Der Fördererkreis Kulturzentrum Berlin e.V. ist der älteste Kunstverein Berlins. Er wurde am 6. April 1960 gegründet, um die Trägerschaft des Hauses am Lützowplatz zu übernehmen. Nach einem mehr als zehnjährigen Restitutionsprozess hatte die im Nationalsozialismus verfolgte Familie Fürstenberg im Dezember 1959 ihre Eigentumsrechte an der Immobilie vom Verein Berliner Künstler (VBK) zurückerlangt. Das Gebäude war 1938 von den zur Emigration gezwungenen jüdischen Eigentümern vom VBK erworben worden und wurde während des Krieges stark beschädigt. Der VBK konnte es mit eigenen Mitteln teilweise instandsetzen und betrieb es ab 1950 als neues „Kulturzentrum“, wobei die Kommunale Galerie des Bezirks Tiergarten Mieterin im ersten Obergeschoss war.
Die Gründung des Fördererkreises erfolgte auf Initiative der Berliner SPD unter Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt, um die kulturelle Nutzung des Gebäudes nach seiner Restitution zu sichern.
Mit Unterstützung des Landes Berlin kaufte der Fördererkreis das Haus von der Familie Fürstenberg. 1962 begannen umfangreiche Rekonstruktions- und Umbauarbeiten unter der Leitung des Architekten Fritz Gras, größtenteils finanziert durch die Deutsche Klassenlotterie und das „Amt für Stadtbildpflege“ des Berliner Senats. Im November 1963 wurde das Haus feierlich als neuer Ort für die Präsentation von vorrangig zeitgenössischer Kunst der Öffentlichkeit übergeben. 1964 fanden hier beispielsweise die Gründungsausstellung des Berlin-Museums und die Wanderausstellung zum Guggenheim International Award statt. Bis 1992 wurde der Verein institutionell durch den Berlin Senat gefördert. Seitdem zählt er zu den freien Kulturräumen Berlins und finanziert sich überwiegend durch die Vermietung von Büroflächen an kulturelle Einrichtungen, wie beispielsweise der Bund Deutscher Amateurtheater und die Kulturstiftung des Bundes, die im obersten Geschoss ihr Hauptstadtbüro unterhält.
In der Vergangenheit wurde in Zehn-Jahres-Schritten der Wiedereröffnung des Hauses als „Kulturzentrum“ gedacht, zuletzt 2013 anlässlich des 50. Jahrestags. Nun soll erstmals das Gründungsdatum des Vereins in den Mittelpunkt einer kritischen Rückbesinnung gerückt werden.
Die Ausstellung
Die Ausstellung Berliner Realistinnen. 65 Jahre Haus am Lützowplatz (HaL) wird in ihrem historischen Teil die städtebauliche Situation des Lützowplatzes im Jahr 1960 rekonstruieren. Raumfüllende Bildtapeten zeigen die großen, unbebauten Brachen des Ortes und dienen als visueller Hintergrund für Fotografien aus den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren. In Vitrinen werden Dokumente zur Geschichte des Gebäudes und zum frühen Ausstellungsprogramm präsentiert.
Der zeitgenössische Teil des Projekts nimmt seinen Ausgangspunkt bei der Ausstellung 1. Mai-Salon. Berliner Realisten 71 aus dem Jahr 1971, die eine Reihe bedeutender thematischer Gruppenausstellungen begründete. Der erste 1. Mai-Salon umfasste 28 Werke, von denen 27 von männlichen Künstlern wie Hans Jürgen Diehl, Johannes Grützke, Matthias Koeppel, Marwan, Wolfgang Petrick und anderen stammten. Viele dieser Künstler waren auch in den Folgejahren mit Einzelausstellungen oder bei weiteren Projekten des Hauses vertreten.
Der Ausstellungsteil "Berliner Realistinnen" versteht sich als genderpolitisches Reenactment dieses ersten „1. Mai-Salons“. Im Jahr 2025 werden ebenfalls 28 Werke gezeigt. Als bewusste Geste für Gleichberechtigung - im Zusammenhang mit dem Internationalen Frauentag am 8. März und in Kooperation mit der Initiative „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ - sind alle Beteiligten weiblich oder lassen sich weiblich lesen.
Im Zentrum der Ausstellung steht eine Arbeit von Barbara Keidel-Schoenholtz (1939–2021), der einzigen 1971 beteiligten Künstlerin. Ergänzt wird diese durch Werke von 27 zeitgenössischen Künstlerinnen aus Berlin, die analog zur Altersstruktur der damaligen Ausstellung eingeladen wurden. In Anlehnung an den 1971 formulierten Wirklichkeitsbegriff basiert die Auswahl der Künstlerinnen auf einem erweiterten Verständnis des Gegenständlichen, wie es sich in den klassischen Gattungen Malerei, Zeichnung und Bildhauerei ausdrückt. Die Ausstellung spiegelt die Vielfalt der Berliner Kunstszene wider und behandelt ein breites Spektrum von Themen mit unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen.
Mit Werken von Aline Alagem, Sonja Alhäuser, Marie Aly, Stefanie Bühler, Zuzanna Czebatul, Birgit Dieker, Johanna Dumet, Hannah Sophie Dunkelberg, Kerstin Dzewior, Marion Eichmann, Simone Haack, Victoria Heifetz, Stefanie Hillich, Cathrin Hoffmann, Hortensia Mi Kafchin, Barbara Keidel, Fee Kleiß, Franziska Klotz, Kathrin Landa, Florence Obrecht, Maria und Natalia Petschatnikov, Antonia Rodrian, Shanee Roe, Tanja Selzer, Kerstin Serz, Charlie Stein, Alex Tennigkeit und Ivana de Vivanco
Es erscheint ein zweisprachiges Booklet, 58 Seiten, 20 x 20 cm, (dt./engl.) mit Werktexten und einer Einführung der Kurator:innen.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Joe Chialo, Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Publikation
Die Publikation 1960–2025. 65 Jahre Haus am Lützowplatz (HaL) wird die Arisierung des Hauses und seine Restitution wissenschaftlich aufarbeiten und neu bewerten. Zudem enthält das Buch eine vollständige Chronik aller Projekte des Kunstvereins, gegliedert in sechs Kapitel (Große Galerie, Studiogalerie, Kooperation mit der IG Metall, HaL-Hofskulpturen, Sonderprojekte, Ausstellungsverzeichnis)
Herausgegeben von Marc Wellmann im Auftrag des Vorstandes, mit Texten von Peter Senft, Heinrich Wilhelm Wörmann, Paul Enck und Werner Milert, 328 Seiten, 17 x 24 cm, gebunden, Schweizer Broschur
Preis in der Ausstellung: 20,- Euro
Permanent Verlag
Berlin ISBN 978-3-910541-12-2
Eröffnung: Freitag, 7. März 2025, 19:00 Uhr
Lützowplatz 9
10785 Berlin