Das Museum für Architekturzeichnung wurde im Juni 2013 auf dem Pfefferbergareal in Berlin-Mitte eröffnet. Zum 10-jährigen Jubiläum des Hauses stellt eine Ausstellung die Sammlungsttäigkeit in den Mittelpunkt und präsentiert unter dem Titel ArchiVision Architekturzeichnungen aus eigenen Beständen. Rund 120 Werke aus den Sammlungen der Tchoban Foundation und ihres Stifters Sergei Tchoban sollen die scheinbar unbegrenzten künstlerischen Möglichkeiten der Architekturdarstellung begreifbar machen.

Architektur auf Papier hat eine eigenständige Position innerhalb der grafischen Künste inne, unabhängig davon, ob sie im Dienst realisierter oder nicht realisierter Bauwerke steht. Das Ausstellungskonzept nimmt darauf Bezug und ordnet die Exponate in fünf zeitübergreifende Themenbereiche, denen jeweils eine spezielle Fragestellung zugeordnet ist. Im ersten Ausstellungsteil wird die Skizze in den Blick genommen, mithilfe derer Architekten erste Gedanken auf dem Papier fixieren. Die Wirkung einer Skizze ist abhägig von der gewählten Zeichentechnik, die persönliche „Handschrift“ der Künstler kommt hier am unmittelbarsten zum Ausdruck. Ausgewählt wurden Skizzen von Ferdinando Galli-Bibiena, Pietro di Gottardo Gonzaga, Hans Poelzig und Ben van Berkel. Im zweiten Abschnitt stehen Türme und Hochhäuser als bedeutende Ausdrucksformen des visionären Architekturentwurfs im Fokus. Werke von Louis-Jean Desprez, Jean Laurent Legeay, Hugh Ferris, Thomas W. Schaller und Gottfried Müller spiegeln die unterschiedlichen Formen und Bedeutungen des Hochhauses innerhalb der Stadtgestalt wider. Die Besonderheit der Architekturzeichnung liegt auch darin, dass sie Wirklichkeiten vortäuschen kann. So werden im dritten Teil der Ausstellung Darstellungen von Stadt- und Wohnwelten vorgestellt, zu denen auch das Phänomen der Vedute gehört. Hier kommen die Perspektive und ihre Wirkmomente zum Tragen, die besonders deutlich werden in Arbeiten von Hubert Robert, Peter Cook, Zaha Hadid, Peter Wilson, Zvi Hecker und Moon Hoon. Die vierte Gruppe widmet sich bautechnischen Utopien auf dem Papier. Dabei stellt sich die Frage nicht nach den Realisierungs-, sondern nach den darstellerischen Absichten der Entwerfer. Ennemond Alexandre Petitot, Jakow Tschernichow, Daniel Libeskind und Alexander Brodsky setzten sich mit fantasievollen Konstruktionsformen auseinander. Der letzte Ausstellungsteil beleuchtet große zeichnerische Ideen der Baukünstler, die man mit dem Begriff „Welttheater“ fassen möchte. Es sind zur Realisierung vorgesehene Entwürfe ausgestellt, wie die von Jean-Francois Thomas de Thomon, Haus-Rucker-Co und Mikkel Frost, aber auch reine Fantasien von Paul Decker dem älteren und Charles-Louis Clérisseau. In dieses Genre gehören ebenfalls Entwürfe für barocke Festarchitekturen, etwa aus der Feder von Carlo Marchionni, und vor allem Bühnenbilder der Perspektivkünstler Karl Blechen, Paolo Martellotti und Ezio Frigerio. Das Ende der Ausstellung und damit auch die Frage, die sich mit den Grenzen der Darstellbarkeit von Architektur befasst, markieren Zeichnungen von Alexander Rodtschenko und Kirill Chelushkin.

Diese Ausstellung zum 10-jährigen Jubiläum des Museums für Architekturzeichnung bietet den Neugierigen alles, was Architekturzeichnung ausmachen kann: von der Skizze über die Konstruktions- und Schauzeichnung bis hin zur reinen Fantasie, die in der Unfassbarkeit der abstrakten Form ihr Finale findet.

Die Ausstellung wurde von Dr. Eva-Maria Barkhofen (Architekturhistorikerin und öffentlich bestellte Sachverständige für architekturbezogene Kunst) kuratiert.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.