„Der zweite Blick“ ist eine neue Ausstellungsreihe, die sich anhandaktueller gesellschaftsrelevanter Themen mit der Dauerausstellung des Bode-Museums auseinandersetzt. Besucher*innen werden auf thematischen Routen angeregt, die Kunstschätze der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst neu und anders zu entdecken. „Spielarten der Liebe“, der erste Teil der Reihe, wirft einen zweiten Blick auf Werke, die sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten befassen.
Das Bode-Museum ist mit seinen bedeutenden Skulpturbeständen vor allem ein Museum des Menschen – keine andere Kunstgattung bildet ihn in seiner physischen Erscheinung, seiner körperlichen Präsenz und seinem individuellen Aussehen so charakteristisch ab. Die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst umfassen 1.500 Jahre europäischer Kunst- und Kulturgeschichte und eignen sich daher besonders für eine Reihe wie „Der zweite Blick“, die menschliche Identitäten und ihre bildnerische Darstellung thematisiert.
„Spielarten der Liebe“, der erste in Kooperation mit dem Schwulen Museum entwickelte Teil der Reihe, ermöglicht einen zweiten Blick auf Sammlungswerke, die sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten, ihrer Wahrnehmung, Bewertung und künstlerischen Verarbeitung befassen. Fünf thematische, das Bode-Museum umspannende Routen zeigen, dass aktuelle LGBTQI*-Themen in der Kunstgeschichte stets präsent waren, wenngleich sie oftmals übersehen oder ignoriert wurden, und dass mit sexuellen Identitäten in verschiedenen Epochen und gesellschaftlichen Kontexten unterschiedlich umgegangen wurde.
Die erste Route spürt den Grenzen zwischen Männlichkeit, Heldentum und Bisexualität nach. Der Kriegsgott Mars galt in der Antike als das wichtigste Vorbild für Männlichkeit. Seine Ehe mit der schönsten aller Göttinnen hielt Mars allerdings nicht davon ab, zahlreiche Affären mit sterblichen Männern einzugehen. Auch bei der Darstellung von christlichen Soldaten, etwa den „Vierzig Märtyrern von Sebaste“ aus dem 10. Jahrhundert, finden sich Szenen der physischen Nähe und Zuneigung. Die zweite Route folgt Kunstwerken von männlichen homosexuellen Künstlern oder solchen, die homosexuellen Kreisen nahe standen oder mit homoerotischen Sujets arbeiteten. So führt diese Route u.a. zu einer Bronzeskulptur des italienischen Renaissance-Meisters Donatello (ca. 1386–1466), der den alttestamentlichen Helden David in der Kunstgeschichte erstmalig als attraktiven, androgynen Jüngling zeigt. Männliche homosexuelle Auftraggeber stehen im Fokus der dritten Route, darunter Preußens König Friedrich II. (1712–1786), der zeitlebens vertraute Beziehungen zu Männern seines Hofstaats pflegte. Eine überlebensgroße Marmorstatue nach einem Original von Johann Gottfried Schadow zeigt Friedrich in der kleinen Kuppel des Bode-Museums.
Die vierte Route führt zu Darstellungen von weiblicher Intimität und erotischer Liebe unter Frauen – häufig dargestellt im mythologischen Sujet der Nymphen. Diese wurden oft nackt beim Baden, Schlafen oder in erotischer Zuneigung zueinander gezeigt, wie etwa im Relief „Der Sturz des Phaeton“ von Simone Mosca (ca. 1523–1578). Verweise auf weibliche Homosexualität im Mittelalter sind hingegen rar. Der bewusste Verzicht auf eine heterosexuelle Beziehung war für viele Frauen Ausgangspunkt für ein Martyrium, das zur Heiligsprechung führte – so auch in der Legende der heiligen Margarete, die sich weigerte zu heiraten, um ihr Leben vollständig und selbstbestimmt Gott zu widmen.
Die fünfte Route setzt sich schließlich mit der Frage auseinander, inwieweit sich die Zuschreibung eines Geschlechts bei einer Person aufrechterhalten lässt – etwa anhand der Doppelnatur der griechischen Liebesgöttin Aphrodite Urania, die wiederum Karl Heinrich Ulrichs (1825–1895), Vorkämpfer der Rechte Homosexueller, für seine Arbeit inspirierte. Die heilige Wilgefortis, die jungfräulich bleiben und ein christliches Leben führen wollte, bat Gott um Hilfe, um ihrer Zwangsheirat zu entgehen. Ihr wuchs ein Bart, woraufhin nicht nur die Verlobung aufgelöst sondern sie auch zum Tode am Kreuz verurteilt wurde – ein Martyrium, das eigentlich nur Männern vorbehalten war.
Das Schwule Museum ergänzt das Projekt durch die Leihgabe von zwei Tanzmarken aus dem Berliner Tanz- und Travestie-Club „Eldorado“ aus den 1930er-Jahren. Mit diesen eigens vom Club geprägten Münzen konnten die Besucher*innen die Künstler*innen zwischen den Show-Darbietungen zum Tanz auffordern.
Die „Spielarten der Liebe“ können vor Ort anhand von Infoblättern erforscht werden und stehen als Online-Katalog zur Verfügung. Die Themen werden von September 2019 bis März 2020 im Rahmen einer Vortragsreihe vertieft, die von der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung, dem Instituto Cervantes Berlin und der Botschaft von Spanien in Deutschland gefördert wird. „Der zweite Blick“ wird unterstützt von Museum&Location.
Zur Auftaktveranstaltung am Donnerstag, 5. September 2019, um 18 Uhr, zeigt das Kollektiv Iconic House of Saint Laurent – Pioniere der Ballroom-Kultur in Deutschland – die Performance „HE R E“. Der Eintritt ist frei, um Spenden für GLADT e.V., die Selbstorganisation von Schwarzen und of Color Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und queere Menschen in Berlin, wird gebeten.
Termine, ein kostenfreier Ausstellungskatalog und weitere Infos unter: smb.museum/derzweiteblick.
Falschmünzen für den Geldumlauf untergraben das Vertrauen in die Währung und sind abzugrenzen von den seit der Renaissance hergestellten Münzfälschungen speziell für Sammler*innen. In der Ausstellung werden Originale und Fälschungen einander gegenübergestellt, Werkzeuge geben Aufschluss über die Techniken der Fälscher*innen.
Im Kern widmet sich die Ausstellung Falschmünzerei und Münzfälschungen. Falschmünzen werden von Privaten, aber gelegentlich auch von staatlichen Stellen angefertigt. Vor allem in Zeiten, in denen Münzen die einzigen Zahlungsmittel waren, stellten Fälschungen ein ernsthaftes Problem dar, das im schlimmsten Fall zu einer Destabilisierung der Wirtschaft führen konnte. Ob Friedrich der Große ein Falschmünzer war und wo die Grenzen zwischen entwertetem Geld und Fälschung liegen, wird in der Ausstellung thematisiert.
Mit der abnehmenden Bedeutung des Münzgeldes sind Falschmünzen heute eine eher marginale Erscheinung, Dafür bereitet die Erkennung von immer raffinierteren Fälschungen von Münzen für Sammler*innen zunehmende Schwierigkeiten. Breiten Raum in der Ausstellung nehmen die Techniken der Falschmünzer*innen und Münzfälscher*innen ein. Historische und moderne Fälscher*innenwerkzeuge aus dem Besitz des Münzkabinetts, der Deutschen Bundesbank, der KfW Bankengruppe und privater Leihgeber*innen illustrieren das kriminelle Vorgehen. Dem werden die Methoden der Fälschungserkennung samt der Möglichkeit zu interaktivem Selbstversuch gegenübergestellt. Welche Strafen Falschmünzer*innen im Laufe der Zeit erhielten, wird anschaulich illustriert.
Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin beherbergt aktuell rund 540.000 geldgeschichtliche Objekte. Dazu gehören auch einige tausend Falschmünzen und Münzfälschungen, die seit dem 19. Jahrhundert gezielt gesammelt werden. Von einigen der berühmtesten Münzfälscher, darunter Nicolaus Seeländer (1682–1744) und Carl Wilhelm Becker (1772–1830) bewahrt das Münzkabinett einzigartige Archivalien und Bestände, die auch Werkzeuge von Fälscher*innen umfassen.
Gestreift werden in der Ausstellung auch andere Verbrechen im Zusammenhang mit Münzen. Diebstahl, Raub und Vergehen gegen den Kulturgutschutz sind kein spezifisch numismatisches Problem. Die Handlichkeit der Objekte macht Münzen und Medaillen allerdings besonders anfällig für diese Verbrechen. Auch die Sammlung des Münzkabinetts war seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) bis zum Diebstahl der Big Maple Leaf im Jahr 2017 immer wieder von Verlusten betroffen.
Zur Ausstellung erscheint im Battenberg-Gietl Verlag die Begleitpublikation „Falschgeld und Münzfälschungen“ mit 15 Beiträgen namhafter Wissenschaftler*innen zur Ausstellungsthematik.
Öffnungszeiten:
Mittwoch - Freitag: 10:00 - 17:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr
Montag - Dienstag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: smb.museum