Mit seinen magischen Kopffüßlern hatte Horst Antes, 1936 in Heppenheim geboren, zu Beginn der 1960er-Jahre eine Bildidee formuliert, die ihm über viele Jahre scheinbar unendliche Variationen bot. Sie begegnet uns weltweit, nicht nur in seinen Gemälden und Druckgrafiken, sondern auch in Skulpturen, allein oder in Gruppen, in unterschiedlichen Materialien und Formaten. Die intensive Beschäftigung mit völkerkundlichen Objekten, mit frühen Religionen, der Welt der Geister, der Magie und der Rituale hatte Antes, der von 1965 bis 2000 Professuren für Malerei in Karlsruhe und Berlin bekleidete, zu diesem offen auslegbaren Motiv geführt. Viele seiner Figuren sind als Betende, Adoranten oder auch Stigmatisierte erkennbar. In einigen Werken übernimmt er Elemente der Kosmologie der Hopi-Indianer, in anderen solche der christlichen Ikonografie. Bisweilen an Piero della Francesca (15. Jh.) erinnernde klassische Kompositionen lösen die gestischen Bilder des Frühwerks ab und führen Kopfformen im strengen Profil statt wie anfangs en face ins Werk ein. In Antes’ Kunstverständnis stehen sie stellvertretend für das »Gefäß«, in dem der Mensch seine persönlichen Erfahrungen und individuellen Erinnerungen aufbewahrt.

Anfang der 1980er-Jahre dann ein radikaler ikonografischer Schnitt: Entsetzt über den ebenso barbarischen wie »kopflosen« Akt des Falklandkrieges 1982, in dem sich Großbritannien und Argentinien wegen der abgelegenen Falklandinseln bekämpften, gibt Antes die figürliche Malerei fast vollständig auf. Die längst zum Markenzeichen avancierten Kopffüßler erscheinen nun allenfalls noch als Schattenfiguren im Kontext hermetisch anmutender minimalistischer Architektursujets.

Stattdessen entstehen nun geheimnisvolle und zeremoniell erscheinende »Votive« aus schimmerndem Feingoldblech. Die entrückte transluzente »Wirklichkeit« der in Acrylglasgehäusen bewahrten Szenen ruft Ideen aus der spirituellen Vorstellungswelt der Hopi auf. Sie muten wie die geschützten lichten Gegenentwürfe zur absorbierenden Dunkelheit und Geschlossenheit der Haus-Bilder an. Und doch setzt Antes seine Suche nach dem Ursprünglichen der menschlichen Existenz in beiden fort.

Beginnend mit einem an den toskanischen casa colonica angelehnten bäuerlichen Haustyp entstehen zunächst ein Haus, dann zwei, schließlich ganze Hausfamilien bis hin zu einem Dorf (Das große Dorf, 1988/89) aus einfachen fensterlosen architektonischen Strukturen. Eng, ja ausschließlich mit dem menschlichen Dasein verbunden, verweisen die archetypischen Häuser gerade in ihrer Formelhaftigkeit auf den menschlichen Lebensraum an sich, in dem geboren, aufgewachsen und gestorben wird und sich Leben und Lebensentwürfe manifestieren. Mit der »Gefäß-Chiffre« Haus gelingt Antes also eine weitere existenzielle Formulierung, die ihre Gültigkeit auch da behält, wo er ganz auf menschliche Figürlichkeit verzichtet. Denn »das Haus«, so Antes, »ist die Figur«.

Auch in seiner Farbpalette hat sich der Maler, der seit Jahrzehnten hauptsächlich in der Toskana lebt, scheinbar zurückgenommen. Während in frühen Gemälden (Figur Maya V, 1961) eine leuchtende Farbigkeit dominiert, wirkt die asketische Tonalität seiner grauen und schwarzgrundigen Architekturen auf den ersten Blick erloschen. Unter wechselnden Lichteinfällen betrachtet, offenbaren die in sich versunkenen Schwarz- und Grautöne jedoch einen sublimen Kolorismus aus matten roten, braunen, ockerfarbenen oder taubenblauen Reflexen, der bisweilen an die Farbigkeit eines Georges de la Tour aus dem 17. Jahrhundert denken lässt.

Als feinsinniger Sammler von Federarbeiten der Indianer Südamerikas und von Kachina-Puppen, die er im Laufe der Zeit zu bedeutenden Studiensammlungen zusammen führte, sowie von historischen Schulfibeln und Spielzeugrobotern, die verblüffende formale Ähnlichkeiten mit den Kachina aufweisen, hat Horst Antes, der seit Jahrzehnten hauptsächlich in der Toskana lebt, sich ebenfalls einen Namen gemacht. Die »Schule des Sehens« seiner Sammeltätigkeit begreift er, wie das Zeichnen auch, als Teil seiner künstlerischen Arbeit.

Mit 95 Werken aus allen wichtigen Werkphasen gehört Horst Antes, dem sich der Sammler Reinhold Würth seit Jahrzehnten voller Respekt verbunden fühlt, zu den prägenden Positionen der Sammlung Würth.


Öffnungszeiten:
Oktober – März
Täglich: 11:00 - 18:00 Uhr 

April – September
Täglich: 11:00 - 19:00 Uhr

25. und 26. Dezember und 1. Januar: 12:00 - 17:00 Uhr 
24. und 31. Dezember geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: kunst.wuerth.com