Flechten – eine Kulturtechnik, tausende Jahre alt, weltweit praktiziert, regional ausgeprägt und bis heute innovatives Hand-werk im wahrsten Sinne des Worts: Nur der Mensch beherrscht die komplexe Flechttechnik, keine Maschine kann ihn bisher ersetzen. Die Ausstellung stellt die Faszination dieser Fertigkeit in den Mittelpunkt, zeigt Verflechtungen zwischen historisch gewachsenem Wissen und modernen Innovationen.

In den vier Ausstellungsbereichen MENSCH, SCHUTZ, MATERIAL und MUSTER können die Besucher*innen über 200 geflochtene Alltagsgegenstände aus ganz Europa aus der umfangreichen Sammlung des Museums Europäischer Kulturen sowie diverse Leihgaben entdecken.

Verknüpft werden die vier Ausstellungskapitel mit zahlreichen interaktiven Stationen, die Groß und Klein für das immaterielle Kulturerbe begeistern und die Faszination für Handgemachtes buchstäblich „be–greifbar“ machen.

„ALL HANDS ON: Flechten“ porträtiert zeitgenössische und historische Flechter*innen. Die Ausstellung zeigt, wie geflochtene Gegenstände – etwa Körbe, Hüte oder Schuhe – Dinge beim Transport oder den Menschen vor Wind und Wetter schützen. Ein Korbstuhl aus der Passagierkabine des Zeppelins LZ 120 „Bodensee" von 1919 unterstreicht, dass die genialen Eigenschaften von Geflochtenem – nämlich Stabilität, Leichtigkeit und Flexibilität – auch in der innovativen Luftfahrt gefragt waren. Ein ca. 3.000 Jahre altes umflochtenes Gefäß aus Ägypten beweist, dass Flechten eine Basiskulturtechnik ist. Und ein geflochtenes Kleid aus der Spring/Summer Fashion Show 2012 als Leihgabe von Dolce&Gabbana betont den Reiz von Geflochtenem bis heute – vor allem im zeitgenössischen Design sowie in der Haute Couture. Wortwörtliche Brücken zwischen traditionellen Techniken und heutigen Innovationen schlagen die „Living Root Bridges“ aus Indien: Seit Jahrhunderten entstehen dort stabile Brücken aus verflochtenen Luftwurzeln des Gummibaums – eine Fertigkeit, die aktuell im innovativen Forschungsfeld der Baubotanik auch in Europa erforscht wird.
Zudem werden in der Ausstellung verschiedene Flechtmaterialien erläutert, die von den Besucher*innen haptisch erfahren werden können. „ALL HANDS ON: Flechten“ weitet den Blick immer wieder auch über den europäischen Kontext hinaus: So wird beispielsweise die Tatsache thematisiert, dass Flechtmaterialien wie Sisal und Rattan ursprünglich vielfach als koloniale Rohstoffe nach Europa gelangten.
Im letzten Ausstellungsbereich kann anhand vielfältiger Exponate nachempfunden werden, wie mit großem Können und Geschick durch verschiedene Flechttechniken zahlreiche Muster entstehen. Was für das Auge als regemäßiges Muster erscheint, ist in Wahrheit jahrelange Erfahrung und oftmals sehr viel komplexer als auf den ersten Blick anzunehmen.

Zeitgenössische künstlerische Positionen vertiefen die inhaltliche Auseinandersetzung, unter anderem von Syowia Kyambi, Nathalie Miebach und Muriel Gallardo Weinstein. Der Konzeptkünstler Olaf Holzapfel hat eigens für die Ausstellung die Auftragsarbeit „Der geflochtene Garten“ als begehbare Raumskulptur entworfen. Sie eröffnet einen immersiven Zugang zum Flechthandwerk.

Die Faszination und Vielfältigkeit des Flechthandwerks lässt sich nur durch Ausprobieren und Mitgestalten umfassend vermitteln: In allen Ausstellungsbereichen laden Hands-On-Stationen dazu ein, überraschende Aspekte des Flechtens in zugänglicher Form selbst zu erleben. Hier können die Besucher*innen Nester flechten, Flaschen schützen, sich mit anderen Geschichten verflechten und vieles mehr. ALL HANDS ON versteht sich also als Motto:

Die Ausstellung ist nicht nur sehr informativ, sondern lädt ein, aktiv zu werden und sich für die Vielseitigkeit des Flechtens zu begeistern– Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht. Die Sonderausstellung „ALL HANDS ON: Flechten“ wird unterstützt von der Friede Springer Stiftung sowie dem Verein der Freunde des Museums Europäischer Kulturen.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Freitag: 10:00 - 17:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: Geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: smb.museum