Im Nachgang zum 100. Geburtstag von Hans Platschek (1923–2000) werfen wir einen frischen Blick auf das Schaffen des rastlosen Kosmopoliten. Aufgewachsen in einem jüdischen Elternhaus in Berlin und nach der Flucht vor dem NS-Regime seit 1939 in Montevideo (Uruguay) lebend, kehrt Platschek 1953 aus dem südamerikanischen Exil nach Europa zurück. Zwischen München, Rom, London und Hamburg entfaltet er ein umfangreiches Werk als wandelbarer Maler, hellsichtiger Essayist und streitbarer Kunstkritiker.
Bereits 1958/59 auf der II. documenta und Biennalen in Venedig und São Paulo als wichtiger Repräsentant informeller Malerei geehrt, nimmt Platschek in den 1960er-Jahren einen bemerkenswerten Stilwechsel zum Figürlichen vor. In der Folgezeit präsentiert er sich zunächst als präziser Realist mit Hang zur Satire – manche Bilder der späten 1960er- und 70er-Jahre erscheinen wie Pendants zu den bissigen Texten seiner langjährigen Partnerin Gisela Elsner, die 1964 mit ihrem Debütroman Die Riesenzwerge Furore macht. Im Spätwerk der 1990er-Jahre wandelt sich Platschek zum Neoexpressionisten, der mit lässigem Pinselstrich Figürliches ins Abstrakte verschwimmen lässt.
Parallel zur Malerei mischt er sich mit scharfzüngigen Texten und Radiobeiträgen in aktuelle Debatten zum Kunstgeschehen ein, benennt NS-Bezüge namhafter Protagonisten des Kunstbetriebs, blickt kritisch auf Marktmechanismen und Modetrends. Zu seinen wichtigen Schriften zählen Neue Figurationen (1959), Bilder als Fragezeichen (1962), Engel bringt das Gewünschte (1978), Porträts mit Rahmen (1981), Über die Dummheit in der Malerei (1984) und Von Dada zur Smart Art (1989).
Bereits 2003 war das Werk Hans Platscheks unter dem Titel Ein Maler, der schreibt im Ernst Barlach Haus ausgestellt. Es war die bis dahin erste Museumsschau in Hamburg, und sie bot umfassenden Einblick in den Nachlass des wenige Jahre zuvor gestorbenen Künstlers. Die aktuelle Ausstellung, die Leihgaben aus der Hamburger Hans Platschek Stiftung, der Münchner Stiftung van de Loo und aus Privatbesitz vereint, umfasst 30 Gemälde aus 50 Jahren, außerdem Publikationen und Dokumente. Die Schau folgt einer chronologischen Entwicklungslinie von den frühen, noch in Uruguay gemalten Werken bis zu den späten, wenige Jahre vor Platscheks Tod entstandenen Selbstbildnissen. Sie ist in Kooperation mit der Kunsthalle Schweinfurt, dem Museum Lothar Fischer, Neumarkt i. d. OPf., der Stiftung van de Loo, München, und der Hans Platschek Stiftung, Hamburg entstanden.
Parallel wird in den Ausstellungsräumen eine Auswahl wichtiger Werke Ernst Barlachs präsentiert, die alle aus der eigenen Sammlung des Hauses stammen. Neben der bedeutenden, in der ersten Hälfte der 1930er-Jahre entstandenen Holzskulpturengruppe Fries der Lauschenden sind weitere Hölzer und Bronzen aus allen Schaffensphasen des Künstlers sowie ausgewählte Zeichnungen zu sehen. Die dort versammelten Blätter zeigen Variationen auf das Thema Lesen – geschaffen von einem Künstler, der wie Hans Platschek auch ein bemerkenswerter Autor war.
Baron-Voght-Straße 50a (Jenischpark)
22609 Hamburg