Ein intensives, flächendeckendes Blau, getrennt von Reiskörnern,  die sich diagonal durch das Bild schlängeln. Erst auf den zweiten Blick offenbart das Bild seine Symbolik, die so tief ist wie das Indigoblau der Cyanotopie. Zum einen ist die Verwendung dieser fotografischen Technik eine Referenz auf die Anfänge der Fotografie im 19. Jahrhundert, zum anderen verweist das Motiv des Korns als Sinnbild für Natur und Nahrung auf die Hungersnot in Bengalen (heute Bangladesch) im Jahr 1943 – verursacht durch die Getreidehortung britischer Kolonialtruppen sowie den massenhaften Anbau der begehrten Indigopflanze für den Export. 

Welche Folgen systematische und profitorientierte Eingriffe des Menschen in bestehende Ökosysteme haben, gehört zu einer der vielen drängenden Fragen, die uns heute beschäftigen. Überflutete Täler und Küsten, verwüstete Landschaften, ausgetrocknete Felder, schmelzende Gletscher, zerstörte Häuser – Bilder von den Auswirkungen der Klimakrise erreichen uns täglich und dennoch bleibt sie auf seltsame Weise unfassbar und vermeintlich von menschlichem Handeln entkoppelt. 

Angesichts des wachsenden Bewusstseins, dass die Erfindung der Fotografie mit der Industrialisierung, dem fossilen Kapitalismus und somit auch mit dem Beginn des Klimawandels zusammenfiel, suchen immer mehr Fotograf:innen nach neuen, kritischen Wegen im Umgang mit den klimaschädlichen Folgen eines globalen, technischen undkapitalistischen Systems. Dabei steht jedoch nicht die Dokumentation der Klimazerstörung im Fokus, sondern vielmehr ihre Ursachen und komplexen Zusammenhänge. Dabei sind die Bedingungen der Bildproduktion selbst Gegenstand einer kritischen Betrachtung.  Durch ihr Netzwerk von Verbrauch, Arbeit, Energie, Material und Transport ist die Fotografie, analog und digital, selbst Teil des ökologischen Problems.

Die Gruppenausstellung Image Ecology präsentiert einen globalen Querschnitt zwölf neuartiger künstlerischer Ansätze in Form von Fotografien, Videoarbeiten und Installationen. Die Künstler:innen arbeiten dabei mit experimentellen und handwerklichen Produktionsmethoden, greifen auf historische Verfahren zurück oder erfinden neue Technologien. In vier Kapitel gegliedert, die sich thematisch überschneiden, stellt die Ausstellung die Stadien des Stoffwechselkreislaufs dar: EnergieMaterialArbeit und Abfall, um  dann wieder zum Anfang, der Energie, zurückzukehren. 

So lassen sich neben Cyanotopien (Material) beispielsweise Naturdrucke finden, die sich auf Basis pflanzlicher Emulsion im Laufe der Zeit und unter direktem Lichteinfluss ohne Rückstände zersetzen (Energie), eine Videoarbeit über Lieferketten des globalen kapitalistischen Konsums und die anhaltende koloniale Ausbeutung von Ressourcen und Arbeitskräften in D.R. Kongo (Arbeit) oder Fotografien, dessen Negative in einem durch menschliche Bergbautätigkeit rot gefärbten und sauer gewordenen Fluss entwickelt wurden (Abfall).

Entgegen der Annahme eines vermeintlichen Dualismus von Natur und Kultur verdeutlicht die Ausstellung Image Ecology die Verbundenheit und Abhängigkeit allen menschlichen und nicht-menschlichen Lebens auf globaler Ebene. Wie kann eine Welt unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten gerechter gestaltet werden? Die Ausstellung bietet Perspektiven für menschliches Handeln und transnationale Solidarität und eröffnet Möglichkeiten einer zukunftsweisenden, ökologischen Bildpraxis.

Die Ausstellung Image Ecology wurde von Boaz Levin (Gastkurator)  und Dr. Kathrin Schönegg kuratiert. Zur Ausstellung erscheint eine gleichnamige Publikation bei Spector Books. 

Mit Werken von Tuur Van Balen & Revital Cohen; Julian Charrière; Carolina Caycedo; Tristan Duke; Richard Frater; Léa Habourdin; Coline Jourdan; Susanne Kriemann; Ignacio Acosta, Louise Purbrick & Xavier Ribas; Su Yu Hsin; Munem Wasif und Tobias Zielony.

Die Ausstellung Image Ecology bildet den thematischen Auftakt für die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Themen Natur und Ökologie in der zeitgenössischen künstlerischen Fotografie innerhalb des Ausstellungsprogramms von C/O Berlin.