Der Portikus freut sich Assembly anzukündigen, eine Reihe von Interventionen im öffentlichen Raum mit Werken von James Gregory Atkinson, Ayse Erkmen, Slavs and Tatars und Sung Tieu, die vom 6. Mai bis zum 16. Juli 2023 stattfinden werden.

Ähnlich wie lebende Organismen stehen auch Institutionen in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt: Sie haben mit ihr zu koexistieren und wissen sich von ihr abhängig. Für Assembly lädt der Portikus fünf Künstler*innen ein, auf öffentliche Orte in seiner unmittelbaren Umgebung in Sachsenhausen zu reagieren und damit seine Lage an der Alten Brücke in Frankfurt zu reflektieren. Die im 13. Jahrhundert erbaute Brücke war für die Entwicklung des Stadtbildes von zentraler Bedeutung, da sie neben dem Verkehr auch die Ansiedlung von Menschen und Unternehmen auf beiden Seiten des Mains ermöglichte. Im Laufe der Jahrhunderte hat Sachsenhausen infolge von Überschwemmungen, Kriegen oder auch der Gentrifizierung immer wieder Umgestaltungen erfahren, die allesamt die heutige Infrastruktur geprägt haben. Die Gruppenausstellung dreht sich um Fragen des Zusammenkommens und thematisiert die Bedingungen und möglichen Formen im öffentlichen Raum stattfindender, physischer Versammlungen.

Die Interventionen der Künstler*innen, die sich über zehn Wochen und sieben Locations erstrecken, wirken dabei direkt mit den jeweiligen Orten zusammen und orientieren sich an den alltäglichen Aktivitäten, die sich in einer Nachbarschaft abspielen, wie Wäsche waschen, Musik hören, einen Döner am Fluss essen, durch den Park spazieren oder Zeitung lesen. In einer Wohnung aus dem 19. Jahrhundert in der Schweizer Straße 5 hat James Gregory Atkinson eine Jukebox aus den 1940er Jahren aufgestellt, gefüllt mit Schallplatten der afrodeutschen Sängerin Marie Nejar (alias Leila Negra), deren Lieder die Schlagermusik im Nachkriegsdeutschland wesentlich veränderten. Nur wenige Meter entfernt, im historischen Schweizerhaus am Schaumainkai 13, einem ehemaligen Tee- und Konzerthaus, werden Stücke von Nejar zu hören sein, neu interpretiert von der Detroiter Harfenisten Ahya Simone. Mit der Gegenüberstellung zwei großbürgerlicher Gebäude eröffnet Atkinson Fragen zu Klasse und „Race“ in Deutschland und entwickelt Orte für eine pluralistische Erinnerungskultur. Eine Tapete von Thomas Bayrle mit Mustern bunter Kleidungsstücke bedeckt die Wände des lokalen SB Waschsalons Waschtreff, der für das tägliche Leben verschiedener Gemeinschaften unverzichtbar ist, und verknüpft seine Faszination für serielle Muster und Mechanik nahtlos mit den aufeinanderfolgenden Reihen und repetitiven Bewegungen der Waschmaschinen.

Zwischen Ginkgobäumen, kanadischen Eichen, Rotbuchen und Kastanien macht Ayse Erkmen im historischen Metzlerpark mit ihrer Bronzeskulptur des letzten Nachkommen der Schneckenart Achatinella apexfulva auf das immer schnellere Aussterben der Artenvielfalt weltweit aufmerksam. In Zusammenarbeit mit Meral Imbiss, dem schwimmenden Dönerboot, der jeden Sommer am Sachsenhäuser Ufer anlegt, verbinden Slavs and Tatars kulinarische und geistige Nahrung in ortsspezifischen Interventionen, die von einer Reihe öffentlicher Veranstaltungen begleitet werden. Die fiktive Zeitung von Sung Tieu, die in dem lokalen Kiosk FAMELESS erhältlich ist, der Produkte des alltäglichen Gebrauchs und Tageszeitungen verkauft, diskutiert die Verbreitung von Informationen im Zusammenhang mit Migration, Machtdynamiken und kultureller Identität. Die Poster-Serie der Grafikdesignerin Sandra Doeller, inspiriert von den verschiedenen Typografien, welche die visuelle Identität einer Stadtlandschaft prägen, wird auf mehreren Etagen des Parkhauses Alt-Sachsenhausen ausgestellt und symbolisiert in diesem Kontrast die exponentielle Nutzung des Automobils in der Stadt.

Der Titel der Ausstellung verweist auf die vielen Facetten, die dem öffentlichen Raum innewohnen. Während Assembly an das Zusammenkommen einer Gruppe von Menschen erinnert, die von einem gemeinsamen Impuls angetrieben wird, spielt seine Variante, die Assemblage, auf ein aus heterogenen Elementen bestehendes Gefüge an. Angeregt von den Begegnungen, die sich täglich in der Nachbarschaft ereignen oder auch nicht ereignen können, strebt die Ausstellung danach, temporäre Beziehungen zu schaffen und neue Wege des Zusammenkommens im sozialen Raum zu fördern.

Kuratiert von Liberty Adrien & Carina Bukuts
Assistenzkuratorin Assembly: Sophia Scherer

Assembly findet im Rahmen des Jubiläums 175 Jahre Deutsche Nationalversammlung Paulskirche Frankfurt statt und wird ermöglicht durch die bedeutende Unterstützung der Stiftung Kunstfonds. Großzügige Unterstützung erhalten wir vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main und der Stiftung Frankfurter Sparkasse. Außerdem danken wir unseren Partnern SB Waschsalon Waschtreff, FAMELESS Kiosk, Grünflächenamt der Stadt Frankfurt am Main, Meral Event Istanbul-Boot, Schweizer 5 und Goedeking Architekten.

Biografien der Künstler*innen
James Gregory Atkinson (*1983, Bad Nauheim, Deutschland) ist ein in Frankfurt am Main, lebender Künstler. Seine recherche-basierten Arbeiten, darunter Video, Skulptur und Installation, vereinen Autobiografie und politische Geschichte als Reaktion auf die extreme Unvollständigkeit offizieller Schwarzer Archive in Deutschland. Zu den jüngsten Einzelausstellungen gehören Dortmunder Kunstverein (2021) und Goethe Institute Seattle (2021). In diesem Jahr werden seine Arbeiten auf der 2. Biennale für Freiburg, in der Bundeskunsthalle Bonn und Klosterruine Berlin zu sehen sein.

Thomas Bayrle (*1937, Berlin, Deutschland) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Ausgebildet als Weber und Grafiker in den 1950er Jahren, war er einer der ersten Künstler in Deutschland, der computergenerierte Bilder in seine Werke integrierte und wurde so zu einem Pionier der Pop Art. Bayrles Hauptaugenmerk liegt auf dem Zusammenspiel von Individuum, Technologie, Konsum und Massengesellschaft. 
Jüngste Einzelausstellungen fanden im New Museum, New York (2021), in der Kunsthalle Wien (2017) und im Lenbachhaus, München (2016) statt. Von 1972 bis 2002 unterrichtete er an der Städelschule in Frankfurt am Main.

Sandra Doeller (*1983, Darmstadt, Deutschland) ist Grafikdesignerin mit Schwerpunkt auf Plakat-, Buch- und Ausstellungsgestaltung im internationalen Kunst- und Kulturbereich. Sie verfolgt einen konzeptionellen Ansatz und kontextbezogene Gestaltungsstrategien. 2013 gründete sie das Bureau Sandra Doeller in Frankfurt am Main und ist Mitinitiatorin von Grafikdesign Denken Sprechen, einer Plattform zur interdisziplinäre Reflexion von Grafikdesign an der Schnittstelle von angewandter und freier Kunst. Mit ihrem Team realisiert sie Projekte für und mit Institutionen wie das Museum Angewandte Kunst und die Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main. Zuletzt vertrat Doeller die Professur für Typografie an der Hochschule Mainz.

Ayse Erkmen (*1949, Istanbul, Türkei) ist eine in Berlin, lebende Künstlerin. Sie hatte Einzelausstellungen bei Dirimart, Istanbul (2022), The Barbican, London (2013), Türkischer Pavillon, La Biennale di Venezia (2011), Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwartskunst, Berlin (2008), SculptureCenter, New York (2005). In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank realisierte sie im Jahr 2001 das Großprojekt Shipped Ships, für das drei Fähren aus Japan, Italien und der Türkei nach Frankfurt gebracht worden, die den Bewohner*innen als Transportmittel auf dem Main dienten. Von 2000 bis 2005 lehrte Erkmen als Gastprofessorin an der Städelschule in Frankfurt am Main.

Gegründet im Jahr 2006, Slavs and Tatars ist eine Fraktion von Polemiken und Intimitäten, das sich einem Gebiet östlich der ehemaligen Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mauer widmet, das als Eurasien bekannt ist. Die Praxis des Kollektivs stützt sich auf drei Aktivitäten: Ausstellungen, Bücher und Lecture-Performances. Ihre Arbeiten waren unter anderem Gegenstand von Einzelausstellungen im M HKA, Antwerpen (2023), in der Hayward Gallery, London (2021), im Albertinum, Dresden (2018), im SALT, Istanbul (2017) und in der Wiener Secession (2012). Im Jahr 2020 eröffnete das Kollektiv die Pickle Bar, etwas zwischen slawischer Aperitivo Bar und Projektraum, im Berliner Stadtteil Moabit.

Sung Tieu (*1987, Hai Duong, Vietnam) ist eine in Berlin lebende Künstlerin, deren Praxis sich an der Schnittstelle zwischen ihren persönlichen Erfahrungen, der globalen Geschichte und den kulturellen Einflüssen der europäischen Kunsttraditionen abspielt. Zu ihren jüngsten Einzelausstellungen gehören MIT List Visual Arts Center, Cambridge (2023) und Haus der Kunst, München (2020). Sie war nominiert für den Preis der Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin (2021). Kommende Einzelausstellungen sind im CAPC, Bordeaux (2023), Kunst Museum Winterthur (2023), und The Intermission, Athen (2023). In den Jahren 2021 und 2022 lehrte Tieu als Gastprofessorin an der Städelschule in Frankfurt am Main.


Begleitprogramm
28. April 2023, 17:00 Uhr
James Gregory Atkinson, 3 Songs for Marie Nejar Klosterruine Berlin, Klosterstraße 73a, Berlin

Im Rahmen von James Gregory Atkinsons Performance 3 Songs for Marie Nejar, kuratiert von Juliane Bischoff, wird die Detroiter Harfenistin Ahya Simone in der Klosterruine Berlin spielen. Die Aufzeichnung des Konzerts wird während Assembly jedes Wochenende aus dem Schweizerhaus gesendet.

Mittwoch, 31. Mai 2023, 19:00 Uhr
Donnerstag, 8. Juni 2023, 19:00 Uhr
Donnerstag, 6. Juli 2023, 19:00 Uhr
Slavs and Tatars’ Asbildung Meral Imbiss, Kebab Boot, Schaumainkai 35, Frankfurt am Main Die Zusammenarbeit von Slavs and Tatars mit dem Dönerboot wird von einem öffentlichen Programm mit lokalen Künstler*innen und Performer*innen begleitet, das kulinarische und geistige Nahrung miteinander verbindet.

Führungen:
Samstag, 13. Mai 2023, 18:00 Uhr (Englisch) mit Andrés Gorzycki
Freitag, 9. Juni 2023, 18:00 Uhr  (Englisch) mit den Kuratorinnen Liberty Adrien & Carina Bukuts
Freitag, 7. Juli 2023, 18:00 Uhr  (Deutsche Gebärdensprache) mit Christopher Moeller
Samstag, 15. Juli 2023, 19:00 Uhr  (Deutsch) mit Radia Soukni

Alle Führungen sind kostenlos. Aufgrund der begrenzten Kapazität bitten wir um vorherige Anmeldung unter info@portikus.de.

06.05. - 16.07.2023

Assembly

Portikus

Maininsel
60594 Frankfurt am Main