Mit einer umfangreichen Einzelschau präsentiert das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK) die frühen expressionistischen Arbeiten Carl Lohses und stellt sie seinem bisher wenig beachteten Werk der 1930er Jahre gleichwertig gegenüber. Der Großteil der in der Schau gezeigten Werke wird nun erstmals seit mehr als 40 Jahren wieder öffentlich präsentiert.

Das künstlerische Talent von Carl Lohse (1895 Hamburg – 1965 Bischofswerda) wurde schon früh durch den Hamburger Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark entdeckt und gefördert. Den Ersten Weltkrieg überlebte Lohse als Einziger seiner verschütteten Kompanie. Nach drei Jahren Gefangenschaft erhielt er, zurück in Hamburg, im Oktober 1919 die Einladung zu einem Malaufenthalt in der sächsischen Kleinstadt Bischofswerda, wo er ideale Arbeitsbedingungen vorfand. Euphorisiert durch die neuen Lebensumstände und in einem regelrechten Rausch schuf Lohse innerhalb von 18 Monaten ein fulminantes Werk von Gemälden, Grafiken und Skulpturen, das zu den bedeutendsten Leistungen des Nachkriegsexpressionismus zählt.

Die wiedergewonnene Freiheit glich einem Dammbruch, der die künstlerischen Energien farbgewaltig freisetzte. Impulsiv experimentierte Carl Lohse um 1920 mit den Bildsprachen der Avantgarde-Bewegungen seiner Zeit – Expressionismus, Futurismus, Kubismus und Konstruktivismus – und setzte ungewöhnliche Farbkombinationen und Formreduzierungen ein. Mit kraftvollem Pinselstrich ließ er Bildnisse, Porträts und Landschaften entstehen, die das zerrissene Seelenleben des jungen Künstlers spiegeln und expressionistische Farbgebung mit kubistischer Formzerlegung verbinden. Die Vorstellung einer brüchigen Identität, die keine Verlässlichkeit mehr kennt, übertrug Lohse auch ins Bildhauerische. So implementierte er die Beweglichkeit der futuristischen Formensprache u.a. in sein überlebensgroßes plastisches Selbstbildnis.

Trotz euphorischer Rezensionen der ersten Einzelausstellung bei Emil Richter in Dresden 1921 blieben Verkäufe aus. Enttäuscht beendete er seine äußerst produktive Schaffensperiode, kehrte nach Hamburg zurück, schloß sich den Zeugen Jehovas an und arbeitete als Bankbote und Straßenbahnschaffner. Nach einer mehrjährigen Malabstinenz startete Lohse nach seiner Rückkehr nach Bischofswerda (1928) einen weiteren Versuch und begann seine sogenannte zweite Schaffensphase (1929 – 1939), in der ein klarer Stilbruch zu früheren Arbeiten erkennbar ist. Die in dieser Zeit entstandenen Werke, vor allem die Landschaftsbilder, sind sachlicher, weniger dramatisch und stärker auf einen harmonischen Farbton bedacht. Wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erfuhr der Maler aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas Repressalien durch das Regime und seine Kunst wurde als „entartet“ diffamiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es ihm zwar, sich an mehreren Ausstellungen zu beteiligen, doch stieß auch in der neu gegründeten DDR seine Kunst auf Widerstände. Wenngleich sich Lohse in den Folgejahren stärker an den kulturpolitischen Richtlinien der DDR orientierte, wurden seine Arbeiten abgelehnt. Resignation und der endgültige Rückzug aus der Kunst waren seine bittere Konsequenz.

Anhand von rund 100 Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen stellt die umfangreiche Einzelausstellung Carl Lohse. Seelenbilder. Porträts und Landschaften 1910 – 1940 im BLMK nun die frühen Arbeiten des Expressionismus dem bisher wenig beachteten Werk der 1930er Jahre erstmals gleichwertig gegenüber. Neben atmosphärischen Landschaften, farbintensiven Stadtansichten und Darstellungen industrieller Arbeitswelten legt die Ausstellung ihren Schwerpunkt auf Lohses ausdrucksstarke Porträts, die keinerlei Zuspitzung scheuen und es vermögen, seelische Tiefendimensionen einzufangen. Dabei geht die Schau von einem der wenigen signifikanten Werkskonvolute des Künstlers in einem Museum – nämlich dem BLMK – aus und vereint die in der Sammlung des Museums befindlichen Arbeiten mit Werken aus anderen Sammlungen, wobei der Großteil jener Werke seit mehr als 40 Jahren nicht mehr öffentlich präsentiert wurde.

Die Werkschau umfasst Leihgaben u.a. aus dem Museum Bautzen, dem Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, der Kunsthalle Rostock und von zahlreichen privaten Leihgeber*innen und entstand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Ravensburg.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 11:00 - 19:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: blmk.de

Carl Lohse, Am Gießofen, 1919 – 1921, Öl auf Leinwand © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Philipp Mansmann
25.03. - 04.06.2023

Carl Lohse: Seelenbilder. Porträts und Landschaften 1910-1940

Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst – Dieselkraftwerk

Uferstraße / Am Amtsteich 15
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