Der unterfränkische Künstler Valentin Schwab (1948–2012) gehört zu den großen Unbekannten der deutschen Fotografiegeschichte. Dabei hat er seit den 1970er Jahren ein Werk vorgelegt, das in Konsequenz, engagierter Haltung und Qualität des fotografischen Blicks in der deutschen Dokumentarfotografie des 20. Jahrhunderts seinesgleichen sucht. Jetzt richtet das Museum im Kulturspeicher Würzburg ihm eine große Retrospektive mit rund 150 Arbeiten aus dem Nachlass und dem eigenen Bestand aus.

Valentin Schwab, der in den 1970er Jahren an der Kunsthochschule Kassel (damals „Gesamthochschule“) studierte, glaubte an die gesellschaftliche Rolle der Kunst und ihre Kraft zur Veränderung. In diesem Sinne engagierte er sich nicht nur als Fotograf, sondern auch als Kameramann: Zusammen mit dem Regisseur Manfred Vosz reiste er in die Krisengebiete der Welt, um das Leben und den Widerstandswillen der Bevölkerung zu dokumentieren – Filme wie „Die nackten Füße Nicaraguas“ und „Mütter, Dollars und ein Krieg“ waren preisgekrönt. Von Beginn an suchte Schwab dabei die Nähe zu den Menschen, die er teilweise über Monate hinweg begleitete und mit denen er lebte. So entstanden nicht nur Filmbilder von beeindruckender Authentizität, sondern auch Fotoserien etwa in Eritrea, El Salvador oder Kuba, in denen Schwab das Leben der Menschen auf Augenhöhe festhielt, getragen von Sympathie und Respekt.

Schon während der Studienzeit aber zog es den Fotografen immer wieder auch in seine fränkische Heimat, die sich gerade in diesen Jahren durch Strukturwandel und Flurbereinigung stark veränderte. Das ländliche Leben, wie es ihm aus seiner Kindheit vertraut war, das fränkische Dorf und die Landschaft schwanden zunehmend und machten einer anonymisierten, standardisierten Billigbauweise Platz. Aus diesen Beobachtungen erwuchs Valentin Schwabs Lebenswerk, dem er später den Titel „LAND“ gab. Dabei ging es ihm darum, die Menschen und das Land festzuhalten, die Veränderungen zu dokumentieren, Vergehendes zu bewahren und gegenwärtige Entwicklungen in Frage zu stellen.

Fast obsessiv durchwanderte Schwab unterfränkische Dörfer und das Land mit seiner Kamera – mehrere Regalmeter an Negativmaterial in seinem Nachlass, alphabetisch sortiert von A wie Arnstein bis Z wie Zellingen, zeugen von jahrzehntelangen Streifzügen durch die Dörfer der Heimat. Parallel sammelte er historische Fotografien, indem er an den Haustüren klingelte und die Menschen nach ihren alten Fotos fragte. So entstand ein einzigartiges Archiv fotografischer Aufnahmen des ländlichen Lebens in Unterfranken.

Schwabs Heimatregion steht dabei exemplarisch für die überall in der westlichen Welt spürbaren gesellschaftlichen Umbrüche des 20. Jahrhunderts. Auch durch seinen postmodernen Ansatz, der das Archiv als künstlerische Praxis mit einbezieht und das Einzelwerk immer als Teil eines vielschichtigen Komplexes begreift, erhält das Werk Valentin Schwabs eine weit überregionale Relevanz und nimmt in den fotografischen Diskursen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine eigene Stellung ein.

Mit rund 150 Schwarzweiß-Fotografien aus dem Besitz des Museum im Kulturspeicher und dem Nachlass (Valentin Schwab-Archiv, Karlstadt) gibt die Ausstellung einen Einblick in Valentin Schwabs fotografisches Werk und vermittelt eindrucksvoll die Spannung seiner Arbeit zwischen Kosmopolitismus und dem Blick auf die Region, zwischen Bewahren und Erneuerung. Zudem ist erstmals auch eine Auswahl der Filme zu sehen, für die Schwab als Kameramann wirkte.


Öffnungszeiten:
Dienstag: 13:00 - 18:00 Uhr
Mittwoch: 11:00 - 18:00 Uhr
Donnerstag: 11:00 - 19:00 Uhr
Freitag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: kulturspeicher.de

Valentin Schwab, Ohne Titel, undatiert,Valentin Schwab-Archiv, Karlstadt © Valentin Schwab-Archiv, Karlstadt, 13025 KB
11.02. - 21.05.2023

Valentin Schwab: Eine Retrospektive

Museum im Kulturspeicher

Oskar-Laredo-Platz 1
97080 Würzburg