Die beiden Norddeutschen Emil Nolde (1867-1956) und Christian Rohlfs (1849-1938) zählen zu den wichtigsten Vertretern des Expressionismus und das, obwohl sie bedeutend älter waren als die expressionistische Avantgarde mit ihren berühmten Gruppierungen des Blauen Reiters in München und der Brücke in Dresden. Anhand der Lebensläufe dieser ausgewiesenen Einzelgänger lässt sich ihre individuelle Werkentwicklung hin zu ihrer jeweils einzigartigen Ästhetik nachvollziehen und als Teil der größeren kunsthistorischen Umbrüche um die vorletzte Jahrhundertwende sehen.

Darüber hinaus eröffnen die Biografien beider eine historisch-politische Perspektive. Denn während Rohlfs Zeit seines Lebens nicht explizit politisch agierte, war Nolde von der nationalsozialistischen Ideologie fasziniert und diente sich dem NS-Regime an. Die ambivalente Einschätzung des Expressionismus während des „Dritten Reichs* - zunächst als deutsche Kunst, d.h. als nordischer Expressionismus in Teilen anerkannt, dann als entartet verfemt - führt vor Augen, wie unabgeschlossen Bedeutungszuschreibungen sind und welche Verunsicherungen und Herausforderungen dadurch für unsere Rezeption entstehen.

Ausgehend von den Beständen der Kunsthalle Emden und ergänzt durch hochkarätige Leihgaben, wirft die Ausstellung „NOLDE/ROHLFS. Zwei Künstlerleben* (12. November 2022 bis 21. Februar 2023) durch die kontrastierende Gegenüberstellung von rund 100 Werken der beider Norddeutschen die noch immer wichtige Frage nach dem Verhältnis von Person und Werk auf: Verunglimpft die ideologische Haltung eines Künstlers dessen gesamtes Werk? Darf man dieses Werk heute noch betrachtend genießen oder muss man Böses auch im Schönen vermuten? Was lässt sich aus dem Vergleich zweier Künstler, von denen der eine unbelastet, der andere belastet ist, gewinnen?

Das Künstlerduo Lotte Lindner & Till Steinbrenner hat dazu neue Arbeiten als Versuch einer subjektiven wie emotionalen Annäherung entwickelt, insbesondere an das Leben und Werk Noldes.