Ab dem 9. März ist die Liebieghaus Skulpturensammlung wieder geöffnet. Nach temporären Umbaumaßnahmen innerhalb des Museums können die Besucher die hochkarätige Sammlung neu entdecken. Die Liebieghaus Skulpturensammlung widmet sich der Erforschung, Erhaltung und Präsentation von Skulpturen und lädt mit der Dauerausstellung und einem vielfältigen Programm aus Führungen und Workshops sowie Angeboten, die Forschung live erlebbar machen, in die faszinierende Welt der Skulptur ein. Jedes Kunstwerk erzählt seine eigene Geschichte und bietet eine aufregende Reise durch die Entwicklung der Bildhauerkunst vom Alten Ägypten bis zum europäischen Klassizismus.
Die Besucher dürfen sich auf Hauptwerke der rund 3000 Skulpturen umfassenden Sammlung freuen. Zu sehen ist etwa die Athena des Myron, die römische Marmorwiederholung einer berühmten griechischen Bronzefigur (um 450 v. Chr.), die sogenannte Bärbel von Ottenheim, das überaus lebendige Haupt einer Sybillenbüste des Niederländers Niclaus Gerhaert von Leyden (um 1463/64) oder die für Frankfurt gemeißelte Figurengruppe der Ariadne auf dem Panther von Johann Heinrich von Dannecker (1803–1814). Darüber hinaus sind nun wieder Kunstwerke zu bewundern, die in den vergangenen Jahren aufwendig restauriert wurden, etwa das um 1450 virtuos aus Alabaster geschnitzte Relief eines Gnadenstuhls von Hans Multscher. Es kann nun in seiner originalen Bemalung bestaunt werden. Der Künstler war einer der größten Bildhauer seiner Zeit. Wie dieser war auch Niklaus Weckmann in Ulm ansässig. Dessen lebensgroße aus Eiche gefertigte Altarfigur eines heiligen Georg (zwischen 1496 und 1499) wurde ebenfalls restauriert und wird wieder in der Dauerausstellung präsentiert. Die beliebten „Bunten Götter“ haben ebenso einen festen Platz im Museum und sind in Teilen auch weiterhin auf Reisen und in wechselnden internationalen Ausstellungen zu sehen. Ausgewählte Werke der Sammlung asiatischer Kunst sind jetzt inmitten der Dauerausstellung an verschiedenen Orten vertreten. Unter den Objekten findet sich etwa eine buddhistische Votivstele aus der Zeit der Wei-Dynastie (535–557 n. Chr.), die als Höhepunkt des frühen chinesischen Kunstschaffens gilt. Die kostbare Sammlung von Elfenbeinskulpturen des Barock und Rokoko aus dem Besitz des Mäzens Reiner Winkler (1925–2020) wird auch weiterhin präsentiert. Vor wenigen Jahren gelang dem Liebieghaus mit ihrer Erwerbung die bedeutendste Erweiterung der eigenen Bestände in der Geschichte des Museums. Mit diesem einmaligen Konvolut aus Meisterwerken wie u. a. der Furie auf sprengendem Pferd (um 1610) oder Matthias Steinls Chronos auf der Weltkugel (um 1720/25) konnte die europäische Elfenbeinkunst als zentraler Sammlungsschwerpunkt im Museum etabliert werden.
Die Erforschung und Restaurierung von Kunstwerken der Liebieghaus Skulpturensammlung erfordert oft jahrelange Arbeit und verspricht dabei zahlreiche neue Erkenntnisse. Dieser Prozess wird nicht nur in groß angelegten Sonderausstellungen, sondern auch in der Dauerausstellung sichtbar. Zwei aktuelle Forschungsprojekte laden die Besucher dazu ein, mitzuerleben, wie am Liebieghaus wissenschaftlich gearbeitet wird.
Medusas Farben. Ein Projekt der Bunten Götter
In der Dauerausstellung widmet sich eine Projektschau dem griechischen Mythos um Athena und Medusa und bietet den Besuchern die besondere Gelegenheit, die Entstehung einer Farbrekonstruktion eines Medusenhaupts nach antikem Vorbild live mitzuverfolgen. Seit über 40 Jahren erforschen Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann, Leiter der Abteilung Antike und Asien am Liebieghaus, und die Archäologin Dr. Ulrike Koch-Brinkmann die Farbigkeit der antiken griechischen und römischen Skulptur. Im Rahmen der Wanderausstellung „Bunte Götter“ begeistern die Ergebnisse ihrer Polychromieforschung weltweit ein großes Publikum. Ziel ist es, durch Farbrekonstruktionen von Marmor- und Bronzestatuen ein möglichst präzises Bild der originalen Statue zu vermitteln – immer gestützt durch naturwissenschaftliche Untersuchungen. Die Wissenschaftler bekamen jüngst die Gelegenheit, in Neapel die gut erhaltene Farbigkeit einer griechischen, spätklassischen Grabanlage, dem „Ipogeo dei Cristallini“, zu untersuchen. An der zentralen Wand einer der Grabkammern befindet sich die Darstellung eines dreidimensional gearbeiteten Haupts der Medusa – ein Gorgoneion, umgeben von einer gemalten Ägis, dem Brustpanzer der Athena. Die Farbspuren des Gorgoneions wurden mittels verschiedener naturwissenschaftlicher Untersuchungen genau bestimmt. Auf dieser Grundlage wird in den kommenden Monaten in einer eigens dafür eingerichteten Schauwerkstatt eine Farbrekonstruktion des Medusenhaupts entstehen. Hierfür werden ausschließlich originale antike Farbmaterialien verwendet. Ergänzt wird die Schauwerkstatt durch weitere Objekte aus dem Bestand des Museums, die die Geschichte um Athena und Medusa veranschaulichen.
In der griechischen Mythologie endet der Konflikt zwischen Medusa und Athena tödlich: Nach einer Demütigung verwandelt die wütende Athena die schöne Medusa in eine grauenhafte Kreatur mit Raubtierzähnen, Schlangenhaaren und heraushängender Zunge. Später hilft sie dem Helden Perseus, Medusa zu töten, und trägt fortan das Haupt der Medusa auf ihrer Brust. Im Liebieghaus erinnert das weltberühmte Götterbild, die Athena des Myron – ein Hauptwerk des Museums – an die Ermordung der Medusa. Ursprünglich in Bronze gefertigt, war sie Teil einer Figurengruppe, deren Rekonstruktion heute im Garten des Museums zu sehen ist.
Farb-Rekonstruktion live mit Archäologin Dr. Ulrike Koch-Brinkmann
Besucher können live die Arbeit an der Farbrekonstruktion eines Medusenhaupts nach antikem Vorbild verfolgen und mit der Wissenschaftlerin ins Gespräch kommen.
Termine: An jedem Mittwoch im März und jedem Donnerstag im April, jeweils von 16 bis 18 Uhr. Die Teilnahme ist im Eintrittspreis enthalten, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Mehrjähriges Forschungs- und Restaurierungsprojekt der Maria Inmaculada Concepción des berühmten spanischen Barock-Künstlers Pedro de Mena gestartet
Die Liebieghaus Skulpturensammlung hat eine bisher unbekannte Skulptur des renommierten spanischen Barock-Bildhauers Pedro de Mena (um 1628–1688) erworben. Die Maria Inmaculada Concepción (Maria Immaculata: Unbefleckte Empfängnis Marias) zeigt eine Jungfrau auf einer Mondsichel stehend. Die Erwerbung ist eine herausragende Ergänzung der Sammlung und markiert zugleich einen neuen zentralen Restaurierungs- und Forschungsschwerpunkt der Liebieghaus Skulpturensammlung. Die Skulptur befand sich seit vielen Jahrzehnten unentdeckt und unerkannt in einer deutschen Privatsammlung. Im Laufe der Jahrhunderte wurden zahlreiche Veränderungen vorgenommen. Bei den ersten kunsttechnologischen Untersuchungen des deutsch-spanischen Restauratorenteams um Harald Theiss und Miguel González de Quevedo Ibáñez am Liebieghaus wurde bereits deutlich: Unter den späteren Übermalungen der Skulptur ist die qualitätvolle Originalmalerei Pedro de Menas weitgehend erhalten geblieben. In einem von der Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Restaurierungsprojekt werden die originale Farbfassung der Frankfurter Pedro-de- Mena-Skulptur in den nächsten Jahren freigelegt sowie Fehlstellen in Form und Farbe ergänzt. Die Abnahme der Übermalungen gehört dabei zu den aufwändigsten Arbeitsschritten der Restaurierung.
Schaumainkai 71
60596 Frankfurt am Main