Die Ausstellung "Der Welt Lauf" widmet sich der künstlerischen Tiefenstruktur und geistesgeschichtlichen Dimension des monumentalen Panoramagemäldes von Werner Tübke – einem Schlüsselwerk der zeitgenössischen Kunst mit weltgeschichtlicher Perspektive. Auf einer Fläche von 1.722 Quadratmetern entfaltet Tübke in seinem Gemälde ein historisches Panorama, das über den deutschen Bauernkrieg hinausreicht und Fragen nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Glauben und gesellschaftlicher Ordnung aufwirft.

Im Zentrum der Ausstellung steht das Prinzip „Ad fontes“ – „(Zurück) Zu den Quellen“, das ursprünglich aus dem Humanismus der Renaissance stammt und einen Akt kultureller Aneignung und Transformation darstellt. In der bildenden Kunst bedeutet dieses Prinzip, dass Künstler nicht auf spätere Deutungen oder Bearbeitungen von Motiven zurückgreifen, sondern sich direkt mit den ursprünglichen Quellen ihrer Zeit oder früherer Epochen auseinandersetzen – etwa mit historischen Bildzeugnissen, Originaltexten oder Artefakten. So hat auch Tübke in jahrelanger Recherche auf authentische Bildzeugnisse vorwiegend der Epoche vom Spätmittelalter zur Neuzeit zurückgegriffen – Einblattholzschnitte, Flugschriften, Buchillustrationen und Werke wie z.B. Petrarcas Trostspiegel – und diese in eine eigenständige Bildsprache übersetzt. Es entsteht dabei keine historische Illustration, sondern eine vielschichtige, subjektive Bildfindung, die Geschichte und Kunst miteinander verschränkt. Das Panoramagemälde ist letztlich „Kunst über Kunst“ (Gerd Lindner, Kurator der Ausstellung und Direktor des Panorama Museums).

Präsentiert werden neben dem Monumentalgemälde 128 Exponate aus dem 14. bis 19. Jahrhundert, wobei der überwiegende Anteil der Werke aus dem frühen 16. Jahrhundert stammt. Zu sehen sein werden 66 Originale (Einblattholzschnitte, Bücher, Kupferstiche), 44 Faksimiles (von nicht ausleihbaren Pergamenten und Buchseiten) sowie 18 Reproduktionen von Fresken, Bildern in Kirchen, Plastiken oder aber derart wertvollen Kunstwerken, die nicht mehr ausleihbar sind. Bedeutende Namen finden sich in der Ausstellung wieder: Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä., Albrecht Altdorfer, Francesco Petrarca, die Brüder Barthel und Sebald Beham, Matthias Grünewald, Pieter Brueghel d. Ä. u.a.

Die Schau gliedert sich in sechs thematische Kapitel, die den kompositorischen Aufbau des Panoramagemäldes aufgreifen:

- Sündenspiegel – Krise in Kirche, Gesellschaft und Moral
- Freiheit – Aufruhr, Endzeit und Entscheidungsschlach
- Zu ewiger Gedächtnis – Leitbilder der Neuzeit
- Gerechtigkeit – Ständeordnung, Gerichtsbarkeit, Ketzerei
- Widerstreit – Konfessionelle Konflikte und gesellschaftlicher Wandel-
- Erkenntnis – Mensch und Welt zwischen Anfang und Ende

Die Ausstellung „Der Welt Lauf“ versteht sich als Beitrag zum vertiefenden Verständnis des Panoramagemäldes und seiner Epoche – zwischen Humanismus, Reformation, Bauernkrieg und gesellschaftlichem Umbruch. Sie verdeutlicht den historischen und künstlerischen Stellenwert von Tübkes Werk und macht zugleich sichtbar, wie historische Bilderzeugung selbst zu einer Form der Erkenntnis wird.