In Deutschland bislang kaum bekannt, zählt er in der Schweiz längst zu den bedeutenden Expressionisten seiner Generation: der Bildhauer, Maler und Grafiker Hermann Scherer (1893–1927), Mitbegründer der Künstlervereinigung Rot-Blau. Im deutschen Rümmingen unweit der Schweizer Grenze geboren, arbeitete er die meiste Zeit seines kurzen Lebens in Basel.

Nach Anfängen als Steinmetz schlägt Scherer um 1924 eine radikal neue Richtung ein. Angeregt durch den ehemaligen Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner, den er mehrfach in Davos besucht, arbeitet Scherer erstmals in Holz.

Zu der Bekanntschaft kommt es im Juni 1923, als der 43-jährige Kirchner eine Werkschau in der Kunsthalle Basel einrichtet. Beim Aufbau geht ihm der 30-jährige Scherer zur Hand. Zum Dank lädt Kirchner ihn nach Davos ein. Er könne dort »ein wenig in unserem herrlichen Arvenholz schneiden«.  Bei einem zweiten Besuch in Davos 1924 beginnt Scherer dann tatsächlich, Holzskulpturen und Druckstöcke zu schnitzen. Bis zu seinem frühen Tod 1927 entstehen rund 25 Skulpturen und mehr  als 100 Holzschnitte. 

Der neue Werkstoff bringt auch einen stilistischen Wandel. Nach eher spätklassizistischen Anfängen in der Steinbildhauerei wird Scherer mit der Verwendung von Holz zunehmend expressiv, gestaltet mit energischen Hieben schroffe Bildwelten. Seine Lebensthemen Liebe und Triebhaftigkeit, Zwei- und Einsamkeit, Existenzangst und Exzess finden in den Holzschnitten schärfste Zuspitzung. Neben markanten Einzelblättern entstehen 1924/25 eindrucksvolle Mappenwerke zu Fjodor Dostojewskis Roman Verbrechen und Strafe und zu Alexander Blocks Revolutionsgedicht Die Zwölf.Beide Holzschnittfolgen sind in der Ausstellung zu sehen.

Die gemeinsam mit dem Kunstmuseum Basel, dem Bündner Kunstmuseum Chur und dem Nachlass des Künstlers realisierte Schau zeigt neben sechs rundplastischen und rund 50 grafischen Hauptwerken auch ein gutes Dutzend Reliefs: kraftvoll bearbeitete Druckstöcke, von denen Scherer seine Holzschnittblätter abgezogen hat. Das GemäldeAtelierfest und einige Zeichnungen ergänzen die Präsentation. Zudem sind Holzschnitte, -stöcke und -skulpturen Hermann Scherers im Zusammenspiel mit jenen Ernst Barlachs (1870–1938) zu erleben – zwei kantige Expressionisten im Dialog.

Hermann Scherer: Der Redner, 1926, Nachlass Hermann Scherer, Efringen-Kirchen
05.03. - 04.06.2023

Hermann Scherer.: Kerben und Kanten. Ein Schweizer Expressionist

Ernst Barlach Haus

Baron-Voght-Straße 50a (Jenischpark)
22609 Hamburg