ie Kunsthistorikerin und langjährige stellvertretende Generaldirektorin der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Carla Schulz-Hoffmann prägte ironisch den Begriff des Alleskönners für den Sammler, Künstler und Autor Lothar-Günther Buchheim. Die neue Schau im Buchheim Museum ab 3.12.2022 greift dieses Bonmot auf und nimmt die Lebensleistung Buchheims kritisch unter die Lupe. Wie sehr war er in den NS-Propaganda-Apparat verstrickt? Wie weit distanziert er sich nach dem Krieg davon? Wie eigenständig ist sein eigenes künstlerisches Schaffen? Und wie hoch ist seine Rolle als Sammler und Autor kunsthistorischer Texte zu bewerten?
Die Ausstellung versteht sich auch als ‚Work in Progress‘-Projekt: Einem Adventskalender gleich, tritt zunächst ab 3.12. Buchheims malerisches Werk in Dialog mit seiner Sammlung. Nach und nach kommen seine Texte und zuletzt Buchheims grafische Arbeiten hinzu. Zudem gibt die neue Ausstellung Einblicke in die Forschungsergebnisse der Provenienzforschung des Museums.
Bernried am Starnberger See. Seine Energie hätte für drei Leben gereicht. Lothar-Günther Buchheim (1918-2007) war, neben einigem anderen, Künstler, Sammler und Autor, und in jedem dieser drei Bereiche war er höchst erfolgreich. Seine künstlerische Laufbahn begann früh. Als 14-jähriger Wunderknabe erlangte er durch Stadtveduten und Illustrationen Aufmerksamkeit. Als Kunststudent begann er eine Karriere in der Propagandakompanie der Marine, wo er sich als Wort- und Bildberichterstatter einen Namen machte. Er zeichnete und fotografierte die Heroen der Marine, schrieb Reportagen für die NS-Propagandapresse und gehörte zu den bestvertretenen Künstlern auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München. Nebenbei schuf er ein malerisches Werk. Nach dem Krieg reüssierte er zunächst als Kunsthändler und Verleger, bis er dann auch als Autor in Erscheinung trat.
In einem Akt »tätiger Reue« widmete er sich der in der NS-Zeit als »entartet« gebrandmarkten klassischen Moderne, insbesondere den deutschen Expressionisten. Seine kunsthistorischen Bücher zu »Brücke«, »Blauer Reiter«, Max Beckmann und Pablo Picasso entwickelten sich zu Standardwerken.
Ab 1981 erfuhr seine Expressionisten-Sammlung Weltgeltung. Eine Ausstellungstournee führte sie durch Westeuropa, Russland, Israel, Japan und Amerika. 1998 feierte sie im Münchner Haus der Kunst einen spektakulären Erfolg, bevor sie 2001 im Buchheim Museum ihr Zuhause fand. Über all die Jahre ließen Buchheim die Schrecken des Krieges nicht los. Mit seinem 1973 erschienenen autobiografischen Roman »Das Boot« thematisiert er die Traumata des U-Boot-Krieges. Der Titel wurde zum Weltbestseller und bildete die Grundlage für den gleichnamigen Kinohit.
Zu vielen Aspekten dieses komplexen Lebens gab es bereits Ausstellungen im Buchheim Museum. Die nun startende große Präsentation zeigt erstmals, wie sich all dies zu einem von Brüchen und Kontinuitäten geprägten Lebenswerk fügt: die NS-Propagandabilder des Künstlers, die Texte des Autors von Reportagen, Romanen und kunsthistorischen Büchern sowie die Gemälde seiner Expressionisten-Sammlung. Die Ausstellung gibt auch Einblick in die Ergebnisse der Provenienzforschung des Museums anhand ausgewählter Beispielswerke.
Am Hirschgarten 1
82347 Bernried am Starnberger See