Die Kunsthalle Jesuitenkirche zeigt mit der Wiener Privatsammlung von Hannah Rieger erstmals Art Brut. Die Kollektion zählt zu den wichtigen ihrer Art und feiert mit dieser Ausstellung ihre Premiere in Deutschland.

Unter dem Titel „Biotop Art Brut. Werke aus der Sammlung Hannah Rieger" werden 77 Exponate von 46 Kunstschaffenden aus aller Welt gezeigt, die einen einzigartigen Einblick in dieses Genre bieten. Werke der Art Brut, die zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, finden auch vermehrt ihren Platz in den Sammlungen renommierter Museen sowie in bedeutenden internationalen Kunstschauen wie auf der Biennale in Venedig. So zeigt die Ausstellung auch Werke aller vier Art-Brut Vertreter:innen, die auf der diesjährigen Biennale zu sehen sind: Aloïse Corbaz, Madge Gill, Anna Zemánková und Leopold Strobl.

Kuratiert wurde „Biotop Art Brut. Werke aus der Sammlung Hannah Rieger" von PD Dr. Thomas Schauerte, Direktor der Museen der Stadt Aschaffenburg.

Art Brut – Das vollkommen Unerwartete in der Kunst
Die Schöpfer:innen von Art Brut arbeiten überwiegend autodidaktisch und schaffen unverfälschte Kunst jenseits des Mainstreams. Der Begriff Art Brut wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch den französischen Künstler und Weinhändler Jean Dubuffet eingeführt. Das Genre zeichnet sich durch seine vielfältige und ursprüngliche Formensprache aus, die sowohl historisch als auch gegenwärtig dem Milieu des akademischen Kunstbetriebs fern ist.

Art Brut offenbart ihre wahre Essenz nur durch ihre radikale Individualität. Jeder Kunstschaffende folgt einer schöpferischen Mission, Obsession oder Vision und präsentiert dabei einen autarken künstlerischen Ausdruck mit einer vollkommen eigenständigen Ästhetik. Der Fokus der Art Brut ist auf die Qualität des künstlerischen Ausdrucks gerichtet und nicht auf den sozialen Status oder den psychischen, körperlichen oder geistigen Zustand der Künstler:innen.

Auch die Avantgarde, stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, hat die Art Brut für sich entdeckt. Bedeutende Künstler wie Max Ernst, Paul Klee und Pablo Picasso, aber auch der in Aschaffenburg geborene Expressionist Ernst Ludwig Kirchner haben sich intensiv mit dem Genre auseinandergesetzt.

Biotop Art Brut
Das Zusammenspiel unterschiedlichster Formensprachen und „individueller Mythologien” (Harald Szeemann) spiegelt die Einzigartigkeit, Unangepasstheit und Diversität von Art Brut. Die Ausstellung schafft einen Raum im Sinne eines geschützten Biotops, an dem sich – wie in der Ökologie – Leben frei entfalten kann und wo die Betrachter:innen emotional Bedeutsames erleben können – jenseits des konventionellen, akademischen Kunstgenusses.

Die Sammlung Hannah Rieger
Hannah Rieger sammelt seit 1991 Art Brut und lebt in Wien und im niederösterreichischen Weinviertel. Ihre Sammlung umfasst über 550 Arbeiten und zählt damit zu den größeren spezialisierten Art Brut-Privatsammlungen. Ausgangspunkt bildet Kunst aus dem Ort Maria Gugging bei Klosterneuburg, wo die österreichische Art Brut-Künstlergemeinschaft ihren Sitz hat. Der Psychiater Dr. Leo Navratil initiierte 1981 das „Haus der Künstler” als Männerabteilung auf dem dortigen Klinikgelände. Es ist jedoch inzwischen aus der Psychiatrie ausgegliedert und in eine heute weltweit einzigartige Institution mit Kunstproduktion, Museum und Galerie transformiert worden. Der Rest ihrer Sammlung besteht aus internationaler Art Brut mit einem Frauen-Schwerpunkt.

„Die über Jahrzehnte nicht beachteten Künstlerinnen und Künstler und ihre Werke liegen mir am Herzen – sowohl persönlich als auch aus Gründen der akademischen Rehabilitation. Ich freue mich, dass Art Brut an diesem wichtigen historischen Ort, der ehemaligen Residenzstadt Aschaffenburg, eine angemessene Würdigung erhält", sagt Hannah Rieger selbst über ihre Intention.


Öffnungszeiten
Dienstag: 10:00 - 20:00 Uhr
Mittwoch - Sonntag (Feiertage): 10:00 - 18:00 Uhr
Montag geschlossen
 24., 25. und 31. Dezember und 1. Januar: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: museen-aschaffenburg.de

Ida Buchmann, Rosse, 1986, 40 x 30,1 cm, Acryl, Permanentmarker, Tusche, Wachskreiden, © Erbengemeinschaft Ida Buchmann, Foto: Maurizio Maier
28.09.2024 - 09.02.2025

Biotop Art Brut. Werke aus der Sammlung Hannah Rieger

Kunsthalle Jesuitenkirche

Pfaffengasse 26
63739 Aschaffenburg