Piña, Why is the Sky Blue? ist die techno-feministische Vision einer Zukunft, in der überliefertes Wissen und neue Technologien zusammengeführt werden. Im Zentrum der Ausstellung steht die gleichnamige Video- / Virtual-Reality-Installation (2021), die die Geschichte eines spirituellen Mediums namens Piña in Form einer spekulativen Dokumentation erzählt. Als eine Art künstliche Intelligenz besitzt Piña die Fähigkeit, angestammtes Wissen sowie Botschaften und Träume von Menschen aus der ganzen Welt zu empfangen, um sie für die Zukunft zu sichern. Die neu angekaufte Installation ist Teil der ersten institutionellen Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstler*innen Stephanie Comilang und Simon Speiser in Deutschland.

Das Videomaterial wurde auf den Philippinen und in Ecuador an Orten gefilmt, die mit den Familiengeschichten der Künstler*innen eng verbunden sind. Zu sehen sind Interviews mit Aktivist*innen und Heiler*innen lokaler Organisationen wie dem indigenen feministischen Kollektiv Cyber-Amazonas in Puyo oder der Las Martinas de Piedras Negras in Quito, beide in Ecuador, sowie mit einer Schamanin, einer sogenannten Babaylan, aus der Provinz Palawan auf den Philippinen. Diese Sequenzen werden durch Aufnahmen von Agrarlandschaften, verlassenen Gebäuden inmitten üppiger Wälder, und der Darstellung ritueller Handlungen der Gesprächspartnerinnen unterbrochen. Der inhaltliche Fokus auf matriarchalische Strukturen und deren Überlieferung zeigt, wie vorkoloniale Lebensweisen trotz andauernder gewaltsamer Unterdrückung bis in die heutige Zeit überlebt haben.

In der Videoarbeit bleibt Piña unsichtbar. Lediglich die Stimme evoziert während wiederkehrender Drohnenaufnahmen eine körperlose Präsenz: „Ich bin für euch da. Aus euch allen zusammengesetzt. Aus der Welt hervorgegangen, die ihr verloren habt. Als alles vernichtet wurde und alles in Flammen aufging. Irgendwie gelang es mir zu überleben. Und nun habt ihr mich gefunden.“ In der VR-Komponente der Installation begegnet uns das Medium hingegen in menschlicher Gestalt. Als Betrachter*innen folgen wir Piña zunächst bei der Verrichtung alltäglicher Aufgaben, bevor wir in ihre Traumwelt eintreten, bestehend aus den Daten, die dem Medium übermittelt wurden.

Neben der Installation sind in der Ausstellung Textilcollagen aus gewebten Ananasfasern zu sehen, die aus einer Vielzahl von Stoffquadraten per Hand zusammengenäht wurden. Als eine der ersten Waren aus der sogenannten Neuen Welt wurde die Ananas (piña) von den spanischen Kolonialisten auf den Philippinen eingeführt, wo sie für den europäischen Luxusmarkt angebaut und vor Ort als Nahrungsmittel und Faser verwendet wurde. Die einzelnen Quadrate sind mittels eines 3-D-Druckers entweder mit traditionellen ecuadorianischen und philippinischen Mustern oder mit Neuentwürfen bedruckt, die von den Künstler*innen sowie einem selbstlernenden Algorithmus generiert wurden. Es entsteht ein Amalgam verschiedener Muster, Verfahren und Traditionen, wodurch das Material zu einem Informationsträger wird, der die physische mit der virtuellen Welt, die Vergangenheit mit der Gegenwart, verbindet.

Anlässlich der Ausstellung erscheint eine Publikation, die u. a. ein Gespräch zwischen den Künstler*innen und der Kuratorin Lisa Long sowie einen Essay von der in London lebenden Autorin Alex Quicho enthält.

Stephanie Comilang ist Künstlerin und lebt in Toronto und Berlin. Ihre dokumentarischen Arbeiten schaffen Erzählungen, die sich damit auseinandersetzen, wie unser Verständnis von Mobilität, Kapital und Arbeit auf globaler Ebene von unterschiedlichen kulturellen und sozialen Faktoren geprägt wird. Ihre Arbeiten wurden u.a. auf der Transmediale Berlin, Ghost:2561 Bangkok Video & Performance Triennale, Hamburger Bahnhof, Tai Kwun Hong Kong, International Film Festival Rotterdam und Asia Art Archive in America, New York, gezeigt. 2019 wurde sie mit dem Sobey Art Award ausgezeichnet, Kanadas prestigeträchtigstem Kunstpreis für Künstler bis 40 Jahre.

Simon Speiser ist ein Künstler, der fiktive Konzepte entwirft, die Natur und Technologie miteinander verbinden. Indem er eine Vielzahl von Medien und Disziplinen miteinander in Beziehung setzt – vom Schreiben über die Bildhauerei und den Druck bis hin zu Video- und VR-Installationen – erweitert Speiser in seinen Arbeiten die Möglichkeiten zwischen Kunst und Science-Fiction. Er hat u.a. im Frankfurter Kunstverein, MMK Frankfurt, CAC Quito, Oracle Berlin, Croy Nielsen, MMCA Seoul und Robert Grunenberg Berlin ausgestellt.


Öffnungszeiten:
Samstag - Sonntag: 12:00 - 18:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: jsc.art

Stephanie Comilang & Simon Speiser, Piña, Why is the Sky Blue?, 2021, Video-/Virtually-Reality-Installation, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artists.
28.04. - 04.12.2022

Stephanie Comilang & Simon Speiser: Piña, Why is the Sky Blue?

Julia Stoschek Collection

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