Sir Isaac Julien, RA* zeigt im Mönchehaus zwei Filme, die im Abstand von dreißig Jahren entstanden sind, sowie eine Reihe von beeindruckenden Fotoarbeiten, die auf diesen Werken basieren. Der Film Looking for Langston von 1989 ist das erste Werk, mit dem Julien internationale Aufmerksamkeit erlangt hat. Er ist dem Dichter Langston Hughes (1901-1967) gewidmet, dessen Gedicht I, Too (Sing to America) zum Slogan der Bürgerrechtsbewegung wurde. Langston Hughes spielte zudem eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Harlem Renaissance, einer sozialen, kulturellen und künstlerischen Bewegung afroamerikanischer Künstler und Schriftsteller im New York der 1920er Jahre. 

In Looking for Langston tritt eine internationale schwarze Homosexuellengemeinschaft mit großer Eleganz und Schönheit auf, die sich des glamourösen Stils des alten Hollywood-Schwarz-Weiß-Kinos bedient. Immer wieder zeigt der Künstler eine mondäne Nachtclub-szene, in der attraktive junge Männer - Schwarze und Weiße - miteinander tanzen, bis dieses freigeistige und idyllische Miteinander von einer rechtsgerichteten Schlägerbande und der Polizei brutal beendet wird, was damit endet, dass ein Engel die Menge auslacht.

Dreißig Jahre später, im Jahr 2019, drehte Isaac Julien seinen Film Lessons of the Hour: Frederick Douglass, der ebenfalls in Goslar gezeigt wird. Lessons of the Hour ist inspiriert von Episoden aus dem Leben des Freiheitskämpfers Frederick Douglass (1818-1895). Der Film zeigt Douglass als eine der stärksten Stimmen und Visionäre des 19. Jahrhunderts - von seiner Forderung nach Abschaffung der Sklaverei bis hin zu seiner ästhetischen Theorie der Fotografie - und demonstriert, wie seine pointierten Analysen bis heute nachwirken.

In Lessons of the Hour spielt der Schauspieler Ray Fearon von der Royal Shakespeare Company den jungen Douglass zwischen 1845 und 1847, einer Zeit, in der er durch England, Schottland und Irland reiste und mehr als 300 Vorträge hielt, als Kämpfer um Gleichberechtigung, als Weltbürger und Pionier in der Geschichte der Bürgerrechte.

Juliens Film, der an Orten in Edinburgh, London und Washington D.C. gedreht wurde, enthält Auszüge aus drei Reden, die Douglass nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten hielt:  What to the Slave Is the Fourth of July? (1852), Lecture on Pictures (1861) und Lessons of the Hour (1893). In seiner letzten Rede Lessons of the Hour sprach er über Lynchjustiz, das Wahlrecht und Vermächtnisse der Kolonialisierung im amerika-nischen Süden nach dem Bürgerkrieg. Auf der Grundlage von Archivquellen, Briefen und Schriften rekonstruiert der Film Lessons of the Hour Aspekte der Geschichte der Abolitionisten, der Suffragettenbewegung und der Erfindung des Filmes selbst.

Julien widmet den Frauen, die für Douglass' Leben und Wirken entscheidend waren, besondere Aufmerksamkeit. Anna Murray Douglass, die bis zu ihrem Tod (1882) 44 Jahre lang seine Frau war; Helen Pitts Douglass, eine Mount Holyoke-Absolventin, die er nach Annas Tod heiratete; die Suffragette und Freundin Susan B. Anthony; Ottilie Assing, seine deutsche Übersetzerin, und Ellen und Anna Richardson, britische Quäker, die das Geld aufbrachten, um Douglass' Freiheit zu erkaufen.

Lessons of the Hour kombiniert Tableaux vivants - die Douglass mit Schlüsselfiguren aus seinem öffentlichen und privaten Leben vorstellen - mit montiertem Filmmaterial aus jüngerer Zeit. Julien beschreibt seinen Ansatz als "eine Inszenierung der Geschichte durch eine zeitgenössische Linse" und unterstreicht mit seinem kraftvollen und fesselnden Porträt die anhaltende Relevanz und Dringlichkeit von Douglass' Worten in der heutigen Zeit.

Isaac Julien
Isaac Julien, KBE RA*, wurde 1960 in London geboren. Er lebt und arbeitet in London und Santa Cruz (USA), wo er eine Professur innehat und das Isaac Julien Lab leitet. 1984 schloss er ein Film- und Malereistudium an der renommierten St. Martin's School of Art ab. Während dieser Zeit wurde er Mitbegründer des Sankofa Film and Video Collective, an dem Isaac Julien von 1983 bis 1992 aktiv beteiligt war. Das Künstler-Film-Kollektiv war als Reaktion auf die sozialen Unruhen in Großbritannien in den frühen 1980er Jahren gegründet worden, um sich auf die Erforschung der Schwarzen Identität innerhalb einer unabhängigen Filmkultur der Schwarzen Diaspora zu konzentrieren - ein Thema, das den Künstler, der zahlreiche Preise und Ehrungen erhalten hat, bis heute in seinem Werk beschäftigt. Er hat seine Film- und Fotoarbeiten in einer einzigartigen und unverwechsel-baren Bildsprache geschaffen, die ebenso poetisch wie politisch ist. 

*Royal Academician
*Knight of the British Empire und Royal Academician


Zur Ausstellung ist ein Katalog mit der Laudatio von Wulf Herzogenrath erschienen (Text: deutsch/englisch, 64 Seiten, broschürt, Schutzumschlag; Euro 25,-)