Erstmals widmet sich in Deutschland eine Ausstellung einer der größten Revolutionen in der Kunst des 19. Jahrhunderts: der Ölstudie. Ab 1820 malten viele Künstler direkt im Freien in Öl und schufen Naturstudien von großer Unmittelbarkeit. Für die wichtigsten Vertreter der Düsseldorfer Malerschule aber auch für Caspar David Friedrich und Camille Corot war dabei immer wieder das sich wandelnde Licht die zentrale Inspirationsquelle. Gezeigt werden 170 Exponate von 75 Künstler*innen, darunter zahlreiche noch nie öffentlich gezeigte Werke aus musealen und privaten europäischen Sammlungen.

„Ich freue mich, dass wir mit Florian Illies einen Experten für die Ölstudien des 19. Jahrhunderts als Kurator für die Ausstellung gewinnen konnten“, betont Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast. „Nachdem in den letzten Jahren bereits Überblicksausstellungen in Rom, Paris und Washington die vorher kaum beachteten Ölstudien präsentiert haben, stellen wir erstmals in Deutschland die von den Künstlerinnen und Künstlern in Öl gefertigten Studien als eine neu zu entdeckende und neu zu bewertende Kunstgattung vor.“

Die große Zeit der Ölstudie liegt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zwischen 1800 und 1860 wird in diesem Medium das Alltägliche und Beiläufige bildwuüdig und der Reiz des Momentanen entdeckt – lange vor der Schule von Barbizon und dem Impressionismus.

„Außergewöhnlich ist, dass die Ölstudien von den Künstlern nur für den privaten Gebrauch gemalt wurden – deshalb sind sie fast nie signiert und wurden zu Lebzeiten nicht ausgestellt. Erst heute, rund 200 Jahre später, werden sie wegen der veränderten Sehgewohnheiten gerade wegen ihrer Intimität und Spontanität als eigenständigem Kunstwerke geschätzt – und zwar oftmals weit mehr als die fertigen Ateliergemälde, auf denen einst das Renommee der Maler gründete“, hebt Kurator Florian Illies hervor. „Die Ölstudien waren nicht nur formal revolutionär, sondern auch inhaltlich. Es ging um einen neuen Blick auf die Natur: das malerische Interesse galt dem Spiel von Licht und Schatten, den Bäumen am Wegesrand, Gräsern im Wind, sprudelnden Bächen.“

Die Hinwendung zur Natur geschieht im Zusammenhang mit einer Neubewertung des Landschaftsbildes, einem sich wandelnden Geschmack des Publikums und einem gesteigerten Interesse der Malenden an „realistischen“ Landschaften, frei von jeder Idealisierung. Damit einher geht eine Neubewertung der malerischen Mittel: Das Malen mit Ölfarbe stand nicht länger im Schatten der bis dahin gepflegten Tradition der Zeichnung. Es erlaubte eine viel direktere Umsetzung der im Freien studierten Motive.

„Die auf Wanderungen und Reisen oder beim Blick aus dem Atelierfenster meistens auf Papier, manchmal auf Pappe oder auf Leinwandstücken entstandenen, in der Regel kleinformatigen Ölstudien vermitteln den Eindruck, als würde man den Malenden bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken“, erläutert Co-Kuratorin Anna Christina Schütz. „Mit den Ölstudien gelang es den Künstlern und Künstlerinnen die unmittelbar erlebte, momenthafte Seherfahrung in der Natur rasch und farbgetreu festzuhalten. Für heutige Betrachtende zeigt sich angesichts der fragmentarischen Darstellung von Motiven, dem skizzenhaften Malmodus und der Wahl neuartiger Bildausschnitte“, so Schütz weiter, „die Modernität dieser im frühen 19. Jahrhundert in Öl geschaffenen Naturstudien.“

Die Erfindung der Farbtube 1841 erleichtert die Handhabung und den Transport der zuvor im Atelier selbst angerührten und in Schweinsblasen verpackten Farben. Mit ihren Naturstudien schaffen die Landschaftsmaler*innen einen Motivvorrat, den sie zur Erinnerung, als Inspirationsquelle und als motivische Grundlage für Auftragswerke nutzen können. Eingesetzt werden die Studien in dieser Zeit auch als Lehrmaterial in den Kunstakademien, wo sie den Studenten als Kopiervorlagen für die Schulung ihres Blickes und der Hand dienten.

Die meisten Ölstudien verblieben in den Ateliers, wo sie manchmal andere Künstler zu Gesicht bekamen. Es verwundert daher nicht, dass diese selbst zu den ersten Sammlern dieser Kunstgattung gehören, sodass Studien manchmal Besitzer und damit auch das Atelier wechselten. Ein Umstand, der die Zuordnung der in Künstlernachlässen erhaltenen, meist unsignierten Werke bis heute erschwert und eine Herausforderung für die rein stilistischen Zuschreibungen darstellt.

Die Ausstellung ist in neun thematische Sektionen gegliedert, die einerseits die Ölstudie und ihre Funktion, andererseits die motivische Bandbreite des Mediums vorstellen. Der Rundgang beginnt unter der Überschrift „Das Flüchtige. Die Jagd nach dem Augenblick“ mit Werken, die die Konzentration der Malenden auf das Ephemere der sich permanent wandelnden Naturphänomene veranschaulichen. Mit den Räumen „Draußen vor der Tür. Heimaterkundung in Öl“ und „Unvollendet. Ein neues Bild entsteht“ werden der Entstehungsort und der Entstehungsprozess der Landschaftsstudien thematisiert, bevor im vierten Raum unter der Überschrift „Die Krone der Schöpfung. Bäume im Porträt“ eines der zentralen Motive der Landschaftsmalerei seinen Auftritt hat. In der Mitte des Rundgangs wird unter dem Stichwort „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang“ der Wandel des Lichts im Verlauf eines Tages nachvollzogen. In der Sektion „Nichts zu sehen. Das aussichtslose Jahrhundert“ sind Bilder präsentiert, die die Erwartung der Betrachtenden an sich in die Tiefe öffnende Bildräume unterlaufen und den versperrten Blick zum Thema machen. Demgegenüber steht im anschließenden Bereich unter der Überschrift „Die Poetik des Raumes“ das Wechselspiel zwischen Innen und Außen. Der Raum „Schlechtes Wetter“ fokussiert den „Zauber der Farbe Grau“, während den Abschluss der Ausstellung „Im Land des Lichts“, in Italien entstandene Studien bilden.

Ausgestellt sind Werke von Andreas Achenbach, Oswald Achenbach, Johann Carl Baehr, Jakob Becker, Ludwig Hugo Becker, Jean-Joseph-Xavier Bidauld, Carl Blechen, Arnold Böcklin, Rosa Bonheur, Ernst Bosch, Heinrich Bürkel, Alexandre Calame, Carl Gustav Carus, Franz Catel, Johann Wilhelm Cordes, Jean-Baptiste Camille Corot, Janus la Cour, Georg Heinrich Crola, Louis-Jacques Daguerre, Johan Christian Clausen Dahl, Francis Danby, Théodore Caruell d’Aligny, Johann Georg von Dillis, Johann Joachim Faber, Traugott Faber, Salvatore Fergola, Paul Flandrin, Johann Jakob Frey, Caspar David Friedrich, Ernst Fries, Jean Charles Geslin, Jean-Baptiste Gibert, Christian Friedrich Gille, Carl Friedrich Götzloff, Florian Grospietsch, Théodore Gudin, Maximilian Hauschild, Friedrich Karl Hausmann, Carl Hummel, Edmund Kanoldt, Josephus Augustus Knip, Carl Kummer, Thorald Læssøe, Wilhelm Leibl, Robert Léopold Leprince, Carl Friedrich Lessing, Ludwig von Löfftz, Friedrich Loos, Anders Christian Lunde, Paul Friedrich Meyerheim, Georges Michel, Carl Morgenstern, Friedrich Nerly, Guiseppe de Nittis, Fritz Petzholdt, Anton Sminck van Pitloo, Eduard Wilhelm Pose, Friedrich Preller, Johann Peter Raadsig, Heinrich Reinhold, Frederik Rohde, Johann Martin von Rohden, Julius Rollmann, Carl Rottmann, Théodore Rousseau, Caspar Scheuren, Johann Heinrich Schilbach, Johann Wilhelm Schirmer, Carl Seibel, Hans Thoma, Wolfgang Adam Toepffer,