Ausgehend von der These einer gesellschaftlich engagierten „Politik der Liebe“ des politischen Philosophen und Literaturwissenschaftlers Michael Hardt thematisiert die internationale Gruppenausstellung Politics of Love ab dem 30. November Formen des Gemeinwohls und der multiperspektivischen Erfahrungsfülle als Basis für ein solidarisches Zusammensein und eine friedlichere Zukunft. Als Bezugspunkt dient die Biennale des Friedens, die 1985 auf Initiative des Fluxus-Künstlers Robert Filliou in Hamburg stattfand.
In einer Zeit verstärkter globaler Krisen mit Kriegsgewalt, humanitärer Not und ökologischen Katastrophen nimmt die Tendenz zu nationaler und individueller Abschottung und Isolation zu. Dabei schwinden essenzielle Zukunftsvisionen für gemeinsame Lösungsansätze und Aktionsbündnisse, aus denen neue Konzepte für Vernetzungen und Formen gegenseitiger Teilhabe erwachsen können. Dementgegen steht die Liebe als eine positive, treibende Kraft unseres Daseins, die sich auch auf unsere kollektiven Interaktionen auswirkt. Trotz ihrer Kommerzialisierung und Entleerung durch die globalen Mechanismen des Konsums bewahrt sie ihr transformatives Potenzial. Vor diesem Hintergrund fragt die Ausstellung nach den gesellschaftlichen Perspektiven, die eine engagierte, von Vielfalt getragene „Politik der Liebe“, wie sie der Philosoph und Literaturtheoretiker Michael Hardt definierte, bieten kann. In seinem Essay „Die Verfahren der Liebe“ (2012) macht er sich für eine Praxis der Leidenschaft für das stark, was uns – in unseren Differenzen und Multiplizitäten – verbindet.
Als relevanter historischer Bezugspunkt der Ausstellung dient die Biennale des Friedens, die 1985 auf Initiative des Fluxus-Künstlers Robert Filliou im Kunsthaus Hamburg und Kunstverein in Hamburg realisiert wurde. Das Konzept zu einem konzertierten Kunstereignis im Namen des Friedens entstand während Fillious Lehrtätigkeit an der Hamburger Hochschule für bildende Künste 1983/84 gemeinsam mit Student*innen und Dozent*innen. Unter dem Motto: „Frieden ist eine Kunst, keine abstrakte Vorstellung“ wurden Künstler*innen weltweit eingeladen, „ihre individuellen Beiträge zu diesem kollektiven Vorhaben“ zu entwickeln, wie von Filliou im Biennale-Katalog skizziert: Perspektiven für einen gemeinschaftlich geschaffenen Frieden als „Alternative zum Verhängnis“ der Brutalität des Kriegs.
40 Jahre später versammelt die Ausstellung Politics of Love Einzelpositionen junger und etablierter internationaler Künstler*innen, die in ihren Arbeiten auf verschiedene Weise die Aufgeschlossenheit, Empathie und Zuneigung thematisieren, die uns in unseren jeweiligen Eigen- und Andersartigkeiten zukunfts- und sinnstiftend zusammenbringen. In der Ausstellung begegnen diese aktuellen Positionen Rückblicken auf partizipatorische Projekte, die im Rahmen der Biennale des Friedens stattfanden. Im Fokus steht dabei ein inklusives, vielstimmiges Bonding, das ein mannigfaltiges „Wir“ an die Stelle individueller Abspaltung setzt und sich als produktive, kollektive Vermehrung und Potenzierung von Unterschieden begreift.
Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Rahmenprogramm begleitet, das Momente der Vernetzung und Intimität schafft, die ausgestellten Arbeiten aktiviert und Verbindungen zu bestehenden Strukturen der Hamburger Stadtgesellschaft herstellt. Unter anderem findet die Performance-Reihe Cooking with Mama des Künstlers Hiwa K an drei Terminen im öffentlichen Raum statt. Mitglieder lokaler Communities mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen bereiten dort Familiengerichte zu. Der Akt des Kochens wird zum Anlass, um ins Gespräch zu kommen – über Traditionen, Familie, die politischen Dimensionen des Essens und darüber, wie es ist, weit weg von zu Hause zu leben. Darüber hinaus lädt ein Open Call dazu ein, sich mit eigenen Mail-Art-Arbeiten – einer Form postalisch versendeter Kunst – am Projekt Politics of Love zu beteiligen. Die eingesendeten Arbeiten werden während der Laufzeit für Besucher*innen zugänglich sein.
Zur Ausstellung erscheint eine Online-Publikation, die von Sarah Iller, Maja Redlin und Leonie Voltz, drei Studierenden der Klasse Digitale Grafik der HFBK Hamburg (Leitung Prof. Konrad Renner), gestaltet wird. Die Webseite macht weiterführende Texte zum Thema der Ausstellung sowie zur Biennale des Friedens, Informationen zu den teilnehmenden Künstler*innen sowie ihren Werken und Dokumentationen der begleitend stattfindenden partizipativen Projekte digital und über die Dauer der Ausstellung hinaus zugänglich.
Teilnehmende Künstler*innen: u. a. Mounira Al Solh, Francis Alÿs, Isaac Chong Wai, Anna Ehrenstein, Amna Elhassan, FAIRY BOT, Robert Filliou, Parastou Forouhar, Green Go Home, Johan Grimonprez, Soyon Jung, Hiwa K, Lulu MacDonald, Sabine Mohr, Óstov Collective, Dan Peterman, Wolf Vostell