Ausgangspunkt der Fotoraum-Präsentation ist die Arbeit Master Rituals II: Weston Nudes von Tarrah Krajnak (*1979 in Lima, Peru, lebt in Los Angeles, USA). In der achtzehnteiligen Serie von 2020/2021 stellt die Künstlerin weibliche Akte nach, die der nordamerikanische Fotograf Edward Weston ab 1927 aufnahm und die nach seinem Tod 1977 publiziert wurden. Krajnak zeigt sich in ihrem Werk als Fotografin und Modell in einem. Ihre Aneignung von Westons Fotografien verweist auf das traditionelle hierarchische Verhältnis von Künstler*in und Modell, in dem der Anteil des als passiv vorgestellten Modells ausgeblendet wird. Darüber hinaus zielt ihr performativer und fotografischer Akt auf den Kanon westlicher Fotografie, der geprägt ist von einer weißen Vorstellung idealer Weiblichkeit.

VALIE EXPORT (*1940 Linz, Österreich, lebt in Wien, Österreich) ist mit Fotografien aus ihrer Serie Körperkonfigurationen von 1976 vertreten. Eine Frau in Alltagskleidung ist in verschiedenen Haltungen in die architektonischen Formen des Wiener Burgtheaters integriert. Die Passivität ihrer jeweiligen Positionierung wird von den Titeln der einzelnen Aufnahmen widergespiegelt: Der Körper der Frau wird einem herrschaftlichen Repräsentationsgebäude aus dem 19. Jahrhundert eingepasst. In dieser Zeit bildete sich die bürgerliche Vorstellung von Geschlechtscharakteren heraus, denen entsprechend der Privatraum als Ort der Reproduktion weiblich und der öffentliche Raum als Ort der Produktion männlich besetzt ist.

Sanja Ivekovic (1949 Zagreb, Jugoslawien, lebt in Zagreb, Kroatien) beschäftigte sich vor dem Zerfall Jugoslawiens mit dem widersprüchlichen Frauenbild des Regimes. In der Serie Sweet Life von 1975–1976 verknüpft sie voyeuristische Schnappschüsse aus Boulevardblättern mit privaten Aufnahmen ihrer selbst, die durch ihre Ähnlichkeit den Eindruck einer inhaltlichen Verbindung entstehen lassen. Begleitet werden sie von Ausschnitten aus Schlagzeilen wie „insieme al ‚night‘“ (die ganze Nacht zusammen), „skandalozna“ (skandalös) oder „Popularni iza pozornice“ (Beliebt hinter den Kulissen). Deren Anzüglichkeit geht auf die Trennung von privatem und öffentlichem Bereich in der bürgerlichen Gesellschaft um 1900 zurück, in der die Frau auf das Private verwiesen war.

Die Fotoreihe Untitled (Facial Hair Transplants) von Ana Mendieta (*1948 in Havanna, Kuba, gest. 1985 in New York, USA) dokumentiert eine Performance, in der sie sich Barthaare anklebt. Sie entstand 1972 als Abschlussarbeit für Mendietas Malereistudium an der University of Iowa. In diesem Jahr begann sie, ihren eigenen Körper einzusetzen und dabei Materialien wie Blut, Federn, Steine, Blumen und Rauch zu verwenden.

In ihrer Serie Nicht Manets Typ von 1997 zeigt sich die Künstlerin Carrie Mae Weems (*1953 Portland, Oregon, USA, lebt in Syracuse, NY, USA) über den Umweg eines Schminkspiegels in verschiedenen Körperhaltungen, unter anderem als Aktmodell. In ihrem begleitenden Text stellt Weems mit beißendem Spott fest, dass moderne europäische Maler keine Schwarzen Frauen als Modelle wählten, ihre Schönheit wurde ausgeschlossen. Dabei thematisiert sie die Verunsicherung, aus welchem Blickwinkel sie sich dem Thema nähern soll: als Künstlerin oder als Modell? Auf der Ebene der Betrachtung kehrt sie die Verunsicherung um: Der Spiegel rahmt die intime Szene und überführt die Betrachter*innen des Voyeurismus.

Allen ausgewählten Werken, die über einen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren zwischen 1972 und 2021 entstanden sind, ist gemeinsam, dass der eigene Körper performativ und fotografisch in das Werk eingebracht wird. Mit dem Körper als Medium untersuchen die Künstlerinnen die in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld wirksamen Machtformationen und machen diese sichtbar.