Mona Hatoum zählt zu den einflussreichsten Künstler*innen ihrer Generation. Im Zentrum ihrer Performances, Videos, Fotografien, Skulpturen und Installationen steht die Auseinandersetzung mit Vertreibung, Marginalisierung und staatlicher Kontrolle – Themen, denen sie sowohl vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biografie als auch im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen nachgeht. Erstmals in Deutschland eröffnen im Rahmen der Berlin Art Week nun drei Berliner Institutionen parallel eine Ausstellung, die sich dem facettenreichen Werk von Mona Hatoum widmet. Ab Mitte September wird diese im Georg Kolbe Museum, im Neuen Berliner Kunstverein und im KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst zu sehen sein.

Hatoums Werke sind oft durch Widersprüche geprägt und können Faszination und Irritation gleichermaßen auslösen. Klare, minimalistische Formensprache und robuste Oberflächen industrieller Materialien prägen dabei ihre Ästhetik. In ihren jüngsten Werken wendet sich Hatoum insbesondere den prekären Zuständen der Welt zu. In raumgreifenden Installationen verwendet sie elementare Formen, die einerseits Ordnung und Stabilität suggerieren, andererseits aber auch das Potential eines plötzlichen Zusammenbruchs in sich tragen. Als Gratwanderung zwischen Stabilität und Kollaps, Vertrautem und Unbehaglichem, Schönheit und Schrecken liefern sie einen Kommentar zu den widerstreitenden Gefühlen und Situationen, denen man als menschliches Individuum in einer von politischen Konflikten und Klimanotstand geprägten Gegenwart ausgesetzt ist.

Das Georg Kolbe Museum – ein ehemaliges Künstleratelier – präsentiert eine Auswahl von rund 30 Werken, die einen Überblick über Hatoums Schaffen seit den 1980er Jahren geben, sowie eine Reihe neuer Arbeiten, die auf den Ort reagieren.
In Performance Documents (1980 – 1987/2013), ihren frühen Performance-Videos und Fotodokumenten, interagiert Hatoum mit ihrem Publikum, oft Passantin*innen auf öffentlichen Plätzen. In einfachen, zumeist ritualisierten Handlungen schlagen alltägliche Routinen bedrohlich um und adressieren die eigene Involviertheit und Fragen der Subjektivität von Wahrnehmung. Kleine Gesten werden durch den Verlust oder die Mehrdeutigkeit ihres Zusammenhangs zu aufgeladenen Zeichen, die das Fremdsein in einem kulturell kodierten Umraum thematisieren und zugleich einen Dialog anstoßen, der Grenzziehungen bewusst unterwandert. Sowohl in frühen als auch in jüngeren Arbeiten fungiert der Körper dabei als Bezugspunkt, wie auch in Cage for One (2022): eine Skulptur, die auf den Proportionen des menschlichen Körpers basiert.

Eigens für das Georg Kolbe Museum geschaffen ist die Bodeninstallation Tectonic (2022). Eine Weltkarte, die in die Oberfläche eines Gitters aus quadratischen Glasplatten eingefräst ist. Sie schwebt wenige Zentimeter über dem Boden und wird nur von transparenten Glasmurmeln getragen. Das Werk stellt den Planeten Erde als fragiles Konstrukt dar und symbolisiert damit eine instabile, wackelige Geografie. Die Glasplatten sind prekär ausbalanciert und können sich leicht verschieben, verrutschen oder aneinanderstoßen. In der Installation Remains of the Day (2016 – 2018), eine Arbeit, die anlässlich der Ausstellung zum 10. Hiroshima Art Prize hervorging, schafft Hatoum eine häusliche Umgebung, die aussieht, als sei sie von einer plötzlichen Katastrophe erfasst worden. Die verkohlten, geisterhaften Überreste der Möbel, die nur durch ein Drahtgeflecht zusammengehalten werden, wirken instabil und kurz vor dem Zusammenbruch. Im Kontext von Hiroshima erinnert diese Installation an die Verwüstung durch die Atombombe, darüber hinaus stellt diese Szene aber auch universell die Folgen von Krieg, Gewalt und Umweltkatastrophen dar.

Auch der intime, private Raum wird von Hatoum auf seine unheimlichen Implikationen befragt. So verwendet sie Haushaltsgegenstände, die symbolisch und buchstäblich aufgeladen erscheinen: Das Werk Electrified (variable V)(2022) besteht aus von der Decke hängenden Küchenutensilien und Möbeln, durch die aktiver elektrischer Strom fließt, der knapp über den Boden eine Glühbirne zum Leuchten bringt. In ihrer Installation Triangulation II (2022) geht es um die komplexen Beziehungen zwischen Familienmitgliedern. Drei Paar Schuhe sind durch ein Spinnennetz aus Glasperlen miteinander verbunden: die eines kleinen Mädchens mit denen ihrer Mutter und ihres Vaters. Das Werk symbolisiert starke familiäre Verbindungen und Nähe, vermittelt aber auch ein Gefühl der Verstrickung.

Die dreiteilige Ausstellung wird im September im Georg Kolbe Museum (15.9.2022 – 8.1.2023), im Neuen Berliner Kunstverein (15.9.2022 – 13.11.2022) und im KINDL –  Zentrum für zeitgenössische Kunst (18.9.2022 – 14.5.2023) zu sehen sein und wird vom Hauptstadtkulturfonds gefördert. Der Eintritt in das Georg Kolbe Museum beträgt 7 Euro (ermäßigt 5 Euro) und berechtigt gegen Vorlage des Kassenbons zum ermäßigten Eintritt in das KINDL. Anlässlich der Ausstellung erscheint eine Publikation im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln, herausgegeben von Marius Babias, Kathrin Becker und Dr. Julia Wallner.

Ein Kooperationsprojekt des Neuen Berliner Kunstvereins, des KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst und des Georg Kolbe Museum
Kurator*innen: Marius Babias, Kathrin Becker, Julia Wallner

Die Ausstellung im Georg Kolbe Museum wird kuratiert von: Dr. Julia Wallner
Kuratorische Assistenz: Elisabeth Heymer und Katherina Perlongo