Teilnehmende Künstler:innen: María Alcaide, Noa und Lara Castro, Fito Conesa, Regina de Miguel, El Palomar, Antoni Hervàs, Momu & No Es, Andrea Muniáin, Paloma Polo, Juan Pérez Agirregoikoa, Putochinomaricón, Petrit Halilaj und Álvaro Urbano Kuratiert von Rosa Ferré und Ana Ara

Der Frankfurter Kunstverein öffnet vom 14. Oktober 2022 bis zum 29. Januar 2023 seine Türen für das Ehrengastland Spanien im Rahmen des Kulturprogramms zur Frankfurter Buchmesse 2022.

Die von Rosa Ferré und Ana Ara kuratierte Ausstellung Wie geht es jetzt weiter? umfasst zwölf Werke, zwölf visuelle Erzählungen spanischer Künstler:innen, die sich mit der überlieferten Geschichte(n) befassen, die uns aus vergangenen Zeiten bis in die heutige ungewisse Gegenwart begleitet und bestimmt.

In diesem dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts finden so grundlegende Veränderungen und mit solcher Geschwindigkeit statt, dass wir diese kaum verarbeiten können. Uns ist bewusst, dass eine Kartierung der Gegenwart sich zwangsläufig mit der ökologischen und ressourcenbezogenen Krise auseinandersetzen muss, die vor dem Hintergrund aller anderen Krisen, einschließlich des Krieges, eine zentrale Rolle spielt und die das Handeln der globalen Gesellschaften in entscheidender Weise bestimmt. Die Politik erweist sich als unfähig, mit einer Realität umzugehen, die zu komplex und vernetzt ist und von finanziellen Automatismen beherrscht wird. Nach einer globalen Pandemie, inmitten eines Europas mit schwindender Bedeutung, befinden wir uns in einem historischen Moment, in dem wir uns damit abfinden, dass die Welt, so wie wir sie kannten, nicht mehr existiert. Wo sind die technologische Utopie und die emanzipatorischen Möglichkeiten des Internets geblieben? Wir sind noch weit davon entfernt, uns die Zukunft vorstellen zu können und versuchen geeignete Ansätze zu finden, um uns zu verorten. Denn die aktuelle Krise ist nicht nur eine Umweltkrise, sondern auch eine Krise der Weltbilder, der Beziehungen, eine Krise der Sprache, des Bewusstseins, eine Krise der Erzählung.

Kunst bietet das Potenzial unsere Gegenwart wiederzu(er)finden. Die Ausstellung wird eine Reise durch das Werk unterschiedlicher Künstler:innen zeichnen. In ihren Erzählstrukturen hallen tradierte Geschichte und Mythen nach. Sie haben Spuren in ihrer visuellen Sprache hinterlassen. Sie erzählen Geschichten, welche die kulturellen und sozialen Konstruktionen, Ideologien vielleicht, in Frage stellen.

Wie geht es jetzt weiter? wurde ermöglicht durch die Unterstützung von Acción Cultural Española (AC/E) im Rahmen des Ehrengastauftrittes Spaniens auf der Frankfurter Buchmesse 2022.

AUSSTELLUNGSPARCOURS
Die Geschichten werden im Raum wie in einer Anthologie von Geschichten gelesen, in zwölf Kapiteln, von eins bis zwölf. Jede Geschichte hat eine unabhängige Einheit, sie öffnet und schließt sich, aber in der aufeinanderfolgenden Lesung im Raum treten die Geschichten miteinander in Dialog und bilden ein einziges Buch.

1. Eine moralische Erzählung
Die architektonische Intervention Calvary Chapel des Künstlerinnenduos Momu & No Es (Lucía Moreno, *1982, Basel, CH & Eva Noguera, *1979, Barcelona, ES) zieht sich über das vertikale Fenster im Treppenhaus des Frankfurter Kunstvereins und begleitet den Auf- und Abstieg der Besucher:innen bei ihrer Prozession durch die Ausstellung. Ein Glasfenster mit der Darstellung der Sünden unserer Zeit, die neuen Götzen Leben einhauchen, mit Bildern des Begehrens, die auf Erfolgsversprechen und Hedonismus beruhen und Frustration und Depression erzeugen. Das Bizarre, das Außergewöhnliche, die Bilder des Hyperkonkreten, des Virtuellen, des Mythischen, des Kosmischen - alles ist Realität und alles gewinnt an Bedeutung in diesem absurden und kreischenden Remix, der unsere globalisierte, hypererregte und konsumfreudige Gegenwart widerspiegelt. 

2. Eine Beschwörung der Apokalypse
Der Film Helicon von Fito Conesa (*1980, Cartagena, ES) skizziert ein apokalyptisches Szenario unserer Gegenwart. Eine Blaskapelle spielt eine Melodie vor einem verschmutzten künstlichen See und versucht vergeblich, die Erde zu einer Reaktion zu bewegen und damit ein für alle Mal das Ende der Welt einzuleiten. Die Melodie wird wiederholt gespielt, wie ein unerhörtes Gebet. In der Erwartung des Unglücks liegt Spannung. Die Instrumente beschwören eine apokalypsis herauf, das ursprüngliche griechische Wort für Enthüllung, Offenbarung. Die Musiker:innen provozieren die Natur, um sie in einer verzweifelten Geste herauszufordern, ein Kampf gegen einen Phantomfeind.

3. Eine Geschichte, die aus der Asche gerettet wurde
Welches sind die Geschichten, die die Kultur einer Stadt ausmachen, wer erzählt sie, wer sind die Protagonist:innen? In Under the firelight, the ash shines like glitter (2022) verteidigt und feiert Antoni Hervás (*1981, Barcelona, ES) mit Hilfe von Pappmaché-Szenografien und Karton-Transformationen die Geschichte des Varietés in den Theatern und auf den Volksbühnen des freigeistigen und freizügigen Barcelona der Avenida de el Paralelo. Er nimmt den ikonographischen fächerförmigen Giebel des sagenumwobenen Theaters, El Arnau, als Ausgangspunkt, um die Geschichten, die Stimmen und die dramatische Lebensintensität der Akteur:innen zu würdigen: „Die Schaffung einer mutierten Skulptur aus Materialien, die alles Erhabene ablehnen und erkennbare Narben und Gegensätze feiern. Die Formen des Fächers, des Sterns, des Rocks und der Beine fließen ineinander über. Die Installation bestimmt den Raum durch einen lauten Auftritt und den Habitus eines Stars. Treten Sie näher und schauen Sie selbst! Keiner weiß genau was geschehen kann, denn dies ist das Kabarett.“ Kabarett, die schamlose Party als Raum der Freiheit.

4. Autofiktion: eine musikalische Erzählung über einen Basar im Jahr 3000.
Das audiovisuelle Werk áfóñg stellt die Frage nach Repräsentation und Sichtbarkeit, mit der die Künstlerin Chenta Tsai alias Putochinomaricón (*1990, Taipei, TW), eine in Spanien aufgewachsene People of Color aus der taiwanesischen Diaspora, als Dissidentin sich konfrontiert sieht. áfóñg stellt die Frage nach der Möglichkeit, Plattformen für ost- und südostasiatische geschlechtliche und sexuelle Dissident:innen zu schaffen, Räume, die uns vollständig einschließen, ohne dass wir Teile unserer Identitäten fragmentieren, vereinfachen oder verstecken müssen, um in die vorherrschenden übermächtigen sozialen Räume zu passen. Utopische Zukünfte, in denen unsere Körper weit entfernt sind von Tokenisierung, Instrumentalisierung und Fetischisierung, und in denen spekulative Räume der gemeinschaftlichen Heilung durch Pop als Werkzeug des Widerstands und der politischen Kritik entstehen.

5. Chroniken des Selbst. Eine Familiengeschichte (im doppelten Sinne)
Carne de mi carne (Das Fleisch meines Fleisches) ist eine Ich-Erzählung über die Erfahrungen von María Alcaide (*1992, Aracena, ES) als weiblicher und feministischer Körper in ihrem besonderen familiären und kulturellen Umfeld: Ihre Eltern sind Metzger in einem kleinen Dorf wenige Kilometer von Jabugo (Huelva) entfernt, bekannt als Wiege des iberischen Schweins und des besten Schinkens.
In der Videoinstallation Piel hinterfragt die Künstlerin Zuweisungen von Identität und Identitäten, um Rollen und Positionen in Bezug auf geschlechts- und genderspezifische Ungleichheiten und den Determinismus von Genetik und Herkunft zu hinterfragen. Sie untersucht Repräsentationsräume von Frauen und was es heute bedeutet, manuelle Arbeit zu verrichten und entzaubert einige romantische Vorstellungen über das Leben auf dem Land anhand ihrer Erfahrungen, die sie mit ihrem eigenen Leib gemacht hat.
Die Haut als Speicher von Genetik, Erfahrungen, Wünschen und als Oberfläche des Widerstands gegen die Aggressionen einer heteropatriarchalen Gesellschaft.

6. Ein hyperrealistischer Bericht
Die Künstlerin, Architektin und Forscherin Andrea Muniáin (*1994, Tudela, ES) konzentriert sich in ihren jüngsten Arbeiten auf die Entwicklung von Prototypen oder Körperlandschaften, die sie als „Bodyscapes“ bezeichnet, in denen sie durch praktikable Szenografien, die das Publikum einbeziehen, szenische Geschichten schafft, die die Räume des Physischen und des Virtuellen miteinander verweben. Ihre Installationen offenbaren die Auswirkungen der Anwendungen neuer digitaler Technologien auf das Subjekt, den Körper, den Raum und die Identität in der ständigen und wechselseitigen Beziehung zwischen der Realität der Bildschirme und der Welt.
DILSS. Digital Intercontinental Large Supermarkets ist der Prototyp eines Supermarkts, in dem Bilder echter Menschen zum Verkauf stehen: Gesichter, Körper, Fragmente von Körpern. Man findet Waren im Angebot, eine Auswahl an meistverkauften Körpern, die Mitarbeiter:innen des Monats, wie in jedem beliebigen Warenhaus. Was wie eine Szene aus einem dystopischen Roman oder einem ScienceFiction-Film anmuten mag - ein Body Store - ist nichts anderes als die physische Umsetzung einer Online-Realität: ein digitaler Shop, 3dScanStore, bei dem man 3D-gescannte Körpermodelle kaufen kann, photogrammetrische Abbilder von realen Menschen, die beschlossen haben, ihren digitalen Körper zu verkaufen. Körper, die, indem sie zu herunterladbaren Modellen werden, sowohl ihre individuellen Bewegungsmuster als auch ihre digitale Handlungsfähigkeit (agency) übertragen. 

7. Umgeschriebene Erinnerungen an eine kranke Gesellschaft
Die Videoinstallation Schreber is a Woman des Künstlerinnenduos El Palomar (Mariokissme, Mario Páez, *1980, Campillos, Málaga, ES & R. Marcos Mota, Rafa Marcos, *1988, Tarragona, ES) basiert auf der klinischen Fallstudie und den Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken (1903) von Daniel Paul Schreber, einer deutschen Richterin, die 1894, kurz nach ihrer Ernennung zur Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, in die Anstalt Sonnenstein in Sachsen eingewiesen wurde. Sie selbst berichtet, dass sie sich wie eine Frau gefühlt habe, neben anderen Erfahrungen, die vom klinischen Apparat als Wahnvorstellungen verstanden wurden. Die Videoinstallation ist sowohl erzählerisch als auch musikalisch eine Art „Techno-Operette“, in der die Künstlerinnen die von Schreber in ihren Memoiren beschriebenen Visionen und Stimmen aus transfeministischen und queeren Perspektiven neu interpretieren. In dem Stück wird Schreber von einer nicht-binären Person gespielt, und die Göttinnen, auf die sie sich in ihren Schriften bezieht, werden von zwei Transfrauen dargestellt. In dem Film wollten die Künstlerinnen „die Schuldgefühle und die moralische Verurteilung, die Schreber selbst ihrerzeit in ihren Memoiren beschrieb, aufheben, die Figur sexuell von den aktuellen queeren Ansprüchen befreien und ihr - zumindest in der Fiktion - einen Raum der Freude eröffnen.“
Das Stück ist eine Aufforderung, die Figur des Vaters als Repräsentant einer patriarchalen Moral und des Kapitalismus symbolisch zu töten. Die Künstlerinnen vertreten mit ihrer Arbeit auch eine kritische Haltung gegenüber der Psychoanalyse, die Homosexualität und Transsexualität als Problem identifiziert, das auf Trauma zurückzuführen sei. 

8. Eine Geschichte für die Revolution
Paloma Polo (*1983, Madrid, ES) ist eine profunde Kennerin der Philippinen, einer ehemaligen spanischen Kolonie. Sie reflektiert über die problematischen Verbindungen, die entstehen, wenn die Kunst in den Räumen der Revolution in den Dienst der Politik gestellt wird. Die Künstlerin setzte sich persönlich mit der Realität eines Landes auseinander, das von der Konfrontation zwischen der Regierung und der Neuen Volksarmee (NPA) geprägt ist, die für Emanzipation, soziale Gerechtigkeit und die Umsetzung neuer soziopolitischer, kultureller und landespolitischer Modelle kämpft. Aus diesem Anliegen heraus entstand der Film What is thought in the thought of people, eine Hybridgeschichte aus Fiktion und Dokumentarfilm über die Geschichte der indigenen Gemeinschaften des Landes. Der Film greift zwei Stränge auf, die angesichts der unterschiedlichen Sprachen unerwartet fliessend und natürlich ineinander übergehen: einerseits die von Polo mit Nüchternheit gefilmten Landschaften und andererseits die animierten Illustrationen von Leonilo Doloricon (*1957 † 2021, Surigao del Sur, PH). Das Werk ist eine Zusammenarbeit zwischen zwei Künstler:innen, die eine Erzählung des Widerstands und des Respekts und somit ein revolutionäres Narrativ schaffen wollen.

9. Fabeln ohne Moral
Der Titel dieser Serie von Zeichnungen zitiert bewusst den Künstler Carl Andre: „Art is what we do. Culture is what is done to us” (Kunst ist das, was wir tun. Kultur ist das, was man uns antut). Für Juan Pérez Agirregoikoa (*1963, Donostia-San Sebastián, ES) ist Kultur eine uns auferlegte Strafe, ein Wertesystem, das unsere Sichtweise der Welt prägt und uns in der Übertragung von Bedeutung gefangen hält, in einer Konditionierung auf Unterwerfung. In seinen Werken hinterfragt der Künstler gleichzeitig spezifische und gemeinsame Traditionen der Kultur, die die Grundlage unserer westlichen Gesellschaften ausmachen: Werte, Ideen, Bräuche, Institutionen, ideologische Überbauten wie Heimat und Patriarchat, unersättlichen Kapitalismus, Familie, romantischen Idealismus, die katholische Religion.
Ein Stammbaum aus Augen, die sich gegenseitig misstrauisch und wachsam beobachten. Die Ratten des Kapitals versammeln sich in einem endlosen Tanz, ihre Schwänze bilden Dollarzeichen. Eine andere Ratte intoniert mit erhobener rechter Faust das Cara al sol (Gesicht zur Sonne), die Hymne der faschistischen Bewegung der Falange Española de las JONS, die diese Serie zusammen mit vielen anderen Bildern des Ambivalenten, des Ironischen, des Grotesken, des Bedrohlichen, des Schändlichen, der Desillusionierung bildet. Diese visuellen Aphorismen beinhalten jeweils Titel und Text, die einen Kontrapunkt setzen, die ein vertrautes Bild verwandeln, welches an eine Märchenillustration, an eine Fabel erinnert.

10. Geträumte Erinnerungen
Noa und Lara Castro (*1998, Ferrol, ES) arbeiten als künstlerisches Duo und schaffen Filme, die Geschichten erzählen, die Elemente von Fabeln, Erinnerungen, Landschaften und Träumen beinhalten. Sie tauchen in das Unterbewusstsein und Gedächtnis ihrer Heimat ein, um alles, was dort von Aussterben bedroht ist, zu schützen, und fragwürdige Entwicklungen kritisch zu beleuchten.
Ihre Werke sind immer in Galicien und insbesondere an der zerklüfteten Costa da Morte (Todesküste) im Nordwesten der Region verortet und ihre Protagonist:innen sind den Künstler:innen nahestehende Personen, Verwandte, Freund:innen oder Bekannte: Figuren, deren Handlungen zweideutig sind und die immer sie selbst und jemand anderes sind. Ihre Arbeitsweise ist geprägt von der persönlichen Liebe zum Sujet und der sorgfältigen Umsetzung und ist mit ihrem täglichen Leben verflochten. Sie bauen Verbindungen zwischen den Betrachter:innen und der Region, in der sie aufgewachsen sind, umgeben von einem gefährlichen, manchmal idealisierten Meer, einer Gegend in der lange Fischerei betrieben wurde und von ärmlichen Verhältnissen bestimmt war, die immer mehr in Vergessenheit geraten.
Sie interessieren sich für die fragmentierte und unvorhersehbare narrative Struktur von Träumen. Ihre Erzählungen sind von Erscheinungen, Umbrüchen und Übergängen geprägt und von ungewöhnlichen, unlogischen Assoziationen durchdrungen. Ihr jüngstes Werk Sempre se encontra consolo (Man findet immer Trost), 2022, erforscht die Beziehung zwischen Arbeit und Spiel und beleuchtet zugeschriebene Geschlechterrollen, die menschliche und nicht-menschliche Beziehungen definieren. Sie hinterfragen, dass das Leben von nicht-menschlichen Lebewesen verachtet, instrumentalisiert oder ignoriert wird, obwohl diese durch ihre bloße Existenz wahren Trost spenden können.

11. Eine Liebesgeschichte in Briefen
Petrit Halilajs und Álvaro Urbanos (*1986, Kostërrc, XK; *1983, Madrid, ES) Beitrag zur Ausstellung im Frankfurter Kunstverein besteht aus einem Raum, der von zwei riesigen Blumen beherrscht wird, die, wie in einem Märchen in ihrer Überdimensionalität, den physischen Raum in ein traumähnliches Szenario verwandeln und die Menschen mit neuen Machtverhältnissen konfrontieren. Die beiden Skulpturen 10th of May 2016 (Cherry) aus dem Jahr 2020 sind Teil einer Serie, die einen riesigen Strauß von Erfahrungen bildet. Diese Kunstwerke, die aus einer leichten Stahlkonstruktion und bemalter Leinwand bestehen, wurden für den Palacio de Cristal in Madrid geschaffen, wo die Künstler im Frühjahr 2020 heiraten wollten. Jede dieser Blumen aus dieser Serie steht für ein bedeutendes Datum und die Auswahl der einzelnen Arten oder Blumensorten steht im Zusammenhang mit der persönlichen Geschichte der Künstler, die sie verbindet, aber auch darauf abzielt, den sozialen Kontext und die politische Dimension des Kunstwerks zu veranschaulichen, indem sie sie öffentlich machen. Die Installation wird auch von zwei Waschbärenkostümen, Wilshire & Cochran, bewohnt, die für Halilaj und Urbano maßgeschneidert sind. Das Interesse der Künstler an diesen Tieren, die regelmäßig in der Stadt Los Angeles zu sehen sind, wurde geweckt, als Halilaj und Urbano durch die Gärten, Gassen und Grünflächen der Stadt spazierten, wo Natur und Mensch aufeinandertreffen. Dort ist der Waschbär weder völlig wild noch zahm, sondern eher ein hybrider Nachbar in der Stadt. Er neigt dazu, sich im Schutze der Nacht schnell durch den städtischen Raum zu bewegen und in Mülltonnen nach Nahrung zu suchen. Die Künstler beobachteten die subtile Art des Waschbären, sich anzuschleichen, und entwickelten eine Performance, die dieses Verhalten nachahmt, um den Waschbären als Alter Ego zu inszenieren.

12. Chroniken eines Mediums
Im Film Intoxicated waters, never-seen-before comets and a meeting of suicides (Vergiftete Gewässer, noch nie gesehene Kometen und eine Ansammlung von Selbstmörder:innen) bildet Science-Fiction als Erzählform die Grundlage für die Vorstellungswelt von Regina de Miguels (*1977, Málaga, ES) trostlosen, seltsamen Landschaften. Jedoch handelt es sich nicht um eine dystopische, nihilistische oder reaktionäre Fiktion. Konfrontiert mit „einem Planeten, der einen Abschiedsbrief hinterlässt“, empfängt die Protagonistin Botschaften aus parallelen Universen, aus anderen Zeiten und Orten: „Je entfernter, desto dringlicher die Frage“.
In De Miguels Geschichte sind Ungewissheit, Verletzlichkeit, Zerbrechlichkeit, Zuhören und Empathie Formen des Widerstands und die Kunst ist das Medium dafür. Das Beunruhigendste an dieser Chronik, diesem ausführlichen Bericht, ist vielleicht, dass er keinen konkreten Adressat hat, sondern uns alle meint. Das Ende bleibt offen.