Lübeck feiert den Geburtstag des berühmtesten Sohnes der Stadt: 150 Jahre Thomas Mann. Die Hansestadt, in der der Schriftsteller am 6. Juni 1875 geboren wurde und die er später als seine „Herzensheimat des Nordens“ bezeichnete, widmet dem Großschriftsteller und Weltbürger ein breitgefächertes Jubiläumsprogramm. Im Zentrum steht eine Ausstellung, die Thomas Manns politische Emanzipation vom Reaktionär zum Demokraten nachzeichnet. Dabei zeigt sich die Schau hochaktuell und inszeniert Thomas Manns politisches Engagement in Leben und Werk multimedial, u.a. als Graphic Novel oder in Hörstationen. Über die Ausstellung hinaus wird der Geburtstag in der ganzen Stadt begangen: Podiumsdiskussionen, Lesungen und eine Fachtagung widmen sich Thomas Mann und sparen auch kritische Facetten wie Manns antisemitische, sexistische und rassistische Tendenzen nicht aus. Literarische Stadtspaziergänge führen auf den biografischen und literarischen Spuren durch die Altstadt und für ein junges Publikum wird u.a. ein Hörspiel zu Leben und Werk des Literaten produziert. Ein Höhepunkt im Jubiläumsprogramm bildet ein Festakt am 6. Juni, dem Geburtstag Thomas Manns in Anwesenheit seines Enkels Prof. Dr. Frido Mann.
Eine Ausstellung mit aktuellem Bezug: Politische Emanzipation im Fokus
In „Meine Zeit. Thomas Mann und die Demokratie“ erzählt das Buddenbrookhaus die Geschichte von Thomas Manns politischer Wandlung und seinem demokratischen Engagement. Dabei kommt Thomas Mann in der Ausstellung selbst zu Wort: Sein O-Ton, überliefert in unzähligen Artikeln, Essays, Tagebucheinträgen, Reden, Interviews, Radiobeiträgen etc. gibt der Schau ihren narrativen Faden. Großexponate, von Thomas Manns Schülerzeitung Frühlingssturm bis hin zum Volksempfänger, inszenieren Thomas Manns geschriebenes und gesprochenes Wort. Derart wird der Text – dem Thomas Mann in seiner vielfältigen Gestalt auch 70 Jahre nach seinem Tod seinen Ruhm verdankt – zum wichtigsten Objekt der Ausstellung.
Im Mittelpunkt steht seine berühmte Rede Meine Zeit, die Thomas Mann 1950 in Chicago hält und in der er jedem „totalen Staat“ und jeder „dogmatischen Diktatur“ eine klare Absage erteilt. Der Text markiert einen Höhepunkt in Thomas Manns politischer Entwicklung vom reichstreuen Konservativen zum Vernunftrepublikaner bis hin zum überzeugten Demokraten.
Die Ausstellung schlägt ebenso eine Brücke in die Gegenwart, etwa wenn Thomas Manns Reden zur Verteidigung der Republik aus den 1920er Jahren in einer Hörstation mit politischen Reden unserer Zeit kontrastiert werden, und lädt die Besucher:innen ein, sich selbst einzubringen. In interaktiven Modulen können sie an einem Offenen Brief mitschreiben, an Umfragen teilnehmen oder eine Wahlentscheidung abgeben und so ihr eigenes demokratisches Handeln hinterfragen. Darüber hinaus beziehen partizipative Ausstellungsmodule Arbeiten von Lübecker Schüler:innen und ihre Auseinandersetzung mit Thomas Mann und der Demokratie ein, etwa als politischen Podcast angelehnt an Thomas Manns berühmte BBC-Ansprachen.
„Meine Zeit ist unsere Zeit. Mit Thomas Mann auf die gegenwärtige Krise der Demokratie zu gucken, schärft den Blick. Seine Mahnung, den einfachen Antworten und populistischen Verführern nicht auf den Leim zu gehen, gilt unverändert. In unsere Hände ist die Republik gelegt, in die jedes Einzelnen, sagt Thomas Mann 1922. Die Demokratie braucht uns alle, oder sie wird scheitern. Das ist heute so wahr wie vor hundert Jahren.“ Dr. Caren Heuer, Direktorin des Buddenbrookhauses
Dass Thomas Mann seine politische Haltung immer auch literarisch reflektiert hat, von Buddenbrooks bis Doktor Faustus, bildet den jeweiligen Übergang zwischen den einzelnen Ausstellungsabschnitten: Graphic Novels, die der Comiczeichner Jan Soeken eigens für die Ausstellung entwirft, inszenieren ausgewählte literarische Szenen, die den politischen Gehalt von Thomas Manns literarischen Texten pointieren.
Ebenso findet die Biografie Eingang in die Ausstellung: In Fotoalben zum Blättern erzählt Thomas Mann seine Lebensgeschichte von der Lübecker Kindheit über die Heirat mit Katia Pringsheim und die Verleihung des Nobelpreises bis hin zur Ernennung als Ehrenbürger Lübecks.
Katalog
Im Juli erscheint zur Ausstellung bei Koenigshausen & Neumann der Katalog „Meine Zeit. Thomas Mann und die Demokratie“, der die Ausstellung perspektivisch um Beiträge der Politik- und Geschichtswissenschaft erweitert. Der Band spürt Thomas Manns politischer Haltung in unterschiedlichen Phasen seines Lebens und seines Schaffens nach. Augenfällig ist dabei die Aktualität der verhandelten Themen. Somit nimmt die Auseinandersetzung mit Thomas Mann auch die gegenwärtigen Krisen der Demokratie in den Blick: Seine Zeit ist unsere Zeit – das gilt nicht nur für die politische Diagnose, sondern auch für die Handlungsoptionen, die sie aufzeigt. Zu den Beitragenden gehören u. a. der Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Dr. Heinrich Detering mit seinem Essay „Thomas Mann und die Demokratie“, der Träger der Thomas-Mann-Medaille Prof. Dr. Hans Rudolf Vaget, der unter dem Titel „Citizen Mann. Thomas Mann in Amerika“ die Jahre im amerikanischen Exil beleuchtet, und der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Dreyer erweitert die Perspektive mit seinem Beitrag „Der Unpolitische als Demokrat. Thomas Mann in der Weimarer Republik“. Marie Limbourg untersucht Manns politische Selbstinszenierung in seinen Radioansprachen und Andreas Braune widmet sich der Rolle politisierender Kunst in der Geschichte der Demokratie.
Umbau Buddenbrookhaus
Das Buddenbrookhaus ist für seine bauliche Erneuerung noch bis voraussichtlich 2030 geschlossen. Deshalb wird die Ausstellung des Buddenbrookhauses zum 150. Geburtstag von Thomas Mann in den Räumen des St. Annen Museums Lübeck gezeigt. Auch alle Veranstaltungen und Vermittlungsprogramme finden außerhalb des Buddenbrookhauses statt.
Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 10:00 - 17:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: st-annen-museum.de