Gegenwart ist nicht nur das Hier und Jetzt, sondern umfasst durch die Erinnerung auch die Vergangenheit und durch die Erwartung die Zukunft. Die Gegenwart ist damit ein Raum, in dem wir verstehen, woher wir kommen, und in dem wir entwerfen, wohin wir gehen wollen. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sind also miteinander verschränkt. Wie die Vergangenheit nur von einem Jetzt aus betrachtet werden kann und der Blick in die Zukunft lediglich eine gegenwärtige, sich vor dem Erfahrungshorizont des Vergangenen entfaltende Perspektive ist, so steht auch alles, was sich in der Gegenwart ereignet, im Bezug zu einem Davor und einem Danach.
Dies gilt auch für die Kunst. Denn dass etwas als Kunst erkannt und anerkannt, mithin wie es gedeutet und gewertet wird, verdankt sich immer einem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext, ist also in seiner Zeit verankert und somit einem ständigen Wandel unterworfen. Folglich ist auch das, was wir als Kunst begreifen, wie auch das, was als Kunst entsteht, keine feste Größe, sondern muss immer wieder aufs Neue von Künstler*innen ausgelotet und von Betrachter*innen wahrgenommen werden.
Ein solcher Begriff von Kunst als zutiefst historisch bedingter, der mit einem Bewusstsein der Historizität des eigenen Zugriffs, des eigenen Deutens und des eigenen Erfahrens einhergeht, wirft lange Schatten auf das Gebilde von Sammlungen. Denn nicht nur findet auch das Sammeln in einer spezifischen Gegenwart statt, auch ist unser Blick auf Sammlungen ein je zeitlich verorteter und demnach ein sich verändernder. So sind Sammlungen immer Spiegel der Zeit, mit allen ihren blinden Flecken. Sie erzählen Geschichten und wir mit ihnen. Andere hingegen nicht.
Vor diesem Hintergrund bildet Zeit das „Thema“ und den Ausgangspunkt der Sammlungspräsentation. Sie ist damit ein zutiefst selbstreflektierendes Unterfangen, das in einem Nachdenken darüber gründet, was Sammlungen – und letztlich auch Kunst – eigentlich sind, wie wir sie lesen und mit ihnen umgehen. Zeit hier jedoch nicht verstanden als Geschehen der Zeit, sondern als Geschehen in der Zeit. Auch wenn Ersteres ebenso für künstlerische, Kunst deutende und sammelnde Praktiken aufgeworfen und produktiv gemacht werden kann, beruhen sie doch alle auf zeitlichen Prozessen, die in der Vergangenheit beginnen, sich in die Zukunft fortschreiben und deren Formwerdung nur ein erstarrtes Momentbild ebenjener Prozesse ist.
Ausgehend von diesen Überlegungen geht die Sammlungspräsentation »In ihrer Zeit. Spuren von Gewicht» dem In-der-Zeit- bzw. In-seiner-Zeit-Sein und -Werden nach und wirft von dort aus Fragen der Zeitlichkeit auf: Als Prozess, Dauer, Wandel und Vergänglichkeit, als Sich-in-Beziehung-Setzen zum Jetzt und als Imaginieren eines Kommenden.
Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: kunsthalle-museum-bremerhaven.de