Das Museum Wiesbaden präsentiert erstmals und gleichwertig das Schaffen zweier Ehepaare und Mitbegründer der Académie Matisse in einer großangelegten Sonderausstellung. 
Vom 13. Oktober 2023 bis zum 18. Februar 2024 erwarten die Gäste über 100 Werke, darunter Gemälde und Skulpturen von Marg(arete) und Oskar Moll sowie Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann, ergänzt durch Arbeiten von großen Namen der Kunstgeschichte, die ihre künstlerischen Werdegänge prägten: Von Henri Matisse, Lovis Corinth, Max Liebermann und Sabine Lepsius bis hin zu Franz von Stuck. Die Ausstellung "Gemischtes Doppel. Die Molls und die Purrmanns" verfolgt die künstlerischen Werdegänge der vier Kunstschaffenden und hinterfragt zugleich die gesellschaftlichen Normen und Geschlechterrollen ihrer Zeit.

Die vom Museum Wiesbaden federführend kuratierte Ausstellung "Gemischtes Doppel" (13. Oktober 2023 bis 18. Februar 2024) stellt zwei Künstlerpaare in ihrer parallel verlaufenden künstlerischen Entwicklung vor. Marg(arete) und Oskar Moll sowie Hans und Mathilde Purrmann waren nicht nur zeitweise freundschaftlich eng verbunden und kurz nach der Jahrhundertwende Teil jener Bewegung, die dem deutschen Impressionismus zu mehr Expressivität verhalf, sondern gründeten 1908 in Paris zusammen mit weiteren Engagierten die hoch frequentierte Académie Matisse. Damit hatten sie größten Anteil daran, dass die Kunst ihres weltberühmten Lehrers und geschätzten Freundes Henri Matisse sehr bald auch Deutschland erreichte. Die vielen gegenseitigen Besuche vor dem Ersten Weltkrieg – sei es in Paris, München oder Berlin – beförderten, dass die aktuellen französischen Tendenzen sehr schnell in Deutschland für Furore sorgten und von den aufgeschlossenen progressiven Künstlerinnen und Künstlern wahrgenommen werden konnten. 

Im Fokus der Forschung standen bislang die männlichen Mitglieder der Académie Matisse – etwa Rudolf Levy, Oskar Moll oder Hans Purrmann. Ausgeklammert wurden vielfach die Beiträge der Künstlerinnen innerhalb der Gruppe. Marg Moll fand als einzige Bildhauerin innerhalb der Schule lange Zeit ebenso wenig Anerkennung wie die Malerin Mathilde Vollmoeller (die Hans Purrmann 1908 in Paris kennenlernte und 1912 heiratete) – und dies, obwohl erstere Gründungsmitglied war und die zweite zum Zeitpunkt ihrer Bekanntschaft wesentlich mehr Erfolge in Paris vorzuweisen hatte als ihr zukünftiger Mann. 

Die Ausstellung Gemischtes Doppel stellt alle vier Künstler:innen in ihrem gesamten Schaffen mit jeweils etwa 25 Arbeiten, darunter viele Hauptwerke, gleichwertig vor. Sie verdeutlicht ihre wichtigsten Berührungspunkte untereinander sowie ihre späten künstlerischen Übereinstimmungen und Eigenständigkeiten. Auch werden die Verbindungen der Protagonist:innen zum deutschen Impressionismus aufgezeigt und einer neuen Bewertung unterzogen. Es war nicht nur die „Inspiration Paris“ gewesen, die die vier Künstler:innen zu Höchstleistungen anregte; erstmals widmet sich eine Ausstellung in zwei Sälen ihrer impressionistischen frühen Phase, in welcher sie als angehende Maler:innen bereits zu bemerkenswerten Leistungen gekommen sind. 
Hans Purrmann fand um 1902 eine überzeugende Lösung, um sich weg von seinem namhaften Münchner Lehrer Franz von Stuck hin zur Malerei der Berliner Sezessionsgrößen Lovis Corinth, Max Liebermann oder Max Slevogt zu orientieren und schuf damit Werke, die als außerordentliche Arbeiten des deutschen Spätimpressionismus gelten dürfen. Das Talent von Mathilde Vollmoeller wurde bereits um die Jahrhundertwende in Berlin von der Malerin Sabine Lepsius erkannt und gefördert. Oskar Moll war ein enger Freund von Lovis Corinth, dessen Bilder er auch sammelte und mit Porträtaufträgen versorgte. Seine impressionistischen Werke brauchen den Vergleich zu seinem frühen Mentor nicht zu scheuen – weder was die Motive und den kraftvollen Farbauftrag noch was die Komplexität der Kompositionen betrifft. Von Marg Moll hat sich nur wenig aus der Frühphase des deutschen Aufbruchs in die Moderne erhalten. Es mag als Hinweis auf Marg Molls starke Persönlichkeit und ihr eindrückliches künstlerisches Können gelten, dass zwei der größten Maler ihrer Zeit – Corinth im Jahr 1907 und Matisse im Jahr 1908 – anspruchsvolle Porträts von ihr angefertigt haben.

Das Herzstück der Schau ist der Zeit im Umfeld um Henri Matisse zwischen 1907 und 1914 gewidmet. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf den Gattungen „Landschaft“, „Akt“ und „Stillleben“. In diesen haben alle vier Künstler:innen ihren lebendigen Kolorismus, ihrer malerischen Mut entwickelt. 

"Gemischtes Doppel" befragt mit den beiden bewusst ausgewählten Paaren – mit ihren populäreren Malern auch deren zwei relativ unbekannte Partnerinnen – das gesellschaftliche Normengefüge und ihre Geschlechterrollen. Nicht nur entstammen die vier Künstler:innen aus großbürgerlichen, wilhelminisch geprägten Verhältnissen; sie fassten etwa zeitgleich für sich vor dem jeweiligen Kennenlernen des Partners, den festen Entschluss, Künstler:in zu werden, welcher in der Ausstellung als Vergleichsbasis dient. Sowohl Oskar Moll wie auch Hans Purrmann strebten nach der Eheschließung ausgeglichene Partnerschaften an und wollten, dass ihre Partnerinnen weiterhin künstlerisch tätig bleiben. Doch trotz dieser ungewöhnlichen Aufgeschlossenheit der Männer erwiesen sich die gesellschaftlichen Normen als schwierig zu überwinden, was sich daran zeigt, dass das Werk der beiden Künstlerinnen deutlich schmaler ausfällt und weniger erforscht ist. 

„Der Begriff „Gemischtes Doppel“ stammt aus dem Tennis“, verrät Dr. Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung, „zwei Paare spielen sich die Bälle zu und steigern sich zu Höchstleistungen, genau das geschah auch mit Marg und Oskar Moll sowie Hans und Mathilde Purrmann – mit dem einzigen Unterschied, dass die Inspiration nicht nur innerhalb der Ehepartner von den Männern auf die Frauen übersprang, sondern auch paarübergreifend und von den Frauen auf die Männer – genau dies, überraschende, bislang unbeachtete Wege der Inspiration, möchte die Ausstellung aufzeigen“.  

Neben einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm findet freitags während der Ausstellungslaufzeit eine besondere Aktion statt: Gäste können zu viert kommen und für zwei zahlen. Ferner hat das Hotel Nassauer Hof Wiesbaden im Rahmen einer Kooperation zur Ausstellung ein Gericht kreiert, welches von der Farbharmonie des Gemäldes „Stillleben mit roter Decke“ von Hans Purrmann inspiriert wurde. Gäste können vom 13. Oktober 2023 bis zum 18. Februar 2024 im Restaurant Orangerie in den Genuss von „Purrmanns Tiramisu“ kommen und dabei das Kunstwerk mit allen Sinnen erfahren. Im Anschluss wandert die Schau nach Neu-Ulm in das Edwin Scharff Museum.

Zur Ausstellung erscheint ein wissenschaftlicher Katalog (herausgegeben von Roman Zieglgänsberger unter Mitwirkung von Felix Billeter) mit Beiträgen von Felix Billeter, Sibylle Discher, Julie Kennedy, Maria Leitmeyer und Roman Zieglgänsberger (Michael Imhof Verlag, 232 Seiten, 32 € an der Museumskasse, ISBN 978-3-7319-1354-2). Eine kostenfreie Media Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.

Hans Purrmann, Stillleben mit roter Decke, um 1909. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, Hessisches Landesmuseum Darmstadt
13.10.2023 - 18.02.2024

Gemischtes Doppel. Die Molls und die Purrmanns: Zwei Künstlerpaare der Moderne

Museum Wiesbaden

Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden