Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden widmet dem international renommierten Konzeptkünstler Sarkis (geb. 1938 in Istanbul, lebt und arbeitet in Paris) eine umfassende Einzelausstellung, deren Werke einen tiefen sozialen Bezug aufweisen, der zur Verschmelzung von Praktiken und Kulturen auffordert. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines mehrjährigen Austauschs mit dem Künstler, der Geschichte und Trauma in der Kunst sowie Institutionen als Raum für Reflexion, Partizipation und Gemeinschaft behandelt.
Der Titel der Ausstellung, 7 Tage, 7 Nächte, leitet sich von der Installation 7 Nuits (7 Nächte, 2016-2019) des Künstlers ab, die Sarkis bis heute als eine seiner wichtigsten Arbeiten betrachtet. Sie besteht aus sieben verschiedenen Kompositionen und einem Schlafsack, der auf dem Boden vor dem Werk La grande vitrine (Die große Vitrine, 1982-2021) im Herzen des Pariser Ateliers des Künstlers liegt. Das Werk definiert einen intimen Rahmen für Selbstreflexion und Meditation ebenso, wie es kontextuelle Aspekte dessen konfrontiert, was es bedeutet, als Künstler ein Leben in Resilienz und Widerstand zu führen. Es handelt sich um eine eindrückliche Darstellung der Position des Künstlers sowie der transformativen Aspekte von Politik und der Poesie der Kunst. 7 Nuits wird zum ersten Mal in einem institutionellen Kontext präsentiert.
Als partizipatives Werk schafft L'atelier d'aquarelle dans l'eau (Aquarelle im Wasser, 2005-2006) im großen Saal der Kunsthalle sowohl einen gemeinschaftlichen Raum als auch eine konzeptionelle Bühne. Hier sind alle eingeladen, an einem ephemeren Ritual mit Aquarellfarben und Wasser teilzuhaben. Wasser, ein wichtiges Element der Stadt Baden-Baden, die von der Oos durchflossen und ihren Thermalbädern geprägt ist, fungiert als Bindeglied und ermöglicht Teilhabe, gemeinsames organisches Arbeiten, intime Begegnungen sowie das Schaffen kollektiver Erinnerungen. Über das Element Wasser schlägt Sarkis Aufmerksamkeit und Geduld als grundlegende Aspekte des Lernens mit und durch die Kunst im Dienste der kollektiven und persönlichen Heilung vor.
Die wechselseitige Aktivierung von Werk und Umgebung durchzieht die künstlerische Praxis von Sarkis und lässt sich auch in früheren Arbeiten, wie der Serie der maßgeschneiderten Kinderkleider Défilé du Siècle en Fluo (1995) wiederfinden. Mit einer konzeptionellen Choreografie evoziert diese Arbeit das Gedenken an Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, wie sie ihre Körper in verschiedenen Zeitepochen gekleidet haben, und wie wir uns eine Zukunft für unsere Existenz vorstellen. In einer Stadt wie Baden-Baden, mit einem bedeutenden älteren Bevölkerungsanteil, manifestiert sich diese Geste als Rückbesinnung auf unsere Kindheit, durch Neonfarben und futuristische Formen der Abstraktion, die vor Intensität leuchten.
Es war seine Zeit in Deutschland, die den Künstler dazu veranlasste, intensiv über die Unterdrückungslogik westlicher Kunst nachzudenken und das Werkkonzept des „Kriegsschatzes“ zu entwickeln. So ist es kein Zufall, dass Sarkis mit dieser Ausstellung in das Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz zurückkehrt. Während seiner Professur an der Kunsthochschule in Straßburg in der Nähe von Baden-Baden und im engen Dialog mit Künstlern wie Joseph Beuys und Marcel Broodthaers sowie Kunsthistorikern wie Pontus Hultén, hat er die Suche nach nicht-westlichen Objekten systematisiert, um sie als "objets trouvés" zu kontextualisieren – Objekte, die der Künstler zusammengetragen hat, ohne dass sie ihr Eigenleben verlieren.
Sarkis' Überzeugung, dass Objekte ein Eigenleben haben – mit singulären Geschichten von Schmerz und Leid – führte ihn schließlich zu dem vom deutschen Kunsthistoriker Aby Warburg geprägten Begriff des „Leidschatzes der Menschheit“. In diesem Sinne interpretiert Sarkis die menschliche Geschichte als kollektiven Schatz und Last und verknüpft sie mit seinen eigenen Erinnerungen und seinem Leben.
„Wir sehen unsere Rolle in der Kunsthalle Baden-Baden als kontinuierliche Vermittler einer offenen Plattform”, so die Kurator*innen Çagla Ilk und Misal Adnan Yidiz. „Geschichte ist nie ein abgeschlossener Prozess. Als solcher ist sie unsere materielle und auch erdende Wirklichkeit. Wir lernen aus Sarkis' künstlerischer Praxis in Bezug auf die menschliche Existenz und unsere ontologischen Fragen. Die Aktualität dieser Ausstellung knüpft nicht nur an eine neue Dringlichkeit der Kunstproduktion angesichts der aktuellen Kriege in unserer Welt an, sondern bekräftigt auch die Rolle von Praxen des Gedenkens im Kontext der aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Speziell in Deutschland, aber auch innerhalb eines universellen diskursiven Rahmens, unterstützen wir die vertiefte Auseinandersetzung mit den generationsbedingten psychologischen und sozialen Traumata der Opfer von Krieg, staatlicher Gewalt und Völkermord, einschließlich des armenischen Volkes... Diese Thematisierung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Anerkennung, Empathie und Andenken. Kunst allein kann unsere großen Probleme – von der Klimakrise und dem ökologischen Kollaps bis hin zur militaristischen Gentrifizierung und Kriegspolitik – nicht lösen, aber sie verändert unsere Perspektive darauf, wie wir auf sie reagieren.“
Defne Ayas trägt mit einer weiteren Überlegung bei: „Traumatische Erlebnisse – sowohl persönliche als auch kollektive – bieten sich immer zur Instrumentalisierung an, insbesondere durch die Politik. In den Händen und mit den Visionen von Sarkis jedoch bewegt sich diese menschliche Zerbrechlichkeit jenseits der Ökonomie traumatisch-kathartischer Schleifen und wird zu einer Forschungskabale. Ich bin stolz darauf, dass wir in der Kunsthalle Baden-Baden diese kinematografische Montage präsentieren können, die aus seinem fast fünfzigjährigen Engagement zur Erforschung des Begriffs Kriegsschatz schöpft.“
Diesem Modus Operandi für Kunstwerke folgend, die sich mit der Welt verändern, werden in der Kunsthalle während der Ausstellungsdauer sieben Tage und Nächte lang Beschwörungen, Mahlzeiten und Lesungen stattfinden, die Sarkis' sich ständig verändernde Kompositionen neu interpretieren.
Die Ausstellung wurde inszeniert von Sarkis, in enger Zusammenarbeit mit Çagla Ilk, Misal Adnan Yildiz und Defne Ayas.
Lichtentaler Allee 8a
76530 Baden-Baden