Unsere Gegenwart wird überformt von einem riesigen Bilderberg. Kino, Printmedien,
Werbung, Fotografie, Video, computergenerierte Bild- und Raumbehauptungen - bunter Bilderregen überall. Mediale Bilder schaffen Tatsachen und definieren, was ist.
Weil aber nichtsdestotrotz auf Teufel komm raus gemalt wird, weil der Tod der Malerei zwar
immer wieder behauptet wurde, dieses zähe Medium, aber trotzdem nicht totzukriegen war und ist, ist es vielleicht doch denkbar, dass die Malerei gebraucht wird, dass sie angesichts des Übergewichts der medialen Bilder in einer durch diese definierte Realität einen ganz besonderen Part im Spiel der Bildkonstruktionen zu übernehmen vermag, der es ohne Sentimentalität und Rückwärtsgewandtheit gelingen mag, zeitgenössische Qualitäten des Bildes zu formulieren.

Axel Geis und Paul Wesenberg sind zwei Künstler, die beide nicht aus Berlin stammen, aber
in Berlin leben. Ihre Lebenswege könnten unterschiedlicher nicht sein, doch für den
kulturellen Kontext der Metropole Berlin ist das gerade typisch. Seit Jahrzehnten lebt die
Stadt aus der Dynamik des Melting Pot. Hat es in der Nachkriegszeit unter den Bedingungen
der geteilten Stadt vielleicht noch so etwas wie "Berlinische" Stilentwicklungen in Ost und
West gegeben, entwickelte sich die Kunstszene Berlins nach dem Mauerfall zu einem
Pluriversum höchst unterschiedlicher ästhetischer Perspektiven. Die Malerei nimmt in diesem System eine unübersehbar wichtige Position ein.

Axel Geis und Paul Wesenberg sind typische Berliner Protagonisten unseres Jahrzehnts.
Sie sind weder Bilderstürmer noch hecheln sie der Bilder-Überfluss-Produktion hinterher.
Ihre Bilder sind in Kenntnisnahme des medialen Bilderflusses entstanden, aber nicht dessen
ästhetische Folge. Medienreflexivität und das Eintreten für die fortwährende Aktualität und
einen sehr weit gefassten Begriff von Malerei kennzeichnen ihr Werk. Axel Geis jongliert virtuos mit den Traditionen malerischer Produktion, während Paul Wesenberg hauptsächlich auf und mit der Malhaut experimentiert. Geis wählt Topoi, die ihm eine sanktionierende Rezeption liefert. Seine Anerkennung im Kunstmilieu basiert auf seinen Rückgriffen auf kanonisierte Modi der Kunstgeschichte, die er im Sinne erinnernder Bilder versteht und die er weder post-, postpost- oder neo-, sondern als all diese Formeln zusammen formuliert. Bei seinen Bildern handelt es sich um Reflexionen im Sinne einer Basisüberlegung zum Sprechen über Subjektivität, der Gefühle konstitutiv inhärent sind. Die Körperhaltung seiner Figuren bzw. die Art der Gegenstandserfassung basiert auf einer inneren Einstellung, welche orientiert ist auf Affirmation des Daseins. Gleichzeitig ist diese Haltung auf ein Umgehen mit dem gerichtet, was überraschend, heimlich, unerwartet situativ und kontingent ist. Insofern mischen sich in den Bildern von Axel Geis auf ganz spezielle Weise das Romantische mit dem Melancholischen mit dem Geheimnisvollen.
Paul Wesenberg ist ein Maler mit besonderem Interesse an der Materialität von Farbe und
Leinwand. Sein Vorgehen zeigt einerseits eine hochreflektierte Fundierung der eigenen
Position und andererseits eine unbändige Lust, Anspruch und Autonomie des Bildes möglichst opulent zur Ansicht zu bringen. Das freie Schwingen seiner Formen, mal abstrakt, mal konkret, hier chaotisch in der Formballung, dort pinselzahm linear, einerseits massiv farbverdickt, andererseits unbekümmert flüssig, macht seine Bilder zu sinnlichen Ereigniszonen. Neuerdings lässt Paul Wesenberg seine Bilder in den Raum expandieren, entweder mittels Objektkästen ("Painter's Garden", 2018) oder in der Installation ("Magical Paintings", 2019), die die Malhaut, wie von magischer Hand geführt, schweben lässt. Das aus der Malhaut Herausgehobene markiert einen Bruch, es hinterlässt eine materielle Fehlstelle. Unter der abgehoben Oberfläche lauert das Nichts. Tiefsinn ist eine emotionale Kategorie. Sich ihr zu nähern, gelingt Wesenberg über seine faszinierend konzipierten Oberflächen-Arrangements.
Christoph Tannert Berlin, 2020


AXEL GEIS, 1970 in Limburg/Lahn geboren, studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe sowie an der Kunsthochschule Mainz. Er lebt und arbeitet in Berlin. Seine Werke werden seit den 00er Jahren in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, so zuletzt in der Avlskarl Gallery, Copenhagen, in der Galerie Wentrup, Berlin, bei Mitchell Innes & Nash, New York, Gallery Almine Rech, Paris und in der Kunsthalle Mannheim. Außerdem nahm er an Gruppenausstellungen teil im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen, im Portland Art Museum, USA, im Centre Pompidou, Paris, im Museum der bildenden Künste Leipzig und in der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau. Werke von Axel Geis sind in verschiedenen öffentlichen Sammlungen vertreten, wie dem Musée National d´Art Moderne Centre Pompidou, Paris, dem Palm Springs Art Museum, der Rubell Family Collection, Miami, der Olbricht Collection, Berlin, der Collection Gloria von Thurn und Taxis, Regensburg und dem Saarland Museum Saarbrücken.

PAUL WESENBERG *1973 in Minsk/Weißrussland geboren, wuchs in Weißrussland,
Finnland und Deutschland auf. Seit 2017 lebt und arbeitet er in Berlin. Wesenberg studierte
an der Kunstakademie Minsk und der Muthesius Hochschule für Kunst und Gestaltung 
Kiel. Anschließend folgten 10 Jahre projektbezogene Arbeit im Bereich grafische
Raumgestaltung in Kooperationen mit Architekten in Nordeuropa. 1995 erhielt er den
renommierten DAAD-Preis. Wesenbergs Arbeiten werden seit den 1990er Jahren in Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Er ist von der Galerie Slag in New
York sowie von der Galerie RX in Paris vertreten.