Mit einer herausfordernden Schau beleuchtet die Hamburger Kunsthalle die Transformationen des gleichermaßen schillernden wie brisanten Mythos der »Femme fatale« vom 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. Die Ausstellung geht den Erscheinungsformen eines auf sein unheilbringendes Potenzial hin verdichteten Frauentypus in der bildenden Kunst und in der Literatur ebenso nach, wie sie den Mythos der »Femme fatale« kritisch hinterfragt. Epochenübergreifend sind rund 140 Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotografien, Skulpturen, Installationen, Videoarbeiten und Filme zu erleben. Zu den Exponaten zählen Hauptwerke der Hamburger Kunsthalle ebenso wie Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen. Die Werke reichen von den englischen Präraffaeliten (u. a. Dante Gabriel Rossetti, John William Waterhouse) über Positionen des Symbolismus (u. a. Gustave Moreau, Fernand Khnopff, Franz von Stuck, Edvard Munch), des Impressionismus (u. a. Édouard Manet, Max Liebermann, Lovis Corinth), des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit (u. a. Jeanne Mammen, Gerda Wegener) bis hin zu Arbeiten der Pop Art, der feministischen Avantgarde (u. a. Maria Lassnig, Dorothy Iannone, Kiki Kogelnik, VALIE EXPORT) und zu aktuellen außereuropäischen Positionen (Zandile Tshabalala, Johannesburg/Südafrika). In der bildenden Kunst und der Literatur betritt die »Femme fatale« (übersetzt aus dem Französischen: verhängnisvolle Frau) im frühen 19. Jahrhundert die Bildfläche und avanciert zwischen 1860 und 1920 zu einem der bestimmenden Epochenthemen: Ein fest codierter Frauentypus, der als sinnlich-erotisch wie begehrenswert gilt und dessen vermeintlich dämonisches Wesen sich darin offenbart, Männer so in seinen Bann zu ziehen, dass diese ihm mit oftmals tödlichem Ausgang verfallen. Neben realen historischen Personen verdanken viele Protagonistinnen ihre Existenz antiken Mythen sowie dem Alten Testament. Die Ausstellung beleuchtet aber auch Phasen, in denen das klassische Bild der »Femme fatale« erodiert. Eine entscheidende Zäsur wird ab den 1960er-Jahren von feministischen Künstlerinnen gesetzt, die derartige Frauentypen – und damit ihren Mythos – dekonstruieren. Heute lässt sich das Thema nicht mehr ohne seine schillernde, aber auch problematische Geschichte betrachten. Vor dem Hintergrund der MeToo-Debatte, aktueller Genderdiskurse und durchlässig gewordener Geschlechtergrenzen bieten sich vielfältige
Anknüpfungspunkte für Künsterler*innen, um zeitgemäße Perspektiven zu eröffnen.

Gefördert durch: Freunde der Kunsthalle e.V., Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg