Die Ausstellung „Space Shift Stories“ oder „Raumverschiebungsgeschichten“ möchte dem Besucher die intensive Zusammenarbeit und den bedeutungsvollen künstlerischen Austausch der drei Künstlerinnen Friedrich, Schwab, Jure nahebringen. 

Das Projekt hat zum Ziel, Netzwerk-Möglichkeiten und den Weg zu weiteren gemeinsamen Vorhaben zu bahnen. Die gemachten Erfahrungen helfen dabei, solche Verbindungen zu schmieden.

Es gibt etwas, was Argentinien und Deutschland zusammenbringt, und das ist die starke Verpflichtung, unsere jeweilige Vergangenheit nicht zu vergessen und dafür Sorge zu tragen, dass die früher begangenen Gräueltaten in kollektiver Erinnerung bleiben. Die Anerkennung dieser Menschenrechtsverletzungen und deren Verfolgung durch die Justiz wurden zu Wahrzeichen der nationalen Identität beider Völker und internationale Paradebeispiele dafür, wie sich Übergangsmechanismen auf der Ebene der Justiz entwickeln lassen, um die Verantwortlichen für geschehene Gräueltaten anklagen zu können. Es ließe sich der größte gemeinsame Nenner bei argentinischen und deutschen Bezügen zur Erinnerungskultur in der Bedeutung von Aufklärung und Aufrufen öffentlichen Bewusstseins für diese Geschehnisse erkennen. Dies spiegelt sich wider im Gedenken an Holocaust-Opfer in Deutschland und an die Opfer der letzten argentinischen Militärdiktatur mit Gedenkstätten, Museen und Bildungsinitiativen.

In der Gesamtschau wurde von künstlerischer Seite — sowohl in Argentinien als auch in Deutschland — eine Vielzahl von Mitteln in die Hand genommen, um die verschiedenen Aspekte bezüglich der Erinnerung an all die Verletzungen, an Vertreibung, an Gewalt und Willkür, an Vergeltungsmaßnahmen und Gerechtigkeit zu erkunden.

Weder Friedrich noch Schwab oder Jure sprechen jene historischen Ereignisse in ihren Arbeiten direkt an, doch gründen die Werke stark auf persönlichen Geschichten von Exil und Migration, beeinflusst von Bevölkerungsumschichtungen, die jene Ereignisse mit sich brachten.

Jedoch lässt sich etwas Universelles in der Betrachtungsweise der Künstlerinnen feststellen: das Bedürfnis nämlich, kollektive und persönliche Erinnerungen wieder hervorzuholen und zu beschreiben;

Familienbilder, Fotoalben, verknüpft mit der Frage, wie objektiv und fiktional Erinnerung eigentlich ist. Das Bedürfnis der Künstlerinnen, dieses generationsübergreifende emotionale Erbe neu zu bewerten, geht auf traumatische Erfahrungen erzwungenen Neubeginns zurück, auf das Gefühl, nirgendwohin zu gehören, auf das unterschwellige Bewusstsein von Gefahr, darauf, dass im Notfall mit sofortiger Flucht zu reagieren ist.

Das Universelle dieser Erfahrungen kommt nicht nur bei den behandelten Themen zum Ausdruck, sondern es lässt sich auch daran erkennen, dass in den gezeigten Werken solche Inhalte aufgegriffen werden, die in den Träumen und Erinnerungen aller Menschen schlummern könnten; ja, es mag sich sogar um fremde Träume und Erinnerungen handeln, derer sich die Künstlerinnen bedient haben, um ihre Botschaft auszudrücken. Bei Jures „Huguitos“, Friedrichs „Das dritte Zeitzeichen“ und Schwabs „La reconnaissance“ sind die verschiedenartigsten anthropomorphen Formen dargestellt. Jedermann, alles könnte damit gemeint sein. Da wird ein Zeit-Momentum mit dem Versuch festgehalten, menschliche Erfahrung zu übermitteln und dabei die Grenzen kultureller, sprachlicher, geographischer Art zu überschreiten, um komplexe Gedanken und Emotionen weiterzugeben über Zeit und Raum hinaus.

Die gezeigten Arbeiten bieten ein breites Spektrum — über Gemälde, Skulpturen, Installationen, Performances werden die Besucher angesprochen.  Eine solche Annäherung mit ihren vielen Facetten kann zu Entdeckungen bezüglich der Begriffe Raum, Ort, Neubeginn, der Erfahrung plötzlicher Vertreibung und Heimatlosigkeit hinführen.

Überlegungen über den Spannungsbogen zwischen unendlichem Kosmos und dem eigenen engen Raum werden auf ein Minimum gebracht.

Gemeinsam erschaffen die Exponate von Jure, Friedrich und Schwab ein einzigartiges Narrativ und können die Betrachtenden dazu bringen, über eigene Erfahrungen von Wechsel und Wandlung nachzudenken. Die Arbeiten fangen die flüchtigen Momente von Wachstum ein, spiegeln die Unbeständigkeit und Zerbrechlichkeit erschaffener Umgebung wider und fordern die Begrenzungen von Raum heraus, indem sie den Eindruck von Bewegung vermitteln. Space Shift Stories überschreiten Grenzen, da werden die Ansichten dreier idealistischer Künstlerinnen aus verschiedenen Ecken der Welt durch gemeinsames Erkunden neuen und improvisierten Raums vereint.

Sinn und Zweck des Projekts ist es nämlich, die Wahrnehmung von Raum und dem eigenen Raum zu erkunden, die Erfahrung neuer Strukturen und veränderter Wohn- und Lebensbereiche machen zu können. Der jeweilige Hintergrund der Künstlerinnen weist unterschiedliche kulturelle und politische Aspekte auf, und so sind sie bemüht, ihre Erfahrungshorizonte zu erweitern. Sie haben in Gesprächen und Gedankenaustausch eine gemeinsame Basis geschaffen, die später auch anderen Künstlern Zugang und die Möglichkeit bieten soll, zu diesem komplexen Themenkreis ihren input beizusteuern.

Mit bestimmten Herangehensweisen befassen sich die Künstlerinnen mit der Erforschung von „Space Shifting“ indem sie sich  dabei auf die Idee von Transformation und Wechsel  physischer und metaphysischer Aspekte vom Begriff „Raum“ einlassen.

Die Ausstellung nimmt den Gast mit auf eine nachdenkliche Entdeckungsreise,wobei er dazu eingeladen wird, seinen Bezug zu Umwelt und seiner Umgebung zu hinterfragen.

Dieses Projekt ermöglicht es nicht nur den Künstlerinnen, ihre individuelle Sichtweise aufzuzeigen, sondern bedeutet auch eine Einladung, miteinander in Verbindung zu treten und und neue Beziehungen zu knüpfen, die über die gegenwärtige Ausstellung hinausreichen.   

Space Shift Stories kann die Besucher dazu ermutigen, mit der Pflege eines offenen und inklusiven Gedankenaustauschs einen Beitrag zu leisten zu einer besser miteinander verbundenen Welt mit mehr Mitgefühl, durch den Aufbau bedeutsamer Verbindungen und Perspektiven, sowohl in- als auch außerhalb der Welt der Kunst.

Carolina Alvariño, Museo de Arte Moderno de Buenos Aires, april 2023
Übersetzung: Ingrid Schwab

Finissage: 
Sonntag, 4.6.23 um 14:00 Uhr


Öffnungszeiten:
Mittwoch - Donnerstag: 18:00 - 20:00  
Freitag - Sonntag: 14 00 - 18:00 Uhr
Montag - Dienstag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: ausstellungshalle.info

15.05.2023

Isabel Friedrich, Celina Jure, Eva Schwab: Raum_Verschiebungs_Geschichten

Ausstellungshalle 1 a

Schulstraße 1 a
60594 Frankfurt am Main