Did Habit leave? ist eine Doppelausstellung von Cecilia Bjartmar Hylta und Samuel Hindolo, die auf einer gemeinsamen Untersuchung zu den Grenzen des Sehens basiert. Die Praxis beider involviert eine Auseinandersetzung mit gefundenen Materialien – was auch als ein Sieben und Durchforsten von Überbleibseln des öffentlichen Lebens beschrieben werden könnte. Beide verbindet eine ähnliche künstlerische Sensibilität und Neugier für das, was in einem vertrauten Objekt oder Bild normalerweise verborgen, schwelend oder latent bleibt, und für die Möglichkeit, dessen übliche Bedeutung subtil zu verschieben und in die Abstraktion zu überführen. Abstraktion zeigt sich hier in Momenten des Werdens und als eine Entwicklung, und weniger als gesichertes Wissen oder ein fixierter Zustand. Fast macht es den Anschein, als ob die Welt – und mit ihr die verinnerlichte, oft unbewusste Weise, sie wahrzunehmen und in ihr zu leben – auf Distanz gehalten würde, damit wir sie neu in den Blick nehmen und überdenken können.
Im physischen Sinn wird die Ausstellung von zwei großformatigen, begehbaren Plattformen von Bjartmar Hylta strukturiert, von denen die eine das äußere Foyer des Kunstvereins mit dem inneren Ausstellungsraum verbindet. Obwohl sie zunächst wie positive, monolithische Volumen erscheinen, die die Bewegungen in der Ausstellung choreografieren, wird in diesen Arbeiten auch eine Vielzahl an negativen Formen oder Hohlräumen erkennbar, die den Blick in eine unergründliche Leere lenken. Die Löcher sind die Innenräume weiterer Positivformen, die auf den Kopf gestellt und umgekehrt installiert wurden, während sie zuvor in unterschiedlichen Städten als Poller dienten, um die Fortbewegung zu begrenzen oder zu verhindern. Diese Invertierung enthüllt ein bisher verborgenes Innenleben, in dem all das sichtbar wird, was sich dort in der Abwesenheit eines äußeren Blicks abgesetzt und niedergelassen hat. Als eine Andeutung von räumlichen Peripherien und Rissen haben diese Werke eine besondere Latenz und unkörperliche Präsenz. Sie handeln von einem Archiv des urbanen Raumes – allerdings einem, das sich dem Blick weitgehend entzieht und für uns somit unverständlich bleibt.
Im erweiterten Sinn befasst sich die Ausstellung auch mit Form und Formlosigkeit und widmet sich der Frage, wie eine Kontur entweder auf Leere und einen „Negativzustand“ hinweisen kann oder aber eine Präsenz oder etwas Kommendes andeutet. Diesen Gedanken untersucht Hindolo in seinen Malereien und Collagen: Zwar treten in manchen seiner Arbeiten Figuren in Erscheinung, doch werden sie Teil eines abstrakten, entleerten und seltsam entkörperlichten Kreislaufs. Als wären ihre Gesten und Worte nur schwach und aus weiter Ferne wahrnehmbar, verweigern sie sich einer direkten Lesbarkeit. Manche der Figuren haben den Betrachtenden den Rücken zugekehrt und sind scheinbar in ihre eigene abgeschottete Welt vertieft. Auch hier erzeugt die Art und Weise, wie die Arbeiten mit Raum umgehen und Raum inszenieren, nicht selten ein Gefühl der Losgelöstheit und Ausdehnung: Zuweilen weitet sich der Bildraum zu einem klaffenden, schier grenzenlosen visuellen Feld, das voller Potentialität erscheint, während sich ein anderes Mal Formen wiederholen und in verschiedenen Farbschichten erneut zutage treten und so die eigene Präsenz nachhallen lassen und beschatten. Die Malerei ist oft als Fenster beschrieben worden, durch das wir in unbekannte Welten spähen können, doch stellt sich dieses Versprechen hier mitunter auch als eine Sackgasse heraus – wir haben es hier vielmehr mit einem Blick zu tun, der sich in seiner eigenen Spiegelung verliert und aufbraucht. Was in diesen Werken spürbar wird, ist ein Zustand der Ungewissheit; sie sind von einem Gefühl der latenten Präsenz durchdrungen, von Konturen geprägt, die zwar vorhanden, jedoch nie ganz fassbar sind.
Insgesamt betrachtet setzt sich Did Habit leave? weniger mit dem auseinander, was wir sehen, sondern beschäftigt sich vielmehr mit dem wie. Es geht um die Art und Weise, wie es unserem Blick überlassen bleibt, umherzuschweifen oder zu verweilen. Das Sehen ist hier eine Auseinandersetzung mit dem, was sich als Form präsentiert, aber auch mit ihrem Gegenstück (einer Abwesenheit) – das macht die besondere Sichtweise dieser Ausstellung aus.
Als Teil des Begleitprogramms findet am Mittwoch, 3. Dezember 2025, ein Künstler:innengespräch mit Cecilia Bjartmar Hylta, Samuel Hindolo und Eleanor Ivory Weber statt. Weber ist eine in Brüssel lebende Künstlerin und Autorin. Weitere Informationen zur Veranstaltung folgen in Kürze.
Kuratiert von Kathrin Bentele
Grabbeplatz 4
40213 Düsseldorf