Die Kunstmuseen Krefeld präsentieren erstmalig nach 20 Jahren die Kunst von Andrea Zittel (*1965 in Escondido, CA, USA) mit einer Einzelausstellung in Deutschland. Die US-Amerikanerin gehört zu den bedeutendsten Künstler* innen ihrer Generation, welche die Grenzen zwischen Kunst und Leben mit einem neuen Skulpturbegriff aufgebrochen haben. In enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entsteht eine ortspezifische Präsentation in Haus Esters, das 1927 von Ludwig Mies van der Rohe als Wohnhaus erbaut wurde. Anhand von Zittels abstrakten wie konkreten Panels und visuellen wie persönlichen Mustern erkundet das Projekt ihre transdisziplinäre Praxis.

Seit den 1990er Jahren untersucht Andrea Zittel ausgehend von ihrem eigenen Körper den Raum um sie herum experimentell in „test sites for investigative living"- zuerst in der Enge von New York, später in der Weite der kalifornischen Wüste. In ihren reduzierten, zumeist aus geometrischen Grundformen zusammengesetzten Arbeiten vermengt sie Kunst, Design und Architektur. Kunst und alltägliches Leben, Künstlerin, Entrepreneurin und Privatperson werden eins. Eine Saison lang trägt sie etwa jeden Tag dieselbe Kleidung, ihre „Uniform" oder sie gestaltet ihren Wohnraum regelmäßig um, fragt sich welche multifunktionalen Objekte ihren Bedürfnissen entsprechen. Beeinflusst vom Design und der Architektur des frühen 20. Jahrhunderts, wie den russischen Konstruktivisten und dem Bauhaus, entwickelt Zittel einfache wie futuristisch wirkende Möbel, Mode und andere, teilweise utopische Prototypen. Sie agiert als Ein-Frau-Unternehmen mit A-Z Administrative Services und später mit dem selbstgeschaffenen Lebens- und Arbeitsort A-Z West bei Joshua Tree (CA) sowie dem Projekt High Desert Test Sites (HDTS) kollektiver. Ähnlich einer Dienstleister in passt Zittel ihre an „Produkte" erinnernden Kunstwerke auf die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Kund*innen an. Ihre Comfort Units, Carpet Furniture oder Escape Vehicles werfen auf diese Weise eine neue, kritische Perspektive auf Lebensweisen und Werte, die uns selbstverständlich erscheinen - aber es vielleicht gar nicht sind?

How to live? fragt eines von Andrea Zittels Prototypen für Billboards - ähnlich wie Architekt und Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe sowie auch Sonia Delaunay (1885 Odessa - 1979 Paris), deren gattungsüberschreitende Kunst parallel in Haus Lange gezeigt wird. „Nach der Zusammenarbeit mit Andrea Zittel am Gartenhaus von Haus Esters freut es mich, dass die Künstlerin nun ihr bereits damals bestehendes, großes Interesse an den Mies-Architekturen in ein Ausstellungsprojekt fließen lassen kann," erklärt Direktorin Katia Baudin. Im Rahmen der Bauhaus-Jubiläumsausstellung Anders Wohnen 2019 entstand auf Einladung von Katia Baudin eine ortspezifische Installation für das Hellerau-Sommerhaus, die in 2022 erweitert wurde und nun permanent den Skulpturengarten bereichert.

n der Ausstellung in Haus Esters treffen Andrea Zittels geometrische Flächen auf die geometrische Architektur der 1920er Jahre, Mies van der Rohes gebaute Utopie von einem modernen, freien Leben.

Die menschengemachte Welt begreift Zittel als zusammengesetzt aus Panels. Panels sind beispielsweise ein Bett, eine Bushaltestelle oder ein Grundstück. Horizontale Flächen binden als „energetic accumulators" praktische, soziale Energie (Tische, Bänke, Straßen), vertikale strukturieren den Raum oder vermitteln als „ideological resonators" (Wände, Werbetafeln) Informationen. „Zittel ergründet mit ihrer konzeptuellen wie experimentellen Praxis grundlegende menschliche Eigenheiten mitten im Leben. Sie hat angesichts aktueller sozialer und ökologischer Fragen, insbesondere um den Umgang mit Informationen und Materialien eine besondere Relevanz" erklärt Kuratorin Juliane Duft.

Andrea Zittels installative Ausstellung mit ihren reduzierten Form-Konfigurationen bildet eine konzentrierte Reflexionsfläche für die abstrakten Gestaltungen unserer heutigen Lebenswelt. Die internationalen Leihgaben seit den 1990er Jahren reichen von Grafiken, Kleidung, Teppichen bis zu Möbel-Skulpturen. Mit ihnen und auf die Räume zugeschnittenen, neuen Installationen richtet Zittel Haus Esters mit ihren Flächen und Mustern ein. Viele ihrer Arbeiten, insbesondere ihre jüngeren Skulpturen sind ähnlich wie die Mies-Häuser geometrisch -abstrakt und funktional zugleich und loten private Zonen gegenüber sozialen, öffentlichen Räumen aus.

Andrea Zittel (*1965, Escondido, CA, USA) erwarb einen MFA in Skulptur der Rhode Island School of Design und einen BFA mit Auszeichnung der San Diego State University. Ihr Werk umfasst Skulptur, Zeichnung, Malerei, Video und Textilien und wurde in zahlreichen Einzelausstellungen gezeigt, u.a. Purnell Center for the Arts, Pittsburgh (2020), Schaulager Basel (2008), New Museum of Contemporary Art, New York (2005), Deichtorhallen, Hamburg (1999) und Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek (1996). Gruppenausstellungen und Projekte im öffentlichen Raum sind die 16. Istanbul Biennale (2019), Whitney Biennale, New York (2004, 1995), Documenta X, Kassel (1997), Skulptur Projekte Münster (1997) und 45. Biennale Venedig (1993). 2019-2022 hat Zittel bereits eine permanente Installation für das Gartenhaus im Skulpturengarten von Haus Lange Haus Esters geschaffen.

Personal Patterns ist Teil der Ausstellungsreihe HLHE Dialog, bei der im Herbst 2022 unter dem Leitmotiv Abstraktion Leben Sonia Delaunay und Andrea Zittel miteinander in Bezug gesetzt werden. Laut Museumsdirektorin Katia Baudin, die die Duo-Ausstellung initiiert hat, „dienen die benachbarten modernen Villen von Mies van der Rohe als idealer Schauplatz und Katalysator für die fruchtbare Begegnung von zwei visionären weiblichen künstlerischen Positionen, die danach streben, die Barrieren zwischen Kunst und Alltag zu überwinden, indem sie die Sprache der Abstraktion nutzen, um gesellschaftliche Veränderungen zu untersuchen und darauf zu reagieren."