Alle Dinge haben eine eigene Geschichte. Sie werden aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt – aufwändig mit der Hand oder schnell und maschinell. Sie werden benutzt, verschenkt, verkauft und versteigert, geliebt und aufgehoben, gesammelt und ausgestellt, sie verschwinden und werden wiedergefunden, sie werden gestohlen und manchmal zurückgegeben. Sie reisen um die Welt oder liegen jahrelang in Schubladen und Depots. Sie gehen kaputt, werden repariert, restauriert, weggeworfen und recycelt oder lösen sich vollständig in ihre Bestandteile auf. Dinge haben – mit anderen Worten – ein Leben. Die Geschichte dieser Leben zu kennen, ist relevant für Institutionen, die Dinge besitzen wie Museen, aber auch für den Handel, der zunehmend auf zyklischen, nachhaltigen Verbrauch setzt.

Das Konzept der Objektbiografie ermöglicht es, Information zu unterschiedlichen Stationen im Leben eines Dings zu einer einheitlichen Erzählung zusammenzufügen. Dabei werden vor allem auch die Leerstellen in einer Biografie deutlich, also das, was nicht über den Verbleib, die Herstellung, die Eigentumsverhältnisse eines Objekts bekannt ist. Aus diesem Grund wird die Objektbiografie heute vielfältig angewendet, wenn es um Fragen der Provenienz, der Restitution oder der Restaurierung geht. Die entsprechenden Fachdisziplinen – Museums-, Kunst- und Konservierungswissenschaften – verhandeln sie als Theorie und Methode.

Als Konzept hat die Objektbiografie eine erstaunlich lange Geschichte. Durch den Anthropologen Igor Kopytoff erstmals 1986 in die Wissenschaft eingeführt, war sie bereits 1929 vom russischen Schriftsteller Sergej Tretjakow ‚erfunden’ worden. Dieser fordert in seinem kurzen Essay „Die Biographie des Dings“ ein Ende des klassischen Heldenromans und stellt stattdessen über das Schreiben von Objektbiografien eine gleichwertige Mensch-Ding-Beziehung in Aussicht. Über die Erzählung der Biografie eines Dings kämen die Menschen (zwangsläufig) in die Geschichte. “Bücher” so endet Tretjakow “wie Holz, Getreide, Kohle, Eisen, Flachs, Baumwolle, Papier, Lokomotive […] sind noch nicht geschrieben.”

Die Ausstellung „The Story Of My Life“ stellt die Objektbiografie als Konzept, Methode und Genre vor und hinterfragt sie zugleich. In vier Kapiteln und anhand zahlreicher Objektbiografien zeigt die Schau, wann die Objektbiografie entsteht, warum in welchen Kontexten sie angewendet und warum sie kritisiert wird und doch so erfolgreich ist. So entsteht eine abwechslungsreiche und kritische „Story“ der Objektbiografie.

Die Eröffnung findet am 18.01.2023 um 19 Uhr statt. 

Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Foto: Armin Herrmann.
19.01. - 01.09.2023

THE STORY OF MY LIFE. DIE OBJEKTBIOGRAFIE ALS KONZEPT, METHODE UND GENRE

Werkbundarchiv – Museum der Dinge

Oranienstraße 25
10999 Berlin