Im 20. Jahr seines Bestehens widmet sich das Marta Herford in zwei Akten seinem Herzstück, der eigenen Sammlung. Zum Auftakt präsentiert die erste Ausstellung „Interieur als Idee – Werke aus der Sammlung Marta“ frühe, teils selten gezeigte Anschaffungen, die, angelehnt an die Ursprungsidee zur Gründung des Museums als „Haus des Möbels“, künstlerische Perspektiven auf Interieur und Mobiliar aufzeigen. Die vielschichten Werke aus den Bereichen zeitgenössischer Kunst und Design widmen sich vor diesem Hintergrund verschiedenster Themenfelder – als konzeptuelle Statements, als symbolhafte Alltagsrelikte, Objekte intimer Beziehung oder eindringliche Erzählung aus dem häuslichen Kontext. Auf diese Weise spannt die Schau in der Lippold-Galerie einen Bogen über das Sujet Wohnen, Einrichtung und Behausung zwischen Heimat, Lifestyle und psychologischer Spannung, von Geborgenheit bis zu traumatisierender Abgründigkeit.
Die Ausstellung versammelt unter dem Titel Interieur als Idee 35 markante, überwiegend künstlerische Arbeiten aus der Sammlung Marta. Diese spiegeln die inhaltliche Ausrichtung des Museums wieder, das sich seit seiner Gründung mit dem Blick aus der zeitgenössischen Kunst heraus auf Design und Architektur thematisch an den Schnittstellen dieser Disziplinen verortet. Das Marta Herford, gelegen in Ostwestfalen als Zentrum der deutschen Möbelindustrie, war ursprünglich als ein „Haus des Möbels“ erdacht worden, um Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft in einem spektakulären Gebäude zusammenzuführen. Der charakteristische Frank Gehry Bau mit dem programmatischen Namen „MARTa Herford“ (M: Museum / Möbel / ART: Kunst / a: Architektur / Ambiente) wurde am 7. 5. 2005 in Herford eröffnet.
Die erste der zwei Sammlungsausstellungen im 20. Jubiläumsjahr des Museums lädt dazu ein, ausgewählte Sammlungswerke im Kontext vielfältiger Vorstellungen von (Wohn-) Räumen, Interieur und Mobiliar aus unterschiedlichen künstlerischen und gestalterischen Perspektiven zu entdecken. Fragen nach der Bedeutung von Behausung, Einrichtung und Möbel werden in den Lippold-Galerie thematisiert. Räume und Interieurs können dem Menschen als Schutzort oder Heimat dienen, sind aber auch Ausdruck von Individualität oder gesellschaftlichem Status zwischen Ästhetik und Funktionalität. Ebenso können traumatische Erinnerungen anhand von Einrichtungen assoziiert werden.
Interieur als Idee versammelt Installationen, Malereien, Fotografien, Filme und Skulpturen und Sitzobjekte von Künstler*innen sowie Designstühle und -objekte. Die fluide Grenze zwischen Kunst und Design wird dabei aufgehoben und befragt. Während für die Designstühle von Vogt + Weizenegger, Fehling & Peiz oder Martine Moineau Materialeinsatz und (individuelle) Anpassung an die Nutzenden in der Gestaltung grundlegend ist, liegt bei den künstlerischen Arbeiten das besondere Augenmerk auch darauf, das Funktionale zu hinterfragen oder konterkarieren. So geht es z.B. bei tisch-, stuhl- und schrankähnlichen Objekten von Matthieu Ronsse, Nataly Hocke und Hannes Van Severen gerade um den Aspekt Funktion–Dysfunktion sowie um das Fragile und Erzählerische in Form und Material. Darüber hinaus stehen bei Rodney McMillians Objekt eines zerschlissenen Sessels und bei San Kellers Werk eines Kunststoffstuhls mit Bedienungsanleitung gesellschafts- und konsumkritische Aussagen und Haltungen im Mittelpunkt.
Sitzmöbelartige Objekte von Robert Wilson, François & Friquet Morellet oder dem Künstlerkollektiv Art & Language sind im Zusammenhang der jeweiligen Oeuvres zu sehen: Sie verweisen auf einen Theaterkontext (Wilson), die Auseinandersetzung von Form und geometrischen Elementen (Morellet) oder sind zum Objekt gewordene Theorie mit Kritik an Kunst und Gesellschaft (Art & Language).
Als raumgreifende künstlerische Installation ist das vielteilige Gefüge der Marta-Preisträger*innen (2015) Mutter & Genth zu sehen, das auf Technologie der Küchen- und Möbelindustrie, Körper, Design und Gesellschaft verweist. Das aus einer metallenen Linie designte Rauminterieur von Aykut Erol wiederum steht für (gestalterische) Reduktion.
Marco Den Breems‘ Arrangement mit Bett und Kultobjekten erscheint hingegen als bedrückendes Szenario einer Art Aufbahrung (seiner Mutter). So spielt auch für Kaari Upsons Film das Kinderzimmer eines amerikanischen Fertighauses (ihrer Freundin) mit den Erzählungen zweier maskierter Figuren mit traumatischen Erinnerungen.
Malerische Kompositionen und Wandarbeiten von Norbert Schwontkowski, Aaron van Erp, Thomas Rentmeister, Thomas Huber, Wilhelm Sasnal und Anton Henning setzen sich mit persönlichen, emotionalen und gesellschaftlichen Aspekten von Interieur auseinander, – und zeigen Behagliches, Traumartiges bis Beunruhigendes. Gesellschaftskritische Positionen, u.a. in Bezug auf die Instrumentalisierung der Frau finden sich in der Fotoserie von Sergey Bratkov und im Performancevideo von Martha Rosler, in dem die Küche als Sinnbild der Häuslichkeit vorgeführt wird.
Die skulpturalen Werke von Franz Erhard Walther und Bogomir Ecker beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit Materialität, Formen und Funktionen in Beziehung zu Mensch und Raum. Die für die Kaffee- bzw. Teekultur gestalteten “Tableware” Objekte des Designers Werner Bünck und der Designerin Heike Kastrup stehen der Duftarbeit von Lena Henke gegenüber, die sich aus einem Topf strömend skulptural in den Raum ausbreitet.
Die Schau Interieur als Idee – Werke aus der Sammlung Marta lädt dazu ein, die vielfältigen Bedeutungsebenen von Raum und Interieur zu erkunden und die Grenzen zwischen Kunst und Design neu zu denken. Sie bietet eine spannende Gelegenheit, die Sammlung Marta zu erleben und die gesellschaftlichen, kulturellen und ästhetischen Aspekte des Wohnens und Lebens zu reflektieren.
Künstler*innen:
Art & Language, Sergey Bratkov, Werner Bünck, Takeshi Daimon, Marco Den Breems, Bogomir Ecker, Aykut Erol, Aaron van Erp, Fehling & Peiz, Lena Henke, Anton Henning, Nataly Hocke, Thomas Huber, Heike Kastrup, San Keller, Daniel Kern, Rodney McMillian, Martine Moineau, François et Friquet Morellet, Mutter / Genth, Thomas Rentmeister, Matthieu Ronsse, Martha Rosler, Wilhelm Sasnal, Norbert Schwontkowski, Kaari Upson, Hannes Van Severen, Vogt + Weizenegger, Franz Erhard Walther, Robert Wilson
Als Folgeausstellung eröffnet am 11. 7. die Ausstellung Neue und alte Bekannte – Ankäufe und Schenkungen für die Sammlung Marta. Hier werden Neuzugänge der letzten drei Jahre erstmalig dem Publikum vorgestellt. Einige der Werke werden bereits in der Ausstellung Interieur als Idee gezeigt, um das kongruente inhaltliche Zusammenspiel der Sammlungsstrategie zu vergegenwärtigen.
Zu beiden Ausstellungen Interieur als Idee – Werke aus der Sammlung Marta und Neue und alte Bekannte – Ankäufe und Schenkungen für die Sammlung Marta (12. 7. − 21. 9. 2025) erscheint im Juli 2025 begleitend eine gemeinsame Publikation, mit Texten zum Thema Interieur als Idee von Franziska Brückmann, Michael Kröger, dem Schriftsteller Florian Rötzer sowie einleitenden Worten von Kathleen Rahn. Zur Eröffnung erscheint zudem ein Faltblatt mit Werktexten zur kostenlosen Mitnahme).
Öffnungszeiten:
Dienstag: 11:00 - 18:00 Uhr
Mittwoch: 11:00 - 20:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: marta-herford.de