Der Versuch, die Welt in eine visuelle Ordnung zu bringen, ist thematischer Ausgangspunkt für die Präsentation von Peter Hoiss im Kunstraum München. In seinen Arbeiten widmet er sich dem Spannungsfeld von Fotografie, Installation und Wahrnehmung. Hierfür befasst er sich mit den Lichtfarben Rot, Grün und Blau (RGB) in der analogen Welt wie auch der Darstellung von RGB als vorrangigem Farbraum in der digitalen. In den von ihm gezeigten „Seh“-Objekten, Installationen mit Licht und Filterfolien sowie Fotoarbeiten eröffnet sich die subjektive Farbwahrnehmung den Rezipient:innen.

Der Ausstellungsraum im Obergeschoss unterteilt sich in die Farbbereiche Rot, Grün und Blau. Orientierung gibt eine entsprechend farbige auf den Fenstern aufgebrachte Folie. Über den Raum verteilt finden sich drei Skulpturen, die durch eigensinnige, geometrische Formen und nüchterne Farbtöne hervortreten. Jedes der 1,70 m bis raumhohen Skulpturen hält eine guckkastenartige Öffnung bereit, die den Blick in ihr Inneres freigibt. Gemäß dem Prinzip einer Spiegelreflexkamera bekommt man ein Bild entgegengeworfen, dessen Original sich am anderen Ende der Skulptur verorten lässt. Die Motive sind im weitesten Sinne Landschaftsaufnahmen, auch wenn man hier vergeblich einen klassischen Bildvordergrund oder eine spezielle Linienführung sucht. Wir blicken auf eine blutrote Handymastenanlage auf dem höchsten Berg Korfus, auf ein von viel Grün und Nebel umgebenes Quarzwerk in Münzkirchen, Oberösterreich, und auf ein Video mit flatternden, weiß-blau gestreiften Sonnenschirmen auf einem Balkon in Bukarest.

Das Sitz- und Seherlebnis im matt-blauen Objekt wird von einer fotografischen Reihe an der Wand flankiert mit Ansichten einer Hochwasserverbauung in Schärding, Oberösterreich. Eine blaue Korrekturfolie, die gewöhnlich als Hilfsmittel beim Fotografieren zum Einsatz kommt, markiert einen imaginären Pegel an Wasser, das im Ernstfall kontrolliert am Ort vorbeigeleitet werden kann. Peter Hoiss sucht in seinen Sujets gerne den Zustand menschlichen Eingreifens in die Natur. Deutlich zeigt sich dies in der Fotoarbeit „Coney“. Der berühmte Strand auf Coney Island am südlichen Ende Brooklyns in New York City, einst eine echte Insel, wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Vergnügungspark, zur Fressmeile und zur Heimat jüdischer Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in den angrenzenden Hochhaussiedlungen. In einer ebenfalls auf die Farbe Rot reduzierten Aufnahme eines Hochhausdaches in Manhattan wird die Detailverliebtheit Hoiss’ gegenüber Versorgungsschächten, Luüftungsrohren und -schlitzen, Klimaanlagen und Flanschen sichtbar. Dieser „Spielplatz“ technischer und industrieller Einrichtung birgt das Formenvokabular für die in der Ausstellung gezeigten Objekte, die nicht nur in Verarbeitung und Farbe ein übergreifendes Raumkonzept erkennen lassen, sondern auch durch die zahlreichen Möglichkeiten des Sehens: die Betrachtenden richten ihren Blick in das Innere eines Schachts und treffen dort auf das Bild einer durch Menschen beeinträchtigten, jedoch menschenleeren Umgebung. Spezialeffekte wie ein konkaver Spiegel, künstlich erzeugte Nebelschwaden und ein brummendes Geräusch wie aus einer defekten Audioanlage verstärken den Eindruck einer lebendigen Landschaft. Zieht man seinen Kopf aus den Guckkästen zurück und sieht sich im Raum um, fällt der Blick unwillkürlich auf die Fenster, die eine durch die einzelnen Farben isolierte und daher reduzierte Sicht auf die Außenwelt vorgeben.

Hier schließt sich der Kreis zum additiven Farbraum RGB. Um diesen begreifbar zu machen, dekonstruiert Peter Hoiss den sogenannten Bayer-Sensor, den alle gängigen Fotosensoren haben. Ähnlich einem Schachbrett ist dieser mit einem Farbfilter überzogen, der zu 50 % aus Grün und zu je 25 % aus Rot und Blau besteht. Der hohe Grünanteil erklärt sich durch die Sehgewohnheiten in unseren Breitengraden, in denen Grün eine besonders häufig vorkommende Farbe ist. Nach dem Prinzip des Sensors entwickelt Hoiss eine analoge Lichtanlage für den kleinen Nebenraum im Obergeschoss. So wie jeder Pixel für nur eine der drei Farben empfindlich ist, platziert der Künstler rote, grüne und blaue Glühbirnen einzeln in ein setzkastenähnliches Gestell vor einer Wand aus Glasbausteinen. Der Raum bietet eine besondere Intimität, verbunden mit dem Summen des Dimmers, der die Helligkeit der Lichtgruppen reguliert, und der Wärme, die von den herkömmlichen Glühbirnen ausgeht. Im Treppenhaus zeigt das Farbenspiel eine Seite, die gewissermaßen das Analoge und das Digitale verbindet.

Peter Hoiss, 1977 in Schärding (Oberösterreich) geboren, hat in Wien und Helsinki Bildende Kunst studiert. Er arbeitet mit dem Medium Fotografie und erweitert dieses auf die Bereiche Installation, Video und Performance. Er hatte verschiedene Einzelausstellungen in Österreich und im europäischen Raum wie z. B. eine Solopräsentation 2021 auf der PARALLEL VIENNA, 2020 in der Fotogalerie Wien und 2017 im Kunstraum PRALINE in Leipzig sowie Beiträge in Gruppenausstellungen wie 2021 auf der Vienna Art Week, 2016 in Bukarest im Arcub, 2015 in London bei Saatchi und im gleichen Jahr in Helsinki im Vapaan Taiteen Tila als auch im Rahmenprogramm der Istanbul Biennale bei Sarnic Galleries / Tophane. 2020/21 hatte er eine Gastprofessur an der Universität für angewandte Kunst Wien in der Klasse Bildende Kunst / Fotografie bei Gabriele Rothemann.

Es erscheint die fotografische Edition „Color Carousel“ in den Farben Rot, Grün und Blau (jeweils 5 Stück) zum Preis von je € 170 (gesamte Serie / 3 Stück: € 450)

Der Archivraum im Untergeschoss, der vom Künstler rasso rottenfusser in Vorbereitung auf das 50- jährige Jubiläum des Kunstraum München gebaut wurde, wird ebenfalls von Peter Hoiss gestaltet. Grundlage sind Einladungskarten und Kataloge aus dem Archiv der vergangenen Jahrzehnte.

Die Ausstellung wird gefördert durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, das Land Oberösterreich Abteilung Kultur sowie das Kulturreferat der Landeshauptstadt München.