Zwischenspiel, verstanden werden, das die Haltung der Kunststiftung DZ BANK auf den Punkt bringt: interdisziplinäres Denken und das Aufdecken, Hinterfragen und Analysieren von Zusammenhängen und Prozessen – zwischen Lebewesen, Künsten, Wissenschaften und technischen sowie ökologischen Systemen. Dabei greift die Ausstellung vergangene Ideen auf und will von hier aus Impulse und Verknüpfungen weiterdenken.

Kybernetik ist die Regelung von Nachrichtenübertragungen im Lebewesen und in der Maschine. Es geht um die Steuerung komplexer Systeme, die vom Menschen auf Maschinen übertragen werden. Es ist die kontinuierliche Suche nach gemeinsamen Strukturen und Kommunikationsprinzipien, die in Analogie zu lebenden Organismen und sozialen Organisationen gedacht werden.

Die Ausstellung mit Werken aus der Sammlung der DZ BANK, die vom 04.06.–18.10.2025 in Frankfurt zu sehen sein wird, gliedert sich in vier Schwerpunkte, die betrachtet werden sollen: Wahrnehmung und Sprache. Kommunikation als komplexes System; Mensch und Computer. Kommunikation mit Maschinen; Selbstorganisierte Systeme. Natur und Umwelt; Soziale Systeme. Sich selbst durch sich selbst sehen.

»Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!«
Heinz von Foerster

Kunst ist ein komplexes System, das aus der Mitte unserer Gesellschaft erwächst und sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Themen und Methoden beschäftigt. Kunstschaffende arbeiten nicht selten mit anderen Expertinnen und Experten zusammen und entwickeln neue Techniken sowie Erkenntnisse. Indem Kunstschaffende sich gesellschaftlich relevanten Entwicklungen widmen, entstehen immer wieder neue Fertigkeiten, mit deren Hilfe sie die Themen buchstäblich be-greifen. Diese Begabung verbindet sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ebenso auf der Suche nach neuen Einblicken und alternativen Methoden sind. Wie beginnt Wissenschaft? Mit einer Formel? Mit einem Experiment? Mit einem Fehler? Oder doch mit Staunen? Kunstschaffende sind Beobachterinnen und Beobachter einer Vielzahl miteinander verwobener Zusammenhänge, zugleich beobachten und überprüfen sie sich häufig auch selbst, indem sie versuchen, sich der Inhalte anzunehmen und ihrer habhaft zu werden. Das macht Kunstwerke zu Systemen und Künstlerinnen und Künstler zu Kybernetikern zweiter Ordnung. Wie Kunstschaffende Beobachterinnen und Beobachter von Zusammenhängen sind, werden auch die Besucherinnen und Besucher der Ausstellungen zu Beobachtenden und somit Teil dieses komplexen Systems Kunst.  

Mit »Felder 11«, 2021 hat Christiane Feser (* 1977, Würzburg, BRD) ein Netzwerk geschaffen, das aus Knotenpunkten und Verbindungen eine Landkarte unserer Eindrücke simuliert, die durch kontinuierliche Bearbeitung entsteht. Mehrfach fügt die Künstlerin Ebenen hinzu, die sie erneut abfotografiert, um sie noch einmal zu verändern und abermals abzulichten. Es sind Schichten, die übereinander gelagert werden und die wir als Schärfe und Unschärfe wahrnehmen, was für unsere Augen eine räumliche Tiefe erzeugt, weil wir beim Schauen nicht alle Ebenen gleichermaßen deutlich sehen können.

Die Video- und Soundinstallation »Speicher«, 2008 von Michaela Melián (* 1956, München, BRD) ist ein zentrales Gesamtkunstwerk für diese Ausstellung und stellt zugleich in Form eines kommunikativen Zwischenspiels das komplexeste Arrangement dar. Nicht nur verwebt die Künstlerin drei mediale Systeme – Klang, Film und Sprache – miteinander, sie verbindet diese zudem mit einer Vielzahl inhaltlicher Impulse, die sie assoziativ aneinanderreiht und untereinander vernetzt. »Speicher« handelt in unterschiedlichen Erzählsträngen vom Reisen, von einer Fahrt mit einem Auto, das durch die gesamte Länge der Vorführung von einer Navigationsstimme geleitet wird. Diese Automatenstimme unterbricht fortlaufend die Geschichten von Flucht und Migration sowie vom Flug der Zugvögel, die hoch über den Köpfen der Passanten ihre Strecken in der Luft zurücklegen. »Wenn ich ein Vöglein wär’, und auch zwei Flügel hätt’, flög’ ich zu dir.« Für die Zugvögel gibt es keine Grenzen – Erde und Himmel sind für sie grenzenlos. 

Wie Michaela Melián verarbeitet Adrian Williams (* 1979, Portland, Oregon, USA) das Unterwegssein als Ideengeber für ihre Bildwerke. Auch sie ist weit mehr als eine bildende Künstlerin und hat sich durch Performances und musikalische Interventionen hervorgetan. Für diese Ausstellung kombiniert sie Sprache mit kleinen Farbfotografien, die sie auf einer Reise durch Nord- und Südamerika aufgenommen hat und mit denen sie ihre je eigenen Erinnerungen verbindet. 

Die Videoarbeit von Johannes Raimann (* 1992, Wien, Österreich) steht als Arbeitstisch im Raum, als ein Gerät, an dem zum Beispiel Kreative ihre Arbeit tun. »color : space : negotiation«, 2021 verhandelt den Farbraum unserer Endgeräte, der auf jedem Apparat, den wir nutzen, ein anderer ist – worauf auch die Farbtafel »there is no right color in the wrong one«, 2021 hinweist, die sich auf die Farbgebung seines eigenen Handys bezieht. Maschinell erzeugte Farbmodelle bestehen aus programmierten numerischen Codes, die hinter der Farbgebung liegen. Sie greifen somit in die Bilderzeugung ein und beeinflussen unseren Sinneseindruck. 

Auch Johannes Franzen (* 1967, Alf, BRD) richtet sein Augenmerk auf Farbe, konkret auf das Spektrum digitaler Farbvielfalt. Seit den späten 1990er Jahren beschäftigt er sich mit den Mechanismen und Möglichkeiten der Herstellung digitaler Bilder. Seine Serie »4096² rot, grün, blau«, 2007 hat er auf dem Computerbildschirm zusammengesetzt, indem er ein Programm, also eine Sprache entwickelte. Mit dieser steuert er den Bildschirm an und generiert auf der Grundlage von Hexadezimaldateien maschinelle Bilder. Das Ergebnis bezeichnet er folglich als »Maschinenbilder«, auf denen die Gesamtzahl aller möglichen digitalen Farbwerte – insgesamt 4096², also gut 16,7 Millionen einzelne Farben – je unterschiedlich angeordnet ist. 

Das »Neuro Yolk«, 2011, der ›Nervendotter‹, soll der Beruhigung unseres Nervensystems dienen und seine Einnahme Stress reduzieren. So heißt es auf der Texttafel, die die Abbilder verschiedenförmiger Eier, die offenbar manipuliert wurden, begleitet. Mehreen Murtaza (* 1986, Riad, Saudi-Arabien) ist eine Künstlerin, die sich in den Untersuchungen ihrer Umwelt zwischen Science-Fiction und Wissenschaft bewegt. Zugleich kommt sie vielfach zu intuitiven Lösungen, in denen sie mögliche zukünftige 

Szenarien konstruiert. Verarbeitete Lebensmittel sind heute für jeden zugänglich. Welche Auswirkungen sie auf unsere Psyche haben, ist weitgehend bekannt. Intuition ist somit nicht einfach ein Gefühl, sondern die Fähigkeit, Sachverhalte und Gesetzmäßigkeiten oder die subjektive Stimmigkeit von Entscheidungen spontan erkennen zu können.

John Baldessari (1931, National City – 2020, Venice, Kalifornien, USA) und Robert Barry (* 1936, New York City, USA) gehören beide zu den Initiatoren der US-amerikanischen Konzeptkunst. Diese löste in den 1960er Jahren die klassischen Gattungen ab und wird bis heute international als multimediale Kunstrichtung verstanden, die das Konzept, also die Idee, in den Vordergrund stellt. Künstlerinnen und Künstler bedienen sich seitdem ganz unterschiedlicher Materialien, mit denen sie die Inhalte jeweils am besten vermitteln können.

Als multimedial werden die Kunstwerke von Antoni Muntadas (* 1942, Barcelona, Spanien) beschrieben. Von 1990 bis 2014 war der Künstler Professor am Massachusetts Institute of Technology, einer der führenden technischen Universitäten in den USA. Also auch hier liegt eine disziplinübergreifende Vorstellung zugrunde, die in der Serie »Architektur Räume Gesten«, 1988/1991 zum Ausdruck kommt. Der eher unpersönlich erscheinende Titel täuscht nicht über die systemische Verwobenheit zwischen den Bildern hinweg, die er auf den Kunstwerken kombiniert. So wirken sich Architektur, Innenraum und Gesten unmittelbar auf das zwischenmenschliche Zusammenleben aus.


Öffnungszeiten:
Dienstags - Samstag: 11:00 - 19:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: kunststiftungdzbank.de

Thomas Ruff, Substrat 10 I, 2002, © Thomas Ruff, VG Bild -Kunst, Bonn 2025
04.06. - 18.10.2025

Kybernetik. Vernetzte Systeme

DZ BANK Kunststiftung

Platz der Republik
60325 Frankfurt am Main