Fevronia Pelechok wurde 1911 in Loujok-Gorichny geboren, einem kleinen Dorf in der Ukraine. Acht Jahre alt wurde sie im polnisch-ukrainischen Krieg nach Krakau verschleppt, 1941 nach Berlin deportiert. Dort musste sie in einem Gefängnis der SS als Putzfrau arbeiten. Im Bombenhagel der letzten Kriegstage floh sie nach Frankreich. Sie heiratete einen Fremdenlegionär und arbeitete als Küchenhilfe und Putzfrau in verschiedenen Großstädten, zuletzt in Paris, in der Galerie von Antoinette Appert.

Schwere Träume von Erdbeben, Bodenlosigkeit, Weltuntergang, Sintflut, sie selber von Wassermassen mitgerissen, an einen Baumstamm geklammert, um nicht zu ertrinken, wilde, feuerspeiende Ungeheuer am Himmel, - dann Errettung durch Engel und  Heilige, die aus den Wolken schwebten, Kirchentüren öffneten. Erlöst sah sie sich vor einem Priester niederknien.

Diese nächtlichen Bilder mussten gemalt werden. Im Laufe der Jahre flocht sie ihre Kindheit ein, das Dorf in Galizien, die Erzählungen aus alten Zeiten, von Zaren, Kosaken, Popen, Mönchen, Bräuten, Prinzessinnen, kleinen Kindern. Alles findet Platz in ihren Bildern, in denen sich ein Kosmos entfaltet. Sage, Geschichte und persönliches Schicksal sind miteinander verknüpft.

Natálie Maslikova wurde 1895 als  zwölftes Kind ihrer Eltern in Dobrinka in Zentralrussland geboren. Sie war elf Jahre alt, als die Familie mit Pferd und Wagen nach Sibirien aufbrach um dort zu siedeln. Nach zehn Jahren harter Arbeit in Eiseskälte starb der Vater, die Mutter zog mit den noch lebenden Kindern zurück in die alte Heimat. Natálie wurde Kindermädchen bei wohlhabenden Familien am Schwarzen Meer. In Prokurowka lernte sie den böhmischen Kriegsgefangenen Hugo Schmidt kennen, sie heiratete und zog mit ihm in seine Heimat, die Tschechoslowakei.   

Als sie bei Tochter Milada Drucke von zeitgenössischen Kunstwerken sah, malte sie 1944 ein erstes Aquarell auf Papier. 1946 wurden ihre Bilder in Prag gezeigt, im Kunstverein auf der Moldauinsel unter dem Hradschin. 1947 widmete Pierre Loeb in seiner  Galerie in der Rue Bonaparte in Paris ihr eine erste Einzelausstellung.

Egon Hassbecker hatte 1968 auf der Buchmesse in Frankfurt ein Buch über Naive Kunst entdeckt. Ein tanzender Pandur von Natálie Schmidtová war in das Leinen des Buchdeckels geprägt, den Umschlag  zierte der Dudelsackpfeifer dazu. In seinen Lebenserinnerungen hat er seine Begegnungen mit Natálie Schmidtová beschrieben, die sommerlichen Tage mit Sohn Johannes in ihrem Holzhaus in den Böhmisch-Mährischen Höhen.

Natálie Schmidtová und Fevronia Soudia haben Lesen und Schreiben nicht gelernt. Ob ihnen der Ausdruck in den Sprachen ihrer neuen Heimat zufriedenstellend gelang, wissen wir nicht. In ihren Bildern haben sie die  Welten ihrer Kindheit und Jugend  kunstvoll mit dem Leben in der Fremde verwoben. 

Sie haben ihre Stimme erhoben,  haben ihr Leben gefeiert mit ihrem ganz persönlichen eigenen Lied, mit eigener Melodie -  eins mit sich und der Welt. 
(Barbara Schulz)


Öffnungszeiten:
Montag - Freitag: 11:00 - 17:00 Uhr
Samstag: 12:00 - 16:00 Uhr
Sonntag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: cajeth.de

Fevronia Soudia, Revolution, 1979
24.02. - 10.06.2023

Im Osten geht die Sonne auf

Museum Haus Cajeth

Haspelgasse 12
69117 Heidelberg