Die Liebieghaus Skulpturensammlung erhält grandiosen Zuwachs: Die Ernst von Siemens Kunststiftung, der Städelsche Museums-Verein und das Städel Museum haben, mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Hessischen Kulturstiftung, eine Sammlung von über 200 kostbaren Elfenbeinskulpturen aus dem Besitz von Reiner Winkler für die Liebieghaus Skulpturensammlung erworben. Mit dieser Erwerbung, die durch die großzügige Schenkung des überwiegenden Teils der Sammlung durch Reiner Winkler überhaupt ermöglicht wurde, gelingt dem Liebieghaus die bedeutendste Erweiterung der eigenen Bestände in der Geschichte des Museums. Ab dem 27. März 2019 werden rund 190 Kunstwerke in der Ausstellung „White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer.“ gezeigt. Die Elfenbeinarbeiten aus dem Mittelalter sowie dem Barock und Rokoko werden in thematischen Kapiteln präsentiert.
Der Sammler und Mäzen Reiner Winkler (geb. 1925) schuf in jahrzehntelanger Sammeltätigkeit eine legendäre Privatsammlung von Elfenbeinskulpturen mit einem Schwerpunkt auf Objekten des Barock. Herausragend ist etwa die Arbeit Die Furie auf sprengendem Pferd (um 1610). Weitere Meisterwerke der Sammlung sind Sturz der abtrünnigen Engel (1. Drittel des 18. Jahrhunderts) aus Süditalien/Sizilien, Die drei Parzen (um 1670) von Joachim Henne (1629 um 1707) und Francis van Bossuits (1635 –1692) Merkur, Argus und Io (um 1670/75) sowie bildhauerisch bedeutende Werke von Johann Caspar Schenck (um 1620–1674), Balthasar Grießmann (um 1620–1706) oder Matthias Steinl (1643/44–1727). Das einmalige Konvolut bietet der Liebieghaus Skulpturensammlung die Möglichkeit, die eigenen, international bedeutenden Bestände auf höchstem Niveau zu erweitern. Die Erwerbung etabliert zudem die europäische Elfenbeinkunst als zentralen Sammlungsschwerpunkt der Abteilung Barock und Rokoko am Liebieghaus – ein Schwerpunkt, der zukünftig intensiv wissenschaftlich erforscht und vermittelt wird.

„Die Sammlung von Reiner Winkler ist nicht nur die weltweit größte Privatsammlung von Elfenbeinskulpturen, sie ist auch aufgrund ihrer besonderen kunsthistorischen Bedeutung einzigartig. Wir sind überaus glücklich und Herrn Winkler zu größtem Dank verpflichtet, dass seine Sammlung nun in der Liebieghaus Skulpturensammlung eine neue Heimat findet – an dem Ort, den sich Reiner Winkler seit Langem dafür vorgestellt hat. Die Überlassung der Sammlung zu einem mäzenatischen Preis kommt einer Schenkung des größten Teils gleich und hat diese bedeutendste Erweiterung des Sammlungsbestands in der Geschichte des Museums möglich gemacht. Mit der Sammlung Reiner Winkler eröffnet sich für das Liebieghaus nicht nur ein neuer Sammlungsschwerpunkt, sondern auch die Chance, die internationale Bedeutung und Strahlkraft des Liebieghauses erheblich zu vergrößern“, so Philipp Demandt, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung und des Städel Museums.

Reiner Winkler hat seine Sammlung seit 1962 kontinuierlich aufgebaut. Nach einigen Jahren des Sammelns von Skulpturen aus unterschiedlichen Materialien und Epochen konzentrierte er sich schnell ganz auf Elfenbeinskulpturen des 17. und 18., in sehr geringem Umfang des frühen 19. Jahrhunderts. Winkler ist der Liebieghaus Skulpturensammlung seit vielen Jahren eng verbunden. Bereits mehrfach stellte er dem Museum in der Vergangenheit generös Leihgaben für Ausstellungen zur Verfügung.

Reiner Winkler kommentiert die Übergabe an das Museum:
„Ich bin sehr glücklich, dass meine Sammlung im Liebieghaus ihre neue und endgültige Heimat findet und so als ,Gesamtkunstwerk‘ erhalten bleibt. Bereits seit vielen Jahren verfolge ich diese Idee, da ich davon überzeugt bin, dass damit eine wunderbare Symbiose verwirklicht werden kann: Der räumlich und kunsthistorisch perfekte Rahmen, die sich ideal ergänzenden Sammlungsschwerpunkte und die wissenschaftliche Expertise des Museums, die Nähe zu unserer Heimatstadt Wiesbaden und nicht zuletzt die Begeisterung und das großartige Engagement aller beteiligten Menschen, haben mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass jedes einzelne Werk hier eine wunderbare neue Heimat erhält und es kein besseres endgültiges Domizil für meine Sammlung geben kann als das Liebieghaus. Es erfüllt mich mit Stolz und Freude, dass die Vereinigung der bestehenden Sammlung Barock und Rokoko im Liebieghaus mit meiner Sammlung das Museum nun zu einem Ort macht, wo wie an keinem anderen Platz international bedeutende Skulpturen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und hoffentlich viele Besucher große Freude beim Betrachten der Objekte empfinden werden.“

Die Erwerbung konnte durch die Ernst von Siemens Kunststiftung, den Städelschen Museums-Verein und das Städel Museum mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Hessischen Kulturstiftung getätigt werden.

Die Vorsitzende des Städelschen Museums-Vereins, Sylvia von Metzler, freut sich, „dass der Städelsche Museums-Verein als wichtiger Mäzen für Ankäufe des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung den Erwerb dieses einzigartigen Konvoluts maßgeblich unterstützen konnte.“

„Die Unterstützung des Erwerbs der exquisiten Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler ist die finanziell umfangreichste Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung in den letzten Jahren, übernimmt sie doch fast die Hälfte des mäzenatischen Kaufpreises. Unserem Gründer, einem Unternehmer und Mäzen, hätte die zupackende Art gefallen, mit der der begeisterte und großzügige Sammler und das Liebieghaus eine einzigartige Chance zur substanziellen Sammlungserweiterung genutzt haben“, so Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung: „Die Hessische Kulturstiftung freut sich, dass durch ihr Engagement eine der außergewöhnlichsten barocken Skulpturensammlungen aus Privatbesitz fortan im Frankfurter Liebieghaus einem nationalen und internationalen Publikum dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht werden kann.“

Die Kulturstiftung der Länder hat in einem ersten Schritt die Erwerbung der Furie auf sprengendem Pferdgefördert. Eine weitere Förderung des Gesamtkonvoluts steht unter dem Vorbehalt der nächsten Sitzung des Stiftungsrates der Kulturstiftung der Länder. Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Es ist ein großes Glück für ein Museum wie das Liebieghaus, eine so vollständige Sammlung erwerben zu können und dabei auf einen Anbieter zu treffen, dessen Kennerschaft und Leidenschaft für die Kunst sich verbindet mit der Überzeugung, dass ein solch großartiger Schatz der Öffentlichkeit erhalten bleiben muss. Eine solche Überzeugung war es, die einst zur Gründung der Kulturstiftung der Länder geführt hat, weshalb wir sehr gerne diese Erwerbung fördern.“

Die Sammlung
Die Sammlung Reiner Winkler konzentriert sich auf Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, der Glanzzeit der Elfenbeinschnitzkunst. Sie vereint eine Vielzahl englischer, französischer, italienischer, deutscher, spanischer, österreichischer, niederländischer und flämischer Elfenbeinskulpturen sowie zwei Werke aus Indien und China. Dazu zählen Statuetten, Figurengruppen, Reliefs, Medaillons und einige wenige Humpen sowie Prunkgefäße. „Mit den Werken der Sammlung Reiner Winkler kann im Liebieghaus die Kunst der europäischen Bildhauerei in Barock und Rokoko in hoher und höchster Qualität und in ganz außerordentlicher Bandbreite nachvollzogen werden“, so Dr. Maraike Bückling, Sammlungsleiterin der Abteilung Renaissance bis Klassizismus und Kuratorin der Ausstellung. Die Werke der umfangreichen Sammlung geben einen beeindruckenden Überblick über die Geschichte der barocken Elfenbeinkunst. Außerdem lassen sich an ihnen die unterschiedlichen Ausprägungen der Elfenbeinschnitzerei innerhalb Europas eindrucksvoll aufzeigen. In einigen Bereichen ergänzen sich die Sammlung des Liebieghauses und die Sammlung Reiner Winkler, so etwa bei Werken der Künstlerfamilie Schenck. Das Liebieghaus besitzt ein Elfenbeinrelief, Der Kampf des Erzengels Michael mit dem Teufel(1683) von Christoph Daniel Schenck (1633–1691). Die Sammlung Reiner Winkler kann mehrere herausragende Werke dieser Künstlerfamilie vorweisen, darunter eine exquisite Allegorie des Sommers (um 1666), geschaffen von einem älteren Verwandten Christoph Daniels, Johann Caspar Schenck (um 1620–1674).
Während das Liebieghaus ein in den Umkreis des niederländischen Künstlers Gérard van Opstal (1594/97–1668) eingeordnetes kleines Elfenbeinrelief besitzt, kommen nun mit der Sammlung Reiner Winkler zwei weitere Werke aus diesem Umkreis hinzu, von denen eines möglicherweise König Ludwig XIV gehörte. Einer der bedeutendsten Künstler des 17. und 18. Jahrhunderts war der Österreicher Matthias Steinl (1643/44–1727). Das Museum zählt eine außergewöhnliche Holzstatue der Maria Immaculata (1688) zu seinem Bestand; die Sammlung Winkler beinhaltet Steinls kleine, meisterhaft gearbeitete Elfenbeinstatuette Chronos auf der Weltkugel (um 1720/1725).
Kunstwerke berühmter Bildhauer wie Adam Lenckhardt (1610–1661), Balthasar Grießmann (um 1620–1706), Thomas Schwanthaler (1634–1707), Francis van Bossuit (1635 –1692), David Le Marchand (1674–1726), Jean Cavalier (um 1650/60–1698/99), Joachim Henne (1629 um 1707), Theophilus Wilhelm Freese (1696–1763), Johann Christoph Ludwig Lücke (um 1703–1780) oder Simon Troger (1693–1768) finden mit dem Erwerb der Sammlung Reiner Winkler ihren Weg in die Liebieghaus Skulpturensammlung.

Die Ausstellung
Die Liebieghaus Skulpturensammlung präsentiert mit der Ausstellung „White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer.“ nahezu alle Stücke der Sammlung Winkler und verdeutlicht so deren künstlerische Bandbreite. Die Werke der Sammlung treten in einen Dialog mit Objekten aus dem hauseigenen Bestand. Elfenbeinwerke des Liebieghauses werden jenen aus der Sammlung Winkler gegenübergestellt und auch Museumsexponate von denselben Künstlern, jedoch aus unterschiedlichen Materialien, gezeigt. Anhand von rund 190 Exponaten wird so die Geschichte der Kleinplastik in Barock und Rokoko anschaulich nachgezeichnet.
Einige Meisterwerke der Sammlung Reiner Winkler werden in der Ausstellung besonders hervorgehoben, beispielsweise Die Furie auf sprengendem Pferd (um 1610) des sogenannten Furienmeisters (tätig um 1600–1625) – ein zentrales Werk der Sammlung Reiner Winkler. Zudem sind zu sehen Joachim Hennes Die drei Parzen (um 1670), Francis van Bossuits Merkur, Argus und Io (um 1670/75), die von einem unbekannten Augsburger Bildhauer geschnitzten Relieftafeln Minerva führt die Bildhauerei und Malerei den sieben freien Künsten zu (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts) sowie die Darstellung von acht Haupttugenden (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts), ferner Matthias Steinls Chronos auf der Weltkugel (um 1720/25), die Allegorie der Verdammnis in der Hölle (Anima Dannata) (1736) von Johann Christoph Ludwig Lücke und der von einem namentlich noch nicht bekannten Elfenbeinkünstler in Süditalien oder Sizilien geschnitzte Sturz der abtrünnigen Engel (1. Drittel des 18. Jahrhunderts). Eine überaus bedeutsame Rolle der Elfenbeinkunst kommt etwa Deutschland und Österreich zu, was sich deutlich in der Sammlung Reiner Winkler abzeichnet. Daher erhalten wichtige Künstler wie Leonhard Kern(1588–1662), Georg Pfründt (1603–1663), Jacob Dobbermann (1682–1745), die Künstlerfamilie Lücke oder die beiden Schencks in der Ausstellung eigene Kapitel.
Eine eigene Sektion vereint mittelalterliche Werke; Heiligendarstellungen sowie Werke, die biblische Inhalte transportieren, fügen sich zu einer Gruppe zusammen. Arbeiten, die sich antiken Themen widmen, und jene, die von bedeutenden Hof- oder Kammerbildhauern geschaffen wurden, werden ebenfalls konzentriert vorgestellt. Zudem werden mit den Niederlanden, Süditalien/Sizilien und Dieppe drei Kunstlandschaften präsentiert.