Tabea Blumenschein, 
Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt

Tabea Blumenschein (1952–2020), Hilka Nordhausen (1949–1993) und Rabe perplexum (1956–1996) agierten ex-zentrisch im mehrfachen Sinn: Außerhalb des Zentrums der Aufmerksamkeit, abweichend von gesellschaftlichen Normen und oft auch der institutionalisierten Kunst. Die Ergebnisse ihrer Produktionen – Performances, Lesungen, Filme, Konzerte oder Wandmalereien – waren mitunter flüchtig, ephemer und damit damals weniger marktfähig. Blumenschein, Nordhausen und perplexum arbeiteten in den Städten Berlin, Hamburg und München. Sie repräsentierten damals nicht-anerkannte Geschlechts- und Identitätsbilder und lebten sexuelle Orientierungen nonkonform. Ihre Arbeit überschritt die engen Grenzen von Genres und Ausdrucksweisen: So gründete Hilka Nordhausen den Off-Space Buch Handlung Welt, der Buchladen, Kunstraum und soziale Kontaktzone war. Tabea Blumenschein wirkte als Performerin, entwarf Kostüme für Film und Theater, und hinterließ ein Werk an Zeichnungen und Gemälden. Rabe perplexum realisierte im Verbund mit Freund*innen und Vertrauten Performances und Aktionen im öffentlichen Raum, malte und war eine*r der frühen digitalen Videokünstler*innen.

Das Ausstellungs- und Publikationsprojekt konzentriert sich auf Themen wie Subkultur, Queerness, performative und kollaborative Arbeitsweisen. Es erzählt eine andere Geschichte der Kunst der Achtziger in der Bundesrepublik; jenseits der großen männlichen Meistererzählung, die bislang das Narrativ dieser Jahre dominiert.

Die zeitgenössischen Künstler*innen Ergül Cengiz (*1975) (3 Hamburger Frauen), Philipp Gufler (*1989) und Angela Stiegler (*1987) befragen die Positionen der achtziger Jahre aus heutiger Perspektive. Deren strukturell verschüttetes Werk wird auf Basis von Archivmaterial, Austausch mit Wegbegleiter*innen sowie eigenen Kunstwerken aktiviert: Gemeinsam mit den Kunsthistorikerinnen Burcu Dogramaci und Mareike Schwarz entsteht ein Ausstellungsprojekt, in dem sich ku?nstlerisch und kunsthistorisch situiertes Wissen verbindet. Damit werden die drei Positionen aus den achtziger Jahren sowohl im Bezug zueinander als auch mit den zeitgenössischen Kunstwerken fu?r neue Perspektiven der Rezeption erschlossen.

Angela Stiegler fand über das Filmemachen zu Tabea Blumenschein und stand von 2016 bis zu ihrem unerwarteten Tod 2020 mit ihr in persönlichem Kontakt. Stiegler entwickelt ihre künstlerische Arbeitsweise aus der Bildhauerei und verhandelt Körperpolitiken, indem sie den Körper als Medium in Form von Video und Performance einsetzt. Ihre Posterserie We should all be bodys (2017) entstand nach einem gemeinsamen Besuch der Internationalen Gartenausstellung IGA mit Blumenschein in den Gärten der Welt in Berlin Marzahn. Ergül Cengiz realisiert ortsbezogene ephemere Wandarbeiten mit der Künstlerinnengruppe 3 Hamburger Frauen (mit Henrieke Ribbe und Kathrin Wolf) und setzte sich bereits intensiv mit Hilka Nordhausen in einer Wandarbeit für den Kunstverein in Hamburg auseinander. Philipp Gufler interessiert sich für Rabe als queere Position der 1980er Jahre und zeigt zwei neue kollaborativ entstandene Quilts. Aus dieser Auseinandersetzung stammt auch die Siebdruckarbeit Quilt #08 (Rabe Perplexum) (2015) und die Videoinstallation Becoming Rabe(2016).

Erstmals werden Blumenschein, Nordhausen und perplexum in einer Ausstellung und in den Städten gezeigt, in denen sie wirkten: München (Lothringer 13 Halle), Berlin (Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten) und Hamburg (Kunsthaus). Zur Ausstellung erscheint eine deutsch- und englischsprachige Publikation bei b_books, Berlin. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Filmen, Lesungen, Workshops und Zeitzeug*innengesprächen begleitet die Ausstellung.