Heidrun Sandbichler hat in den letzten Jahrzehnten ein konzentriertes Oeuvre geschaffen, das poetisch und berührend zugleich die Verletzungen des Einzelnen ebenso wie die kollektiven Wunden der Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Dabei ist ihre politisch engagierte Arbeit stets leise; sie deutet an, schreit nicht, und entspringt einer ästhetischen Haltung, die jenseits von plakativen Aussagen steht.
Heidrun Sandbichlers Werke handeln von Disziplinierung und Strafe, von Krieg, Migration und Vertreibung ebenso wie von der Hoffnung und den Möglichkeiten der Heilung, die der Kunst innewohnen. Sie erzählen keine Geschichten; die zeitliche Komponente vollzieht sich nicht in der Narration, sondern in der konzeptuellen Ausdehnung der Zeit, die benötigt wird, um sie zu begreifen.
Formal sind ihre Arbeiten auf ein Minimum reduziert; ein wesentliches Merkmal ist das Material, aus dem sie geschaffen sind. So verwendet Heidrun Sandbichler zum Beispiel oft eine Tinte nicht nur zum Zeichnen, sondern auch als Objekt. Tiefschwarz verweist sie damit auf Leben und Tod, lässt Assoziationen mit Blut und Lava aufkommen und markiert die schmerzhafte Schwelle, an der ihre Kunst (ent)steht.
Die Beschäftigung mit der Villa Stuck als Gesamtkunstwerk hat sie zu einer neuen Arbeit inspiriert, die Athanasius Kirchers „Mundus Subterraneus“ (Amsterdam 1665) mit seinen vulkanischen Strömen im Erdinneren nachempfunden ist. Maßstabsgetreu steht im Raum ein Netz von Seen und Strömen, die mit flüssiger Tinte befüllt sind, als Pendant zum Himmelsgewölbe des Musiksalons. Und wenn Maulwürfshügel aus Bronze den harmonisch antikisierend angelegten Künstlergarten Franz von Stucks zieren, können unterirdische Gänge vermutet werden, die die Villa Stuck zu einem kafkaesken „Bau“ erklären.
Die österreichische Künstlerin (*1970) lebt und arbeitet in Rom. Ihre Werke hat sie unter anderem im Centro Luigi Pecci in Prato, im Ex Carcere Minorile im Complesso Monumentale a Ripa Grande in Rom, in der Galleria il museo del louvre in Rom, im Schloß Ambras und im Ferdinandeum in Innsbruck ausgestellt. Sandbichler erhielt 2016 den Innsbruck International Special Recognition Award und war mit mehreren zentralen Arbeiten bei der dortigen International Biennial of the Arts vertreten. 2020 erhielt sie den Preis für Zeitgenössische Kunst des Landes Tirol 2020.
Das Museum VILLA STUCK zeigt die erste Einzelausstellung von Heidrun Sandbichler in Deutschland.
Zur Ausstellung erscheint bei Steidl Verlag eine umfassende Monografie, herausgegeben von Michael Buhrs und Helena Pereña, mit Textbeiträgen von Giorgio Agamben, Christoph Maria Bertsch, Michael Buhrs, Giulia Dallapiccola, Rosanna Dematté, Dario Gentili, Philine Helas, Thomas Müller, Helena Pereña und Konrad Scheurmann. Die Texte aus unterschiedlichen Wissensgebieten eröffnen neue Perspektiven auf zentrale Themen im Werk von Heidrun Sandbichler: Mittelalterliche Buchmalerei, die Geschichte der Tinte, Theorien historischer Disziplinierung und Überwachung ebenso wie philosophische Aspekte.
Buchgestaltung von Kurt Höretzeder und Thomas Schrott, 208 Seiten, 210 x 297 mm, 120 Abbildungen, Druck Schweizer Broschur mit offener Fadenheftung, ISBN 978-3-96999-277-7.
Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag (Feiertage) 11:00 - 18:00 Uhr
Abendöffnung »FRIDAY LATE«, erster Freitag im Monat 18:00 - 22:00 Uhr (Eintritt frei)
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: villastuck.de