Großformatige und mehrteilige Bilder mit einer warmen, lebendigen und oft leuchtenden Farbpalette sind die offensichtlichen Merkmale der Malerei von Thomas Werner. Die grundlegenden Fragen nach dem Verhältnis zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen digitalen und analogen Bildern sowie zwischen vermittelten und erlebten Erfahrungen reflektiert und bearbeitet er auf der Leinwand.

In seinen figurativen Werken werden Motive aus dem Alltag, aus dem Internet und aus Printmedien mit abstrakten Elementen montiert und ineinander geblendet, um ein neues Bild und eine neue Bedeutung zu erzeugen. In seinem Werk gibt es grundsätzlich beides, die figürliche und die ungegenständlich abstrakte Herangehensweise, beides kommt auch in seinem „WandBild“ zum Tragen. Obwohl die Motive, die Farben, die Komposition eine zentrale Rolle in Werners Gemälden spielen, ist sein konzeptueller Ansatz ebenso wichtig.

Da Werner sich für Bilder aus allen Kontexten interessiert, waren gerade auch die Wandmalereien, die Jörg Ratgeb vor 500 Jahren für das Karmeliterkloster schuf, seine erste Inspirationsquelle für das „WandBild“. Für die Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte schuf er ein neunteiliges, großformatiges Gemälde, das zwei Elemente aus Ratgebs Wandmalerei mit zwei Motiven aus Werners Bilderwelt kombiniert. Werner nennt das Werk „WandBild (für Jerg)“. Der Titel ist konzeptuell zu verstehen, er ist Teil des Werkes und fungiert als zusätzliche Ebene.

Die Wand wird nicht nur zum Hintergrund und Kontext, in dem sich ein zeitgenössisches Szenario abspielt, sondern auch zu einem Symbol für das Erreichen eines bestimmten Standorts, über den hinaus wir nicht sehen können.

Ein Gefühl der Abwesenheit wird hervorgerufen, nicht nur durch die Art und Weise wie das Bild gemalt ist, sondern auch durch das, was die Figuren an sich verkörpern: Folgen wir also der Bewegung des Bildes im Treppenhaus, dann sehen wir in den zwei rechten unteren Bildfeldern eine statuarische (männliche?) Figur in einem Kapuzenmantel — kein Körper, kein Gesicht.

In den zwei linken oberen Bildfeldern eine ruhig und doch selbstbewusst schreitende weibliche Figur, uninteressiert, losgelöst von der Umgebung und auf dem Weg aus dem Bild. Scheinbar gibt es keine sichtbaren Anzeichen von Natur oder Vegetation und die Szenerie wirkt wie ausgetrocknet und verlassen. Ein Hinweis auf Natur könnte allerdings die Anwesenheit eines Vogels in der Mitte des Bildes sein.

In „WandBild (für Jerg)“ werden wir herausgefordert, über den Rahmen hinaus zu sehen, denn das, was nicht abgebildet ist, scheint genauso relevant zu sein wie das, was sichtbar ist.
Adela Demetja, Kuratorin der Ausstellung


THOMAS WERNER wurde 1957 in Neu-Ulm geboren und wuchs in Ulm auf. Nach einer Lehre als Farblithograph studierte er von 1978 bis 1983 an der Kunstakademie Karls- ruhe. Danach lebte er für drei Jahre in West-Berlin. Ende 1986 zog er nach Frankfurt und ist geblieben.
Zentrale Ausstellungen von Thomas Werner fanden zum Beispiel 1990 im Kunstverein Karlsruhe, 1994 in der Kunsthalle St. Gallen, 1999 im Kunstverein Freiburg, 2000 in der Kunsthalle Winterthur, 2003 im Frankfurter Kunstverein (deutschemalereizweitausenddrei), 2005 im Martin Gropius Bau Berlin, 2017 im Museum Wiesbaden sowie seit 1989 in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in der Frankfurter Galerie Bärbel Grässlin statt.