„Es ist oft so, dass Dinge, die nicht verfügbar sind, einen besonderen Reiz haben. Als im Frühjahr 2021 die Museen aufgrund der Coronapandemie geschlossen und Museumsbesuche nicht möglich waren, die ich sehr vermisst habe, griff ich zu den Kunstbildbänden aus meiner umfangreichen Bibliothek und betrachtete viele Werke Alter Meister. Teilweise waren zehn bis zwanzig Jahre vergangen, seit ich die jeweiligen Ausstellungen mit Begeisterung besucht hatte. In unserer schnelllebigen Zeit geraten solche Erinnerungen oft in Vergessenheit. Und so war ich froh, die pandemiebedingte Entschleunigung kreativ für mich zu nutzen und in diese besonderen Bilderwelten einzutauchen. Dabei wurde mir klar, dass nicht nur die Lichtmaler des Impressionismus meinen künstlerischen Weg beeinflusst haben, sondern auch jene, die noch viel früher und mit ihrer ganz eigenen Lichtregie Meisterwerke geschaffen haben.“ Christopher Lehmpfuhl

Christopher Lehmpfuhl ist ein bedeutender Künstler der Freilichtmalerei, der sogenannten Pleinairmalerei. Im Jahr 2020 hatte ich das große Vergnügen, mit Christopher Lehmpfuhl in einen Dialog über die Wahrnehmung der historischen Gärten als gestaltete Natur zu treten. Ich lernte seine besondere Maltechnik schätzen, die Ölfarben prozesshaft und direkt mit der Hand auf die Leinwand aufzutragen. „Dadurch bekomme ich ein besseres Gefühlt für die Farbe und ihre Haptik. Ich bin ein malender Bildhauer“, sagte er. Wir feierten die wunderbaren Resultate schließlich in einer Ausstellung der Großen Orangerie von Sanssouci.

Immer wieder befassten sich Künstler, insbesondere Maler, mit der Kunstgeschichte. Die „Meister“ dienen als Vorbilder der eigenen Einordnung, der Hinterfragung eigener Kunst. Christopher Lehmpfuhl hat es nun über mehrere Jahre und gründlich getan. Er benutzt das Aquarell als die „Kaisertechnik“, denn sie erfordere „eine besondere Präzision. Der kleinste Fehler ist nicht zu verbessern“. Mit eben dieser Technik studierte er die alten Meister, indem er Ausschnitte der Licht- und Farbwirkung nachzeichnete. Viele der großen Meister des 14. bis 18. Jahrhunderts inspirierten auch Künstler des Impressionismus, wie Monet, Ury, Liebermann oder Corinth, die Lehmpfuhl so schätzt. Die hier gewählten großen Meister sollten seine ganz persönliche Wahrnehmung schärfen, denn „jede Zeit hat ihre eigene Form, ihre Farben, ihre Stimmung und ihr eigenes Licht“, sagt Christopher Lehmpfuhl.

Seine Studien in den Hommagen an die großen Meister der Kunstgeschichtehat Christopher Lehmpfuhl persönlich erläutert.
Berlin zu malen, ohne an Adolf Menzel, Eduard Gärtner, Lovis Corinth oder Max Liebermann zu denken, ist unmöglich“, sagt er. Er präsentiert uns, welche Details der großen Meister ihm wichtig sind, denn wir sollten letztlich auch „die Landschaft mit den Augen der Künstler sehen, die uns begeistern“. Seine Hommagen gehen zurück bis zu Leonardo da Vinci und seiner Darstellung natürlichen Lichts in freier Natur vor mehr als 500 Jahren. Sie sollen nach Lehmpfuhl letztlich dazu dienen, „Gesehenes neu zu interpretieren und einen künstlerischen Ausdruck für die Zeit, in der wir leben, zu finden“.

Christopher Lehmpfuhl nimmt uns mit seinen Hommagen an die großen Meister der Kunstgeschichte nicht nur mit auf eine Zeitreise durch verschiedene soziale, politische und gesellschaftliche Interpretationen der authentischen Meister der Bildkünste. Schon Jacob Burckhardt (1818-1897) suchte als Kulturhistoriker in der Malkunst als Darstellung des Lebens und der Schönheit erneut eine gesellschaftliche Aufgabe zu fördern: in der Fähigkeit zum Kunstgenuss zeige sich Humanität.

Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) forderte die Originalität zu erkennen, die Kunst „nach dem Wesen derselben“ zu analysieren: Nachmachung sei einfache Epigonalität, während Nachahmung Kreativität erfordere. Lehmpfuhl zeigt uns dieses „Wissen und Können“, zeigt uns die kunsthandwerklichen-technischen Fähigkeiten wie der Darstellung von Licht-Schatten oder Farbkombinationen. Er macht uns in markanten Ausschnitten neugierig, „einen neuen Blick auf diesen Kulturschatz zu lenken“. Es wird dem Betrachter zugleich verdeutlicht, auf welche Weise eben diese Genialität der Meister von Christopher Lehmpfuhl neu verstanden worden ist. Es ist die faszinierende Aktualität der alten Malkunst, und sie setzt Maßstäbe für unser Sehen und Wahrnehmen von den Wirklichkeiten im 21. Jahrhundert!

Christopher Lehmpfuhl hat seine persönliche Motivation im Zusammenhang über Gedanken des Studiums von Vorbildern als Inspiration des zeitgenössischen Malprozesses einmal so formuliert: „Welches Kompliment an einen Künstler könnte größer sein, als jenes, dass wir uns in seinem Kunstwerk wiedererkennen?
 

Textauszüge aus dem Prolog von Michael Rohde des zur Ausstellung erschienenen Katalogs.

© Christopher Lehmpfuhl
13.11. - 31.12.2022

Christopher Lehmpfuhl: HOMMAGEN an die alten Meister Aquarelle von

Rosenhang Museum

Ahäuser Weg 8-10
35781 Weilburg