierlichen tiefgreifenden und komplexen Veränderungen unterliegen.

Seine Informationen stammen aus erster Hand, von den Menschen vor Ort. Axelsson scheut keine Risiken und Mühen, sie immer wieder in den entlegensten Orten zu besuchen und eine längere Zeit mit ihnen zu verbringen. Weil er den oftmals beschwerlichen Alltag mit ihnen teilt, gewinnt er nachhaltig ihr Vertrauen.

Dies erlaubt es ihm, intime Momentaufnahmen ihres Lebens zu machen und ihre Erzählungen aufzuschreiben - so wird er gleichzeitig zum Zeugen und Botschafter ihrer Existenz und der sich verändernden Lebensbedingungen.

Das andere große Thema, für das sich Axelsson begeistert, ist die Kraft der Elemente und die Erhabenheit der nordischen Natur. Davon zeugen seine beeindruckenden fotografischen Landschaftporträts. Mit dem Blick eines Forschers und Künstlers analysiert er auch die kleinsten Naturstrukturen, die an Zeichnungen eines Paul Klee oder Per Kirkeby erinnern.

Axelssons Engagement reicht jedoch weit darüber hinaus, ausschließlich als Fotograf und Journalist aktiv zu sein. Einige Fotografen, darunter der Magnum-Fotograf Paolo Pellegrin, haben ihn gebeten, sie bei ihren Projekten über den Klimawandel zu unterstützen. Axelsson, ein erfahrener Pilot, ist auch mit Olafur Elíasson über die Gletscher in Island geflogen, als jener an seinem künstlerischen Gletscherprojekt arbeitete. Zudem hat er die Klimaforscher Stefan Rahmstorf und Michael Mann begleitet, als diese die schmelzenden Gletscher sehen wollten. Axelsson ist gut befreundet mit dem Vulkanologen Haraldur Sigurösson. Mit ihm ist er an entlegene Orte in Indonesien und Grönland gereist, wo sie unter anderem die blauen Seen auf dem schmelzenden Grönlandgletscher untersuchten.

Diese Ausstellung bietet einen Blick auf Axelssons Lebenswerk, das selbstverständlich noch nicht abgeschlossen ist. Denn hinter seinen Fotografien steht die feste Überzeugung, dass die traditionelle Kultur der arktischen Bevölkerung nicht nur im Verschwinden begriffen ist, sondern den zerstörerischen Auswirkungen größerer Kräfte wie der Wirtschaft und des Klimawandels nicht standhalten kann. Diesen Menschen, die vom Klimawandel gezwungen werden, ihre jahrhundertealte Lebensweise an veränderte Bedingungen anzupassen oder auch aufzugeben, widmen sich sowohl die Ausstellung als auch der begleitende Katalog.

Eine Kooperation mit dem Kunstfoyer, Versicherungskammer Kulturstiftung, München.

»Nie war es wichtiger als jetzt, das Leben der Menschen und die Veränderungen, die sie in der Arktis durchmachen, in Worten und Bildern zu dokumentieren, damit die ganze Welt sehen kann, was geschieht.

Eine Fotografie ist in dem Puzzle, aus dem sich das Gesamtbild ergibt, nur ein kleines Teil, doch manchmal sind es diese kleinen Teile, die uns die Augen für die größere Realität öffnen.« Ragnar Axelsson


BIOGRAFIE

Seit über 40 Jahren fotografiert Ragnar Axelsson (* 1958), auch bekannt als Rax, Menschen, Tiere und Landschaften in den entlegensten Regionen der Arktis, etwa in Island, Sibirien und Grönland. In kargen Schwarz-Weiß-Aufnahmen fängt er die elementaren Naturerfahrungen des Menschen am Rande der bewohnbaren Welt ein und macht die außergewöhnlichen Beziehungen zwischen den Menschen der Arktis und ihrer extremen Umgebung sichtbar - Beziehungen, die sich aufgrund nie da gewesener Klimaentwicklungen heute tiefgreifend und vielschichtig verändern. Von 1976 bis 2020 arbeitete Axelsson als Fotojournalist für die isländische Tageszeitung Morgunbladid, zudem hat er in Lettland, Litauen, Mosambik, Südafrika, China und der Ukraine freiberuflich Aufträge übernommen.

Seine Fotografien wurden in Zeitschriften wie LIFE, Newsweek, Stern, GEO, National Geographic, TIME und Polka abgedruckt und weltweit ausgestellt. Axelsson hat sieben Bücher in verschiedenen internationalen Ausgaben publiziert. 2020 wurde sein Buch Hetjur nordurslóda/Arctic Heroes veröffentlicht, das den Schlittenhunden Grönlands als Helden der Arktis gewidmet ist. Für den 2018 erschienenen Bildband Jökull/Gletscher verfasste Ölafur Elíasson das Vorwort. Andlit nordursins/Das Gesicht des Nordens mit einem Vorwort von Mary Ellen Mark, kam 2016 heraus und gewann im selben Jahr den Isländischen Literaturpreis für das beste Sachbuch. Zu den weiteren Auszeichnungen, die Axelsson für seine Arbeit erhielt, zählen eine Reihe isländischer Preise für Fotojournalismus, eine ehrenvolle Erwähnung beim Leica Oskar Barnack Award, der Grand Prize des Festivals Photo de Mer im französischen Vannes sowie die höchste Ehrung Islands, das Ritterkreuz des Falkenordens.

Zurzeit arbeitet er an einem Dreijahresprojekt, mit dem das Leben der Menschen in allen acht arktischen Staaten dokumentiert werden soll. In dieser entscheidenden Zeit, in der die natürlichen und tradierten Gegebenheiten ihrer Welt durch den Klimawandel unwiderruflich zerstört werden, legt Axelsson Zeugnis von der unmittelbaren und direkten Gefahr ab, die die Erderwärmung für das Überleben der Menschheit darstellt.