Ein Wiedersehen mit alten Bekannten, aufregende Entdeckungen und die eine oder andere Überraschung - all das verspricht die neue Sammlungspräsentation in der Alten Pinakothek. Die nach Themen geordnete Hängung stellt Werke aus den Bereichen der Altdeutschen und Altniederländischen sowie der Flämischen Malerei des 16. und frühen 17. Jahrhunderts aus dem eigenen Bestand in einen neuen Kontext und beleuchtet unterschiedliche Facetten eines Themas, das zu den Kernaufgaben der Malerei schlechthin gehört: Dem Erzählen von Geschichten. Wie, was und durch wen wird erzählt? Welchen Zweck verfolgen Künstler:innen sowie Auftraggeber:innen damit zu unterschiedlichen Zeiten, und an welches Publikum richten sie sich dabei? Ist dies überhaupt immer eindeutig, oder werden die Betrachter:innen sogar manchmal bewusst in die Irre geführt? Diese und andere Fragen wirft die Sammlungspräsentation auf, in der manchmal alles anders ist, als es auf den ersten Blick scheint.
Die flämischen Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts bilden den glanzvollen Auftakt. Ein Porträt aus dem 16. Jahrhundert – gemalt von Rubens. Jan Brueghels Johannispredigt, aber den Täufer muss man suchen. Eine vielfigurige Genreszene oder doch ein Historienbild mit der Berufung des späteren Evangelisten Matthäus? Die reichen Bestände der flämischen Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts geben eine Vielzahl von Themen wieder. Hier lässt sich auf höchstem Niveau die zunehmende Ausdifferenzierung der Gattungen zwischen Historie, Genre und Landschaft nachvollziehen, wobei Überraschungen nicht ausbleiben: Zunächst ähnlich Wirkendes erweist sich als verschieden, und bei näherer Betrachtung werden inhaltliche Überschneidungen ebenso wie Ambivalenzen erkennbar. Das Publikum empfängt der „Große Blumenstrauß“, der sich erst auf den zweiten Blick als Produkt der Werkstatt von Jan Brueghel d. Ä. zu erkennen gibt. David Vinckboons‘ „Weg nach Golgatha“ zeigt den kreuztragenden Christus inmitten einer Menschenmenge, aber so klein dargestellt, dass man ihn buchstäblich suchen muss. Nachtstücke, präsentiert im anschließenden Kabinett, galten damals als Ausweis der Kunstfertigkeit, da die Erzählung erst durch gezielt gesetzte Lichtquellen aus dem Dunkel hervortritt. Der Brueghel-Dynastie ist ein weiteres Kabinett gewidmet. Pieter Bruegel d. Ä., von dem die Alte Pinakothek das „Schlaraffenland“ besitzt, war für seine Söhne prägend: Pieter Brueghel d. J. schuf noch im 17. Jahrhundert Kopien nach Werken seines Vaters und entsprach damit der hohen Nachfrage durch das damalige Publikum. Jan Brueghel d. Ä., sein Bruder, suchte hingegen Eigenständigkeit und wurde für seine detailreichen Landschaftsbilder und Stillleben berühmt. Den Abschluss bilden die Werke der niederländischen Romanisten“, die mit halbfigurigen Genre- und Historienszenen das dargestellte Geschehen den Betrachtenden unmittelbar nahe brachten.
Der anschließende Blick auf die Werke der Altdeutschen und Altniederländischen Malerei offenbart, woher viele Bilderzählungen kommen und was die Maler im Verlauf der Jahrhunderte aus den historisch überlieferten, häufig biblischen Texten machten. Den Beginn macht hier eine Gruppe in und um München entstandenen Gemälde aus der Zeit um 1450, an denen sich die wegweisenden Innovationen in der Malerei dieser Zeit ablesen lassen: Die realistische Wiedergabe der sichtbaren Welt rückt ins Zentrum des malerischen Interesses, was für das Erzählen von Geschichten neue Möglichkeiten eröffnet.
Ein eigener Raum versammelt überwiegend großformatige Altargemälde vom Spätmittelalter bis zum Beginn der Reformation von Künstlern wie Hans Pleydenwurff, Hans Holbein dem Älteren, Joos van Cleve und Martin Schaffner: In meist vielteiligen und szenisch aufeinander bezogenen Bilderserien illustrieren sie zentrale Inhalte des christlichen Glaubens. Worauf wird fokussiert, was passiert im Hintergrund, welche Rolle spielen Architektur und Landschaft, und welche Bedeutung kommt scheinbar nebensächlichen Details zu? Die eingesetzten Erzählstrategien unterscheiden sich nach Entstehungszeit, Größe, Konstruktion und Umfang der Flügelaltäre deutlich.
Den am längsten nachweisbaren Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen markiert ein Großauftrag Herzog Wilhelms IV. von Bayern und seiner Frau Jacobaea von Baden, dem sich einige Glanzstücke der frühneuzeitlichen Historienmalerei wie die „Alexanderschlacht“ Albrecht Altdorfers verdanken: Im Zeitraum von 1528 bis 1540 entstand eine umfangreiche Serie großformatiger Historienbilder, die heroische und tugendhafte Taten berühmter Heldinnen und Helden der Vergangenheit erzählen und damit zugleich die herrscherlichen Tugenden des bayerischen Herzogspaares vorzuführen. Erstmals seit längerer Zeit sind zehn der elf in München verbliebenen Gemälde in einem Raum ausgestellt.
Wie unterschiedlich schließlich auch ein auf wenige Figuren beschränktes Thema im kleinen Format erzählt werden kann, demonstriert eine Reihe von Madonnendarstellungen des Spätmittelalters und der Renaissance, die die ganze Bandbreite von entrückter Himmelskönigin bis zum innigen Verhältnis von Mutter und Kind vor Augen führen. Im Zentrum steht hier die spektakuläre Neuerwerbung von Hans Baldung Griens „Maria als Himmelskönigin“, die dem Münchner Publikum bei dieser Gelegenheit erstmals vorgestellt wird.
Am Ende der Präsentation stehen Werke aus beiden beteiligten Sammlungsbereichen, die beispielhaft zeigen, wie unterschiedlich Bildräume, die Darstellung des menschlichen Körpers und deren perspektivische Verkürzung für die Dramatisierung und Zuspitzung bildnerischer Erzählungen genutzt werden können.
Öffnungszeiten:
Dienstag - Mittwoch: 10:00 - 20:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: pinakothek.de