Unter dem Ausstellungstitel „Update! Die Sammlung neu sichten“ lädt die Städtische Galerie Karlsruhe dazu ein, ihre eigenen Bestände neu zu entdecken. Auf 1.500 qm Ausstellungsfläche begegnen sich im ersten und zweiten Obergeschoss des Museums Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie und Videokunst erstmals in medien- und epochenübergreifenden Themenräumen. Werke von mehr als 80 Künstler*innen aus einer Zeitspanne von rund 120 Jahren gehen spannende Dialoge ein und beleuchten Fragen unserer unmittelbaren Gegenwart.

Der Rundgang durch die Neupräsentation rückt mit ausgewählten thematischen Schwerpunkten unterschiedliche künstlerische Aspekte und Geschichten ins Zentrum: eigene und fremde Rollenbilder („Identität – Porträt, Maske, Inszenierung“), Geschlechtergerechtigkeit und Sichtbarkeit von Künstlerinnen („17 % – Künstlerinnen der Sammlung“), das Verhältnis von Natur und Nachhaltigkeit („Natur – Mensch, Mythos, Medium“), Erfahrungen in der Heimat und in der Fremde („Eine Handvoll Heimatland“) und unser gesellschaftliches Miteinander im Kontext von Traditionen und Gewohnheiten („Rituale – Der Sinn des Immergleichen“). Speziell konzipierte Künstler*innenräume – den Anfang macht der in Berlin lebende Künstler Olaf Nicolai – setzen darüber hinaus besondere Impulse. Im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Schaudepots, mit dem ein ansonsten verborgener Teil der alltäglichen Museumsarbeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, und des Karl-Hubbuch-Archivs werden zudem Fragen zum eigenen Selbstverständnis und zur Institutionsgeschichte, aber auch zur Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit aufgeworfen und zur Diskussion gestellt.

Wie kann man das Museum heute denken? Wie sieht die städtische Kunstsammlung der Zukunft aus? Seit der Museumsgründung im Jahr 1981 haben sich die Sammlungsbestände verändert, ihre Programmatik gewandelt. Gerade in Zeiten der Globalisierung und der Vernetzung, aber auch der gesellschaftlichen Umbrüche, wie wir sie aktuell erleben, sind neue Perspektiven erforderlich – mit Blick auf das internationale Kunstgeschehen ebenso wie auf die Erweiterung der Bestände durch neue Medien. Das Ausstellungskonzept ist daher als lebendiger „Szenenwechsel“ angelegt, der die Sammlungsobjekte durch Dialoge und Reaktionen auf gegenwärtige Themen immer wieder neu aktiviert. Auch empfindliche Arbeiten auf Papier werden in regelmäßigem Rhythmus ausgewechselt und Künstler*innen eingeladen, neue Räume zu installieren.

Die Kunstsammlung der Städtischen Galerie Karlsruhe ist mittlerweile auf über 20.000 Werke angewachsen. Seit 1996 wird sie im Hallenbau an der Brauerstraße gezeigt, einem der größten Industriedenkmäler Deutschlands mit einer einzigartigen Architektur. Ihr Grundstock geht zurück auf Karlsruher Privatsammlungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Heute umfasst sie vor allem deutsche Malerei und Skulptur von der Romantik bis in die Gegenwart, aber auch europäische Druckgrafik und japanische Holzschnitte sind Teil der vielfältigen Bestände. 1996 erhielt das Museum mit der Sammlung von Ute und Eberhard Garnatz als Dauerleihgabe zudem eine der bedeutendsten Privatsammlungen deutscher Gegenwartskunst. Sie erweitert und ergänzt die eigenen Bestände in hervorragender Weise und setzt vor allem im Bereich der künstlerischen Fotografie wichtige Akzente.

Beteiligte Künstler*innen
Franz Ackermann | Selma Alaçam | Nobuyoshi Araki | Georg Baselitz | Bernd und Hilla Becher | Boris Becker | Anna und Bernhard Johannes Blume | Björn Braun | Mona Breede | Miriam Cahn | Chargesheimer | Hannah Cooke | Simone Demandt | Frank Dömer | Peter Dreher | Marlene Dumas | Ambra Durante | Elsa & Johanna | Angela M. Flaig | Ursula Fleischmann | Günther Förg | Katharina Fritsch | Gotthard Graubner | Leni Hoffmann | Margarethe Hormuth-Kallmorgen | Karl Hubbuch | Friedrich Kallmorgen | Karin Kieltsch | Gustav Kluge | Utagawa Kunisada | Agnes Märkel | Hanna Nagel | Olaf Nicolai | Gabriele Oberkofler | Sigmar Polke | Mona Radziabari | Arnulf Rainer | Mario Reis | Rembrandt van Rijn | Gerhard Richter | Wilhelm Ludwig Riefstahl | Pipilotti Rist | Ulrike Rosenbach | Carl Rottmann | Thomas Ruff | Johann Rudolf Schellenberg | Wilhelm Schnarrenberger | Alwine Schroedter | Bernhard Schultze | Gerry Schum | David Semper | Andreas Slominski | Maria Steinwarz | Thomas Struth | Hans Thoma | Rosemarie Trockel | Alice Trübner | Günther Uecker | Timm Ulrichs und viele andere.

Themenräume in der Ausstellung „Update! Die Sammlung neu sichten“

Identität – Porträt, Maske, Inszenierung
Wer bin ich? Welche Rolle spiele ich – oder mein Gegenüber? In der künstlerischen Beschäftigung mit den Themen Porträt, Maske und Inszenierung werden Leinwand oder Kamera zur Projektionsfläche für die Konstruktion von Identitäten. Mit den Möglichkeiten von Kostümierung und performativem Spiel inszenieren Künstler*innen wie Rembrandt, Hanna Nagel, Karl Hubbuch, Anna und Bernhard Johannes Blume, Marlene Dumas oder Thomas Struth sich selbst und andere Personen in einer Vielzahl an Rollenbildern. Strategien der Distanzierung, Verfremdung und Irritation kommen dabei ebenso zum Einsatz wie hintergründige Ironie oder die Verschiebung der Realitätsebenen. Im Mittelpunkt der teils seriell konzipierten Zeichnungen, Gemälde, Foto- und Videoarbeiten stehen gesellschaftspolitische, kulturelle, medienkritische und genderbezogene Fragestellungen. In ihrer Gesamtheit führen die Werke das Flüchtige und Wandelbare von Identität in unterschiedlichsten Facetten vor Augen.

17 % – Künstlerinnen der Sammlung
Rund 17 Prozent der in unserer Sammlung vertretenen Künstler*innen sind weiblich und lediglich 11 Prozent aller Werke stammen von Frauen. In den Beständen zeichnet sich – wie in den meisten Sammlungen weltweit – das Bild eines kunsthistorischen Kanons ab, der überwiegend männlich geprägt ist. Museen stehen vor der Herausforderung, mit dieser historisch gewachsenen Ungleichheit umzugehen und die Sichtbarkeit von Künstlerinnen in ihren Einrichtungen zu stärken. Dies kann durch eine gezielte Ankaufs- und Ausstellungspolitik geschehen. Vor diesem Hintergrund legen wir bewusst einen Fokus auf Werke von Künstlerinnen in unserer Sammlung. So beträgt die Frauenquote in der aktuellen Sammlungspräsentation insgesamt nahezu 50 Prozent. In diesem Raum sehen Sie sowohl Werke von international erfolgreichen Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel, Katharina Fritsch oder Marlene Dumas als auch Bilder von Malerinnen der Jahrhundertwende wie Alice Trübner, Margarethe Hormuth-Kallmorgen oder Maria Steinwarz, die in unserem Haus bisher selten ausgestellt waren. Im Dialog ergeben sich gemeinsame Fragestellungen zur eigenen Identität als Künstlerin, der Auseinandersetzung mit Körperlichkeit oder dem Verhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit.

Natur – Mensch, Mythos, Medium
Mensch und Natur stehen unausweichlich in Beziehung zueinander. In der Geschichte der Kunst wird dieses komplizierte Beziehungsgeflecht auf unterschiedlichste Art und Weise zum Darstellungsgegenstand erhoben. Die Exponate des 19. bis 21. Jahrhunderts führen vor Augen, wie abwechslungsreich dieses Verhältnis von Künstler*innen motivisch und medial aufgefasst wird: Vom Mythos der unberührten Landschaftsidylle über die Vorstellung von einer Kulturlandschaft bis zu den Bruchstellen zwischen Zivilisation und Wildnis spiegeln die Arbeiten, wie sich der traditionelle Blick auf das Motiv der Landschaft bis in die Gegenwartskunst wandelt. Insbesondere die Arbeiten der zeitgenössischen Künstler*innen demonstrieren einen Bruch in diesem fragilen Miteinander. Die Werke werfen Fragen nach Vergänglichkeit sowie Wandelbarkeit von Natur als auch unserem Ordnungswillen auf. Der elementare Ruf nach ökologischem Einfühlungsvermögen ist aktuell in allen Lebensbereichen gegenwärtig, aber gerade in der Kunst immer prägnanter zu vernehmen.

Eine Handvoll Heimatland
„Heimat ist das Refugium, der Fluchtort für Sehnsüchte nach Gemeinschaft, nach Zugehörigkeit und Gerechtigkeit. Es ist die Idee eines Raums, in dem ich Geborgenheit erfahre und Kontrolle über meine Lebensverhältnisse habe.“ (Beate Mitzscherlich, „Heimat ist die Sehnsucht nach Zugehörigkeit“, 2017) Im Zeitalter fortschreitender Globalisierung, des Klimawandels und in Zeiten des Krieges verstärkt sich die kollektive Selbstbefragung nach Zugehörigkeit und kultureller Identität. Unerwartete Veränderungen im privaten Umfeld, im Alltag und plötzliche Brüche von Gewohntem, aber auch die mit immer weniger Anstrengungen verbundene Möglichkeit ferne Orte zu bereisen, werfen Fragen auf: Wo bin ich daheim? Wo fühle ich mich wohl? In der Werkauswahl, die sich vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart spannt und über sieben Heimatländer erstreckt, rücken diese Fragen ins Zentrum und eröffnen einen Dialog zwischen idyllischen Sehnsuchtsorten und nüchternem Lebensalltag sowie der Freiheit und Beschränkung des Reisens und Lebens.

Rituale – Der Sinn des Immergleichen
In Form routinierter Abläufe und serieller Wiederholungen erleichtern Rituale unseren Umgang mit der Welt. Dabei sind Riten und Bräuche einem ständigen Wandel unterworfen, sie erneuern und verändern sich. Ob bei kollektiven Begegnungen auf Festen und Feiern, im Kontext religiöser Zeremonien, aber auch in Sport, Politik oder im Familienleben – Rituale sind in allen Kulturen in unterschiedlichen sozialen Situationen anzutreffen und spielen eine bedeutende Rolle in unserem gesellschaftlichen Miteinander. Über die ursprüngliche Bedeutung von Ritualen in der kultischreligiösen Praxis hinaus, verweisen sie heute ganz grundsätzlich auf komplexe, symbolische Handlungen und regeln unsere Kommunikation. So sind sie auch auf der Ebene individueller Alltagshandlungen, als autistische Zwangshandlungen oder als ritualisierte künstlerische Praktiken anzutreffen. Anhand einer Auswahl von Werken aus dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart beleuchten 13 Künstler*innen die Funktion und Bedeutung von Ritualen damals und heute.


Öffnungszeiten:
Mittwoch - Freitag: 10:00 - 18:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: staedtische-galerie.de

Gerhard Richter Porträt Johannes Wasmuth, 1966 Städtische Galerie Karlsruhe Foto: Heinz Pelz
Dauerausstellung

Update! Die Sammlung neu sichten

Städtische Galerie Karlsruhe

Lorenzstraße 27
76135 Karlsruhe