Das multidisziplinäre Werk der französisch-marokkanischen Künstlerin Yto Barrada (*1971, lebt und arbeitet in New York und Tanger) umfasst textile Arbeiten, Fotografie, Film und Skulptur. Neben einer Auswahl jüngerer Arbeiten aus den letzten fünf Jahren präsentiert die Kunsthalle Bielefeld mit „Bad Color Combos“ auch neu entstandene Werke der Künstlerin. Es handelt sich um die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin in Deutschland seit zehn Jahren, die in Kooperation mit dem Stedelijk Museum Amsterdam entstanden ist. 

Barradas Arbeit ist untrennbar verbunden mit Fragen nach kulturellen Phänomenen und politischen Strukturen, die sie mit persönlichen Narrativen verknüpft. Dabei spielt die besondere geografische Lage ihrer Heimatstadt Tanger an der Meerenge von Gibraltar – in umittelbarer Nähe der Grenze zu Europa – eine große Rolle. Neben der Auseinandersetzung mit (geo)politischen Themen, beschäftigt sich die Künstlerin mit Farb-, Form- und Materialästhetik und bezieht sich in ihrem Werk oft auf die internationale Moderne. 

Speziell für die Ausstellung „Bad Color Combos“ hat die Künstlerin die Wandcollage „The Mothership, the Strait, the Edge“ (2022) an den Ausstellungsstandorten im Stedelijk Museum Amsterdam und der Kunsthalle Bielefeld geschaffen. Das Werk bezieht sich auf das gleichnamige, als Garten angelegte Forschungszentrum der Künstlerin in Tanger. Hier werden unter anderem Naturfarbstoffe aus aussterbenden Pflanzenarten gewonnen, die Barrada in vielen ihrer Arbeiten verwendet. 

Sie verbindet traditionelle handwerkliche Techniken, wie das Färben von Stoffen und Nähen, mit politisch-gesellschaftlichen Fragestellungen einer globalisierten Gegenwart. Thematische Schwerpunkte umfassen die Auswirkungen des Klimawandels auf Natur und Landschaft sowie die Bedeutung der Globalisierung für die Weitergabe von Traditionen, Wissen und kulturellen Praktiken. 

Um das Zusammenspiel von (textilem) Handwerk, Farbe und Ornamentik, geht es auch in der Serie „After Stella", die in Referenz zur abstrakten Malerei des US-amerikanischen Künstlers Frank Stella (*1936) steht. Stella ließ sich Mitte der 1960er Jahre von seinen Reisen nach Marokko inspirieren und betitelte seine Bilder nach marokkanischen Städten. Barrada geht es jedoch nicht um eine Hommage an den Künstler, sondern um das Aufspüren ornamentaler Traditionen zwischen unterschiedlichen Kulturen. Inspirationsquelle sind auch die Arbeiten von Josef und Anni Albers, die mit ihren Untersuchungen zur Wechselwirkung von Farben und der Entwicklung der Textiltradition die Kunst des Bauhauses maßgeblich prägten. 

Vor dem Hintergrund der über 800-jährigen Geschichte der Leineweberstadt Bielefeld als einer der wirtschaftlich wichtigsten Textilstandorte Deutschlands erhält diese Auseinandersetzung einen unmittelbaren Bezug zum Ausstellungsort in der Kunsthalle Bielefeld. 

Ebenfalls zu sehen sind drei der wichtigsten Filme von Yto Barrada, darunter „The Power of Two or Three Suns“ (2020). Der Film entstand in einem industriellen Testlabor, in dem Stoffe unterschiedlicher Beschaffenheit künstlich simulierten Naturkräften ausgesetzt werden, um ihre Haltbarkeit zu bewerten. Die Exposition der Farben gegenüber der Kraft der (künstlichen) Sonne dient als Metapher für das Vergehen der Zeit, für Alterung und Verfall sowie für die Auswirkungen des Klimawandels und der ökologischen Krise. Auch die Installation „Tanger Island Wall“ (2022), die speziell für die Ausstellung produziert wurde, bezieht sich auf die verheerenden Folgen des Klimawandels, indem sie auf eine Insel vor der Küste von Virginia in den Vereinigten Staaten Bezug nimmt, die aufgrund des steigenden Meeresspiegels langsam im Meer versinkt. 

Neben ihren soziopolitischen Anliegen basiert Yto Barradas künstlerische Praxis auf der Idee der Gemeinschaft, einem Interesse an den Praktiken des Wissenserwerbs sowie der künstlerischen Zusammenarbeit mit Freunden und Familie. Die Künstlerin erkundet dieses Interesse an Spiel, Bildung und Experimenten in einem Ausstellungsraum, in dem sie neben ihren eigenen Arbeiten auch die von Künstlerinnen aus drei Generationen zeigt: Elodie Pong (*1968), Bettina Grossman (1927-2021), sowie Werke, die in Zusammenarbeit mit ihrer 8-J Tochter Tamo entstanden sind. 

Über Yto Barrada 
Yto Barrada wurde 1971 geboren, wuchs in Tanger, Maroko, auf, studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Sorbonne in Paris und lebt und arbeitet heute zwischen New York und Tanger. 2006 gründete Barrada die Cinémathèque de Tanger, Nordafrikas erstes Kino-Kulturzentrum. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2022 mit dem Mario Merz Preis, Turin. Ihre Arbeiten wurden in der Tate Modern (London), im MoMA (New York), in der Renaissance Society (Chicago), im Kulturinstituut Melly (Rotterdam), im Haus der Kunst (München), im Centre Pompidou (Paris), in der Whitechapel Gallery (London) und auf der Biennale von Venedig 2007 und 2011 ausgestellt. 

Die Ausstellung entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin Yto Barrada und in Kooperation mit dem Stedelijk Museum Amsterdam. 


Öffnungszeiten:
Dienstag: 11:00 - 18:00 Uhr
Mittwoch: 11:00 - 21:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: kunsthalle-bielefeld.de