Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK) präsentiert mit Núria Quevedo. Der Weg entsteht beim Gehen eine umfangreiche Schau zum Werk der außergewöhnlichen spanisch-deutschen Künstlerin. Die ausgestellten Malereien, Zeichnungen, Grafiken und ihre Buchkunst zeugen dabei von sechs Jahrzehnten künstlerisch konsequenten Schaffens Quevedos.

Mit ihren Kopf-Hand-Figuren entwickelte Núria Quevedo einen Figurentypus, der sie seit den 1980er-Jahren in ihrem Œuvre begleitet. Die zur Seite gewandten Köpfe mit großen staunenden Augen, zeichenhaft-verkürzten Armen und suchenden Hände geraten ihr zu Sinnbildern der Einsamkeit. Mit ihren überbetonten Händen wollen die statischen Figuren nach etwas greifen, das Halt bietet, tasten jedoch zumeist ins Leere, befühlen die sie eng umstellten Wände auf der Suche nach einem Alter Ego oder einem Ausweg. Es ist eine grenzerfahrende Bildwelt mit greifbarer Enge, die die Personnage zu Introspektion zwingt.

Die 1938 in Barcelona geborene Núria Quevedo floh 1952 mit Mutter und Schwester vor dem Franco-Terror zum bereits emigrierten Vater nach Ost-Berlin. Hier studierte sie Grafik und fand später als Meisterschülerin zur Malerei. Als passionierte Leserin fühlte sich Quevedo in ihrer ersten Schaffensphase von verschiedenen Wortkünstlern herausgefordert und arbeitete intensiv an literarischen Motivwelten, so zu Volker Braun, Franz Fühmann, Michail Scholochow und Christa Wolf. Dabei traten in ihren Grafiken zu Buchillustrationen mit der Zeit die Elemente des Komischen bis hin zum satirisch Überzogenen in den Hintergrund und das Tragische bekam Raum. Der Mensch ist ihr stehts Hauptbildgegenstand. Frontal dargestellte Gesichter mit expressiv-veristischen Gesichtszügen leuchten hell aus dem sie umgebenden Dunkel und zeugen von der Auseinandersetzung mit der spanischen Maltradition eines Velázquez. Der bewusste Verzicht auf starke Farbigkeit lässt Raum für eine vielfältige Ton-in-Ton Malerei mit nuancenreichen Licht-Schatten-Tönen.

Aber auch das Thema Exil hat Núria Quevedo nie mehr losgelassen, der Verlust von Geborgenheit, Vertrautem, Familie, Freunden, Heimat, die Verlorenheit in der Fremde -ihr eigenes Schicksal. Und so wirken ihre Einzelfiguren oftmals ausgesetzt in einer Welt, in der sie nicht heimisch werden können. Träumer und Phantasten sind darunter, die dennoch an der Hoffnung festhalten. Quevedos gehende und fortschreitende Figuren geraten zunehmend zu überdimensionierten Gliederpuppen, die auf der Suche nach neuer Beheimatung unentwegt in unwirtlichen Landschaften unterwegs sind. Mitunter wandern sie einsam durch lebensfeindliches vulkanisches Gelände oder durch dunkle, unheimliche, naturgegebene Gebiete, durch wilde Naturwelt, die kaum Menschenwelt scheint. Wie häufig in Quevedos Œuvre spielt Ambiguität mit: zeugt die Lavawüste doch von immenser Zerstörung, kündet sie dennoch von zartem Neuanfang. Einer der markantesten Sonderlinge, dessen immerwährende Reisen Quevedo über Jahrzehnte hinweg begleitete, ist Don Quijote. In dieser literarischen Figur lässt sich die Weiterführung des Themas Exil erkennen, schließlich erlebt Don Quijote seine Abenteuer fern der Heimat, unfähig zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Tragischer Weise erkennt er erst bei seiner Rückkehr in die Heimat auf dem fiebernden Totenbett seinen Irrtum.

Zum Ausstellungstitel wählte die Künstlerin einen Vers des von ihr hochgeschätzten spanisch-republikanischen Lyrikers Antonio Machado: „Der Weg entsteht beim Gehen“. Wie in ihrer Malerei „Der Weg“ aus der Sammlung des BLMK gibt es auch im Œuvre von Núria Quevedo Kreuzungen mit Abzweigungen, sowie schmale Nebenpfade und überraschende Kurven, die es zu entdecken gilt. Ganz nach Machado konnten diese künstlerischen Pfade erst beim Gehen entstehen. Gegliedert ist die Ausstellung in mehrere Themenschwerpunkte, die sich Quevedos frühen Arbeiten aus den 1960er- und 1970er-Jahren widmen sowie ihren Kopf-Hand-Folgen ab den 1980er-Jahren, Werken zu literarischen Themen, der Figur des Don Quijote, Landschaftsbilder, Stillleben und Künstlerbüchern.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 11:00 – 17:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: blmk.de

Núria Quevedo, Draußen, das Meer, 2009, Aquarell © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Thomas Kläber
20.11.2022 - 12.02.2023

Núria Quevedo: Der Weg entsteht beim Gehen

Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst - Rathaushalle

Marktplatz 1
15230 Frankfurt (Oder)