Mit seiner Ausstellung Mineriada begibt sich der Künstler Anton Roland Laub auf eine Reise in die Vergangenheit und taucht ein in das transgenerationale Traumata der rumänischen Gesellschaft nach dem Ende der Regierung Ceaușescu. Er thematisiert die gewaltsamen Unruhen von 1990, als tausende aufgehetzte regimetreue Bergarbeiter aus dem Jiu-Tal nach Bukarest gebracht wurden, um pro-europäische Proteste brutal niederzuschlagen.

Trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2014 bleiben die tödlichen Übergriffe juristisch unaufgearbeitet – eine verdrängte Vergangenheit, der Laub in seinen Bildern nachspürt. In der rumänischen Presse wurde die Mineriade mit der Stürmung des Kapitols in den USA am 6. Januar 2021 verglichen. Mit seiner Arbeit sensibilisiert der Künstler für rekursive Konflikte in einer polarisierten Welt. Der Titel Mineriada ist ein sarkastisch verwendeter Begriff, der das rumänische Wort Bergarbeiter „Miner“ mit der Endung „-iada“ aus „Olimpiada“ kombiniert.

In einer Rückschau von Straßburg über Bukarest nach Petroșani untersucht Laub die Orte des damaligen Geschehens, das unausgesprochene Leid handgreiflicher Gewalt und dessen Spuren im kollektiven Gedächtnis. Ausgangspunkt sind Fotografien seines Vaters von Juni 1990, ergänzt durch eigene Recherchen, persönliche Erfahrungen und Erinnerungen. Primäres Ziel des Künstlers ist nicht die historische Aufarbeitung, sondern die Annäherung an die Thematik über die latente Präsenz des Geschehens im Unbewussten.

Eine der zentralen Arbeiten zeigt einen Blick nach vorne ins Dunkel. Zu sehen ist als einziges Element ein Spiegel, auf dessen Oberfläche Myriaden filigraner Wassertropfen schimmern, die das in ihm Abgebildete verzerren. Im Blick zurück, in der Spiegelung, ist ein Scheinwerfer zu erkennen, der sich von hinten zu nähern scheint. Ein kleines, viereckiges Element auf der Spiegelfläche bricht die rätselhafte Stimmung – als würde die Zeit zugleich vorwärts und rückwärts fließen. Was tritt aus dem Schatten der Nacht hervor?

Laub schafft Bilder von philosophischer Tiefe und poetischer Kraft. Seine Fotografien wirken durch ihre ästhetische Präzision und subtile Symbolik. Der Künstler öffnet Denkräume, ohne Antworten zu geben. Der Mythos von Saturn – dem Vater, der seine Kinder verschlingt, um nicht gestürzt zu werden – schwingt in seiner Auseinandersetzung mit. Eine weitere Fotografie zeigt eine verbogene Gitterstruktur, eine Metapher für Begrenzung und Durchlässigkeit zugleich. Dahinter fällt Licht durch ein engmaschiges, zusammengeflicktes dunkles Netz aus Kunststoff, eine Allegorie voller Ambivalenz.

Anton Roland Laub, in Bukarest geboren und aufgewachsen, lebt und arbeitet in Berlin. Er absolvierte ein Masterstudium an der Kunsthochschule Berlin Weißensee sowie zuvor ein Studium an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin und ein Studium der Medienund Kommunikationswissenschaften an der Universität Bukarest. Nach Mobile Churches und Last Christmas (of Ceaușescu) legt Laub mit Mineriada den letzten Teil seiner Rumänien-Trilogie im Kehrer Verlag vor. Die Arbeit wurde durch das Recherchestipendium Bildende Kunst der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Berlin sowie durch die Publikationsförderung der Stiftung Kulturwerk, Bonn unterstützt.

Anton Roland Laub wurde u.a von Robert Capa Contemporary Photography Center, Budapest in die Most Exciting Photobooks from Central and Eastern Europe gewählt und für den New Discovery Award bei Les Rencontres d’Arles (Einzelausstellung), den Kunstpreis des Haus am Kleistpark, Berlin und den Deutschen Fotobuchpreis nominiert. Zudem war er Finalist u.a. für den Dummy Book Award (Unseen, Amsterdam) sowie den LUMA Dummy Book Award (Les Rencontres de la Photographie, Arles). Er nahm an zahlreichen internationalen Ausstellungen teil, u.a. der Triennial of Photography and Architecture, Brüssel, Format Festival, Derby, EMOP, Athen und Berlin und stellte aus u.a. im Museum of Recent Art, Bukarest, der Kaunas Photography Gallery, Kaunas (Einzelausstellung), dem Stadtmuseum Bukarest (Einzelausstellung), PhotoSaintGermain, Paris (Einzelausstellung).